Veränderungen in der Supply Chain durch einen höheren Automatisierungsgrad im Gütertransport

Der systematische Nachvollzug der Veränderungen in der Supply Chain durch einen höheren Automatisierungsgrad im Gütertransport erfolgt entlang der in Abb. 18.1 dargestellten generischen Supply Chain. Jede Supply Chain bzw. Lieferkette besteht aus einer Aneinanderreihung der Aktivitäten „Rohstoffgewinnung“, „Verarbeitung/Produktion“, „Handel“ und den dazwischen stattfindenden logistischen Prozessen „Warenausgang (Umschlag)“,„Transport“ und „Wareneingang (Umschlag)“. Darüber hinaus ist unter heutigen Bedingungen die Produktions- und die Filiallogistik ebenso interessant, wenn es um Veränderungsprozesse aufgrund des nicht mehr vorhandenen Fahrers geht, da dort sehr viele sogenannte Added-Value-Services von den Logistik-Dienstleistern erbracht werden.

Der „Transport“ erfordert neben dem Fahren selbst von dem Fahrer die Kontrolle des Fahrzeugs, die Routenplanung sowie die Dokumentation und weitere administrative Tätigkeiten (Warenbegleitpapiere). Diese sind im grenzüberschreitendenden Verkehr noch umfangreicher (Zollabwicklung). Beim hochautomatisierten, fahrerlosen bzw. beim vollautomatisierten Fahren würde das häufige Problem der Lenk- und Ruhezeitüberschreitungen obsolet und Touren könnten anders geplant werden. Wenn der Transport hochautomatisiert erfolgt, wird erwartet, dass der Fahrer andere Aufgaben in dieser Zeit übernimmt. Er kann sich dann der Routenplanung, dem Fuhrparkmanagement oder der eigenen Erholung widmen [20].

Es kann also gleichzeitig zu einer Dezentralisierung und Parallelisierung von Funktionen kommen. Die Nutzung der Transportzeit für weitere Tätigkeiten ist allerdings nicht neu. Beispielsweise wurde die Behandlung von Postsendungen früher in Zügen vorgenommen (Postzug), Gleiches kann im Ausland beispielsweise auch bei den mobilen Depots (z. B. umgebaute Doppeldeckerbusse, „Floating Warehouse-Systeme“) beobachtet werden. Grundsätzlich hat der Fahrer die Fahrzeugbe- und -entladung zu überwachen und teilweise sogar selbst durchzuführen. Im Warenausgang ist er für die Überprüfung der Fracht-

Abb. 18.1 Exemplarische fahrerrelevante Tätigkeiten einer generischen Supply Chain (Quelle: eigene Darstellung, basierend auf [19])

papiere und die Ladungssicherung zuständig. Im Wareneingang hat er eine Empfangsbestätigung zu fordern.

Im Bereich des Warenein- und -ausgangs sind heute Fahrer in vielen Lieferketten für die Entladung des Fahrzeugs zuständig. Ihre Aufgabe endet häufig an der Laderampe, teilweise aber erst nach dem Einräumen, Rücklagern oder Nachräumen am Band oder sogar nach Vorsortierung, internem Transport und der Verräumung der Waren in die Regale (teilweise in Zwischenlager oder Puffer). Wie früher ist es bei einigen Paket- und Briefzustellern Usus, dass der Fahrer die Kommissionierung der Aufträge selbst übernimmt.

Im Bereich der Produktion wären Einsatzfälle denkbar, beispielsweise im Werkverkehr, wo – ähnlich wie im innerbetrieblichen Bereich – Transportaufträge ausgeschrieben werden und sich autonome Lkw darum „bewerben“ und den Transportauftrag nach vordefinierten Kriterien gewinnen können. Hierfür wäre weder eine zentrale Leitsteuerung noch Wegfindung notwendig. Teilweise existieren bereits Güterschleusen, sodass im Falle des Gefahrenübergangs keine Personen anwesend sein müssen.

Würde der Fahrer das Fahrzeug nicht mehr „begleiten“, müssten diese Tätigkeiten von anderen übernommen werden. Die Unternehmen müssten wieder eigene Beschäftigte für diese Tätigkeiten einstellen bzw. anlernen. Denkbar wäre aber auch, dass sich für die Logistik-Dienstleister hier noch ein weiteres Geschäftsmodell ergibt. Es kann also wieder zu einer Aufwertung von Arbeit allgemein und der Schaffung von lokaler Arbeit vor allem im urbanen Raum kommen. In anderen Fällen wäre es aber auch denkbar, dass der Automatisierungsgrad im Warenein- und -ausgang weiter zunimmt.

Veränderungen in den Transportsystemen selbst sind vor allem an der Schnittstelle zwischen unbemannter und bemannter Fahrt zu erwarten sowie im Aufgabenprofil der Fahrer. Die sich ergebenden prozessualen Veränderungen im Bahn- und Schiffsverkehr sowie für das Tätigkeitsspektrum der Menschen scheinen nicht so gravierend zu sein. Der Fahrer entfällt und wird durch einen Fahrroboter ersetzt. Die restliche Technik von Bahn und Schiff stehen bisher unter einem Veränderungsvorbehalt. Allerdings könnten neue Berufsbilder entstehen, wenn beispielsweise im Seeverkehr der Sicherheitsaspekt gegen Angreifer höher gewichtet wird als die Navigation.

 
< Zurück   INHALT   Weiter >