Welche Wirkung könnte die Einführung autonomer Fahrzeuge auf unser Verkehrsmittelwahlverhalten zeigen?

Bevor der Frage nachgegangen wird, wie autonome Fahrzeuge in der Verkehrsmodellierung Berücksichtigung finden können, muss geklärt werden, wie sich die Einführung dieser Systeme auf die individuelle tägliche Mobilität auswirken könnte. Die potenzielle Nutzung autonomer Fahrzeuge oder auch neuer Mobilitätsangebote ist i.A. stark abhängig von ihren konkreten Einsatzmöglichkeiten und den Vorteilen, die sich im Vergleich zu momentan bereits verfügbaren Verkehrsmitteln bieten würden – von Faktoren also, die für die Bewertung der autonomen Fahrzeuge im Vergleich mit anderen Modi bei der Verkehrsmittelwahl relevant sind und somit – sofern möglich – Eingang in die Modelle finden sollten. Für die in Kap. 2 vorrangig unter technischen oder rechtlichen Gesichtspunkten beschriebenen Anwendungsfälle werden daher in diesem Abschnitt zunächst mögliche Nutzungsvarianten erörtert. Im Vordergrund stehen dabei Fragen nach einer Typisierung der voraussichtlichen Nutzer, der Wege- und Einsatzwecke, für die sich entsprechende Systeme besonders eignen, der Raumoder Kontexteigenschaften, die eine Nutzung fördern, den relevanten Verkehrsmitteleigenschaften sowie der Verkehrsmittelsubstitution, die sich als Resultat ergeben könnte. Der Fokus der Ausführungen wird auf diejenigen Eigenschaften gelegt, die sich für eine Abbildung in den Verkehrsmodellen eignen.

Der Autobahnpilot: ein Pkw mit dem besonderen Etwas für Ausnahmesituationen?

Der Autobahnpilot stellt möglicherweise ein Einstiegsszenario in die Automatisierung dar, da die Fahraufgabe außer in „Ausnahmesituationen“ bestehen bleibt. Die zwei Hauptaspekte des Autobahnpiloten aus der Nutzerperspektive stellen die Entlastung des Fahrers sowie die Möglichkeit, die Zeit während des Fahrens anders verbringen zu können, dar.

Der Einsatz des Autobahnpiloten wird nur auf spezifischen Strecken möglich sein und damit vorrangig auf Überlandfahrten. Aus diesem Grund kann angenommen werden, dass er sich vor allem bei Fahrten mit längerer Dauer positiv auf die Wahrnehmung und Bewertung des Pkws auswirken würde. Die Nutzerbefragung von Continental zeigt des Weiteren deutlich, dass die Abgabe der Fahraufgabe insbesondere bei stressbelasteten oder als lästig empfundenen Situationen wie Staus oder Baustellen positiv konnotiert ist [8]. Nicht selten wird damit aber auch eine Einschränkung des Fahrvergnügens verbunden [1].

Die Möglichkeit einer veränderten, zumeist mit erhöhter Sinnhaftigkeit oder Produktivität assoziierten Zeitnutzung ist nach der verbesserten Verkehrssicherheit der wohl meistgenannte Vorteil autonomer Fahrzeuge (s. beispielsweise [23], [26], [30], [32]). Insbesondere bei beruflich oder privat stark eingebundenen Personen, bei Fahrten mit Kindern oder in Begleitung könnte dies zu einer positiveren Bewertung der Reisezeit führen – einem der wichtigsten Faktoren bei der Verkehrsmittelwahl in Modellen. Letztendlich könnte dies dazu führen, dass längere Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, insbesondere für Personen, die diese Zeit aktiv nutzen, relativ betrachtet unattraktiver werden und der Pkw als bequemer wahrgenommene Alternative an Zuspruch gewinnt. Die Bedeutung der alternativen Zeitnutzung ist jedoch schwer zu bemessen: In der Continental-Studie gab z. B. nur rund ein Drittel der Befragten die Möglichkeit einer alternativen Zeitnutzung als attraktiv an [8].

 
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