Politik

Im Folgenden wird ein kurzer, schlaglichtartiger Überblick darüber gegeben, welche Vorstellung die Schüler von „der“ Politik haben. Wie zu Anfang des Bereichs Politik/Wirtschaft erwähnt, besitzen die allermeisten Schüler ein enges, institutionelles Verständnis von Politik. Dieses enge Verständnis kann von einem weiten Begriff des Politischen abgegrenzt werden. Politik in diesem engen Sinne beschreibt das Gefüge von staatlichen Institutionen, Regierungen und Parteien, das als quasi neutrale Instanz durch staatlich-administratives Handeln Einfluss auf gesellschaftliche Prozesse nimmt. Unter dem Politischen wird in Abgrenzung dazu die prinzipielle und grundsätzliche Gestaltbarkeit verschiedener Mikround Makroprozesse gesellschaftlicher Wirklichkeit verstanden. Die Akteure dieser Gestaltung wären im Sinne des Politischen eben nicht ausschließlich staatliche Verwalter, Experten oder feststehende, etablierte Institutionen. Der weiter gefasste Begriff des Politischen würde es erlauben, grundsätzlicher gesellschaftliche Rahmenbedingungen infrage zu stellen. Ausnahmslos alle Schüler benutzen die Begriffe „Politik“ oder „politisch“ im erst genannten, engen Sinne. Im ersten Absatz sollen Facetten eines konventionellen Politikverständnisses dargestellt werden und im zweiten Absatz Politikverständnisse, die der etablierten Politik skeptisch gegenüber stehen.

Die Mehrheit der Schüler – am Gymnasium und an der Hauptschule – sieht in der Politik die Triebfeder der Verbesserung und bzw. oder diejenige Institution, die – quasi als neutraler Akteur – einen Kompromiss finden könne. So führt Clara (Gym11) an, dass die deutsche Regierung wahrscheinlich darauf hören wird, wenn man „gute Lösungen“ (434) finden würde. Luisa (HS01) meint, die Regierungen hätten sich nach dem Zweiten Weltkrieg entschlossen zusammen und nicht mehr gegeneinander zu arbeiten. Dabei verfolgten sie das Ziel, „die Welt zu verbessern halt. Auch so wie die Globalisierung halt.“ (116–126) Özgür (Gym15) führt ein Beispiel an, in dem der Staat als neutraler Vermittler gedacht wird. Mal angenommen, es gäbe einen Konflikt zwischen dem Verkäufer bzw. Besitzer auf der einen Seite und Greenpeace auf der anderen. Der Staat – vorgestellt als neutrale, unparteiische Instanz – würde dann ein Gesetz verabschieden, „das halt so beides so einschränkt und das halt so lindert, sag' ich mal. Also den Konflikt.“ (100–104) In Bezug auf die internationale Arbeitsteilung traut Merle (Gym21) der Politik als einzigem Akteur eine Veränderung der sozialen Verhältnisse zu. Für internationale Gipfeltreffen schlägt sie vor, dass sich ja regelmäßig „so verschiedene Politiker aus verschiedenen Ländern treffen, um über irgendwas zu reden.“ Und zum Thema Globalisierung „könnte man sich halt auch treffen. So aus den Kontinenten so die wichtigsten Politiker, dass die sich zusammensetzen und darüber sprechen, ähm, wie sie das halt ändern können.“ (107–112)

Eine zweite, kleinere Gruppe der Schüler stellt die neutrale bzw. altruistische Haltung der Politik in Frage. Dabei bewegen sich die Positionen in einem Spektrum von einer vermuteten Ignoranz der Politik gegenüber sozialen Problemen der Bevölkerung bis zum Verdacht der grundsätzlichen Korrumpiertheit der Politik. So glaubt beispielsweise Max (Gym13) in Bezug auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Menschen in Bangladesch, dass es den „Repräsentanten von uns, also jetzt zum Beispiel Angela Merkel“ nicht so wichtig sei: „Das juckt die, glaube ich, gar nicht.“ (308–315) Leon (Gym06) glaubt, die Regierung sei nur deswegen bereit „etwas zu ändern, damit ihr Ansehen besser wird“ (209–211). Pascal (Gym12) glaubt, die Regierung habe bisher deswegen nichts an der globalen Ungerechtigkeit verändert, weil sie „zurzeit einfach andere Baustellen“ habe, die entscheidender seien. Wenn es aber Protest der Bevölkerung gäbe, würden die sich darum kümmern, da „unsere Regierung […] ja eigentlich auch zum großen Teil auf die Wählerstimmen aus“ sei. Die Regierung würde sich also nicht aus altruistischen Motiven um soziale Belange kümmern, sondern aus „eigenem Interesse […], weil die an der Macht bleiben wollen“. (230–237) Lennart (HS02) denkt,

dass die Regierung auch mit den Leuten unter einer Decke steckt und die davon Gewinn tragen“ und stellt so explizit die vermeintliche Neutralität der Politik in Frage. (153–151)

 
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