Konsequenzen der Weitergabe von Daten an Dritte

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Daten, die an Dritte jenseits der Domänen von Autoeignern oder -fahrern transferiert werden, ermöglichen es diesen Dritten, ihre Interessen zu verfolgen. Diese Interessen können mit den Interessen der sogenannten Datensubjekte, die durch die Daten identifiziert werden (in diesem Fall sind das typischerweise Autofahrer oder -eigner) im Konflikt stehen.

In diesem Abschnitt werden Beispiele für die folgenden Drittparteien diskutiert: Fahrzeughersteller, Versicherungsdienstleister, Flottenbetreiber, staatlich autorisierte Parteien, Peer-ad-hoc-Netzwerke, z. B. andere Verkehrsteilnehmer oder andere autonome Fahrzeuge, und Verkehrszentralen. Die Reihenfolge der Unterabschnitte folgt der ansteigenden Komplexität im Setting der Drittparteien.

24.2.4.1 Fahrzeughersteller

Fahrzeughersteller können daran interessiert sein, das Verhalten des Fahrzeugs zu dokumentieren, um Erkenntnisse über das Fahrzeug in Extremsituationen zu sammeln oder die Qualität der (oft sehr komplexen) Software zu testen. Dies ermöglicht ihnen, ihre Systeme zu verbessern und weiterzuentwickeln. Diese Art von Daten ähnelt denen, die Hersteller und Betreiber von Telekommunikationssystemen zum Zwecke der Qualitätssicherung und Wartung sammeln. Gleichzeitig beinhalten diese Daten jedoch sensitive Informationen über die Fahrer, z. B. die typische Fahrgeschwindigkeit, die Anzahl der Notbremsungen oder verpasste Übergaben vom Fahrroboter in den Use-Cases 1 und 3.

24.2.4.2 Versicherungsdienstleister

Versicherungsdienstleister sind häufig an ausführlicheren Informationen über ihre Kunden interessiert, um das Risiko, auf das sie sich einlassen, zu bewerten. Abhängig von der Art der Versicherung können unterschiedliche Informationen von Interesse sein. Für eine Unfallversicherung kann das Risiko beispielsweise vom Fahrverhalten (vorsichtiger oder risikofreudiger Fahrstil) abgeleitet werden, während für eine Diebstahlversicherung insbesondere ortsbezogene Daten (Regionen mit höherem oder niedrigerem Diebstahlrisiko für das jeweilige Fahrzeug) von Bedeutung sind. Alle Use-Cases liefern hier umfängliche Daten. Use-Case 1 und 3 bieten vor allem Daten über das Fahrverhalten, Use-Case 4 ermöglicht das Erheben von Daten über das Verhalten der Insassen und deren Notrufe. Ortsbezogene Daten werden in allen Use-Cases erhoben. Diese Bewertungen ermöglichen vielleicht fairere Beurteilungen der Versicherungskunden, da sie ein kostenreduzierendes Verhalten belohnen. Die Nutzer werden dadurch aber auch einer erhöhten Überwachung ausgesetzt, ohne genaue Erläuterungen der damit verbundenen Risiken und Chancen zu erhalten. Versicherungsdienstleister treffen Entscheidungen oft auf Grundlage von ScoringSystemen. Von diesen Systemen oder den von ihnen verwendeten Daten und Kriterien wissen Kunden oft nichts, da Versicherungsunternehmen diese Informationen als Geschäftsgeheimnisse betrachten und vor der Konkurrenz geheim halten wollen. Das führt dazu, dass Kunden von den Reaktionen einer Versicherung – wie der Verweigerung einer Vertragsverlängerung oder der Erhöhung einer Prämie – leicht überrascht werden können.

24.2.4.3 Flottenbetreiber

Flottenbetreiber, etwa Autovermietungen, sind in einer ähnlichen Situation wie Versicherungsunternehmen. Um ihren geschäftlichen Erfolg zu steigern, versuchen sie, das Risiko der Autovermietung an die jeweiligen Kunden zu bewerten und das Ergebnis in ihre Preisgestaltung einfließen zu lassen. Daher kann es zu ähnlichen Konsequenzen für die Kunden kommen wie bei Versicherungen (z. B. in Bezug auf (k)eine Verlängerung des Vertrages oder eine Erhöhung der Gebühren). Auch in diesem Szenario könnten in allen Use-Cases Daten erhoben werden. Der wesentliche Unterschied zum Versicherungsszenario ergibt sich aus der Tatsache, dass Flottenbetreiber in der Regel die Besitzer der Autos sind und somit mehr Kontrolle über ihre Autos haben als eine Versicherung über versicherte Autos ihrer Kunden. Dieser Unterschied ist wichtig für jegliches Konzept eines „Private Data Vault“ zur Speicherung sensitiver Daten von Mietern oder Fahrern (s. Abschnitt 24.5). Ein solches „Private Data Vault“ müsste in diesem Szenario entweder speziell im Auto installiert werden, um es vor dem Zugriff des Flottenbetreibers zu schützen, oder vom Mieter oder Fahrer mitgebracht werden.

24.2.4.4 Kommerzielle standortbezogene Dienste

Werbetreibende Unternehmen sind daran interessiert, jeweils passende Werbenachrichten an die jeweilige Zielgruppe zu adressieren. Dies beinhaltet auch die Wahl der richtigen Orte für entsprechende Werbebotschaften. So könnten beispielsweise Pendler, die aktuell im Stau stehen, mit einem Sonderangebot von Geschäften in der Nähe der nächsten Ausfahrt adressiert werden, damit sie aus dem Stau heraus zum Einkaufen fahren. Ebenso können Reisende, die auf dem Weg zu einem großen Flughafen im Stau stehen, von einem besser zu erreichenden Regionalflughafen umworben werden, damit sie ihren nächsten Flug von dort aus buchen: So werden auf der Autobahn von Norden in Richtung Flughafen San Francisco Flüge ab San José beworben. Deshalb interessieren sich werbetreibende Unternehmen für Verkehrsströme (und Staus). Darüber hinaus sind sie immer an weiteren Details über ihre Zielgruppe interessiert, die es ihnen erlauben, Rückschlüsse auf deren Verhalten wie z. B. die Art der Reise (Geschäftsreise, Pendeln, Freizeitausflug) zu ziehen.

24.2.4.5 Staatlich autorisierte Stellen

Staatlich autorisierte Stellen wie Polizeien oder Geheimdienste können die Daten zum Zwecke der Überwachung verwenden, um Verhalten zu erkennen, das sie sanktionieren oder vermeiden wollen. Im Falle der Verkehrspolizei könnte dies jede Art von Verhalten sein, das als unsicher angesehen wird oder gegen Verkehrsregeln verstößt wie z. B. Schwierigkeiten oder auffälliges Verhalten in der Interaktion mit dem Fahrroboter. Polizeikräfte, die Verbrechen untersuchen oder verhindern wollen, sowie Geheimdienste können an Navigationsoder Bewegungsdaten interessiert sein, um Informationen über das soziale Umfeld von Reisenden zu erlangen, etwa, wer wen wo trifft. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden interessierte Geheimdienste und Bedarfsträger zudem eine ganz eigene Interpretation davon haben, wozu sie jenseits der Garantien und Zusicherungen von Datenschutzgesetzen autorisiert sind. Dies gilt vor allem für Daten, die Autos von ihrer Umgebung sammeln würden. Mit dem Ansatz, dass Daten von vielen oder sogar allen Autos kombiniert werden, ist eine spezifische Form des crowd-sourcing vorstellbar. Einige Gemeinden nutzen bereits heute crowd-sourcing, um Daten zur Umweltbelastung zu sammeln. Auch wenn in diesem Fall keine oder nur wenige personenbezogenen Daten gesammelt werden, ist das Beispiel dem Szenario, in dem ein Auto seine Umgebung ausspioniert, konzeptionell nahe.

24.2.4.6 Peer-ad-hoc-Netzwerke

Peer-ad-hoc-Netzwerke (z. B. andere Verkehrseinheiten oder autonome Fahrzeuge) können an jeglichen Daten zur Optimierung der Wegführung und Stabilisierung interessiert sein, die ihnen dabei helfen, die Straßenverhältnisse besser zu bewerten. Dabei können die In-formationen anderer (etwa entgegenkommender) Fahrzeuge helfen, da diese ja bevorstehende Straßenabschnitte der eigenen Route schon passiert haben. Sofern es sich dabei um anonymisierte Daten handelt, die lediglich unter den beteiligten Peers ausgetauscht werden, sind die Folgen weniger schwerwiegend als bei Datenübertragungen zu einer (zentralen) Einrichtung, die Daten aggregiert (wie andere in diesem Kapitel beschriebene Einrichtungen).

24.2.4.7 Verkehrszentralen

Die Interessen von Verkehrszentralen hängen stark von den Interessen ihrer Betreiber und Eigentümer ab. Verkehrszentralen, die Verkehrsströme effizienter gestalten und die Auswirkungen von Verkehrsunfällen auf den Verkehrsfluss verringern wollen, sind an allen Daten interessiert, die ihnen helfen, die aktuelle und zukünftige Verkehrssituationen besser zu beurteilen: Fahrbedingungen können von Umgebungsdaten oder von Bewertungen des Fahrverhaltens abgeleitet werden, wie sie in allen Use-Cases anfallen; mögliche Staus können aus Reiseplänen und Navigationsdaten abgeleitet werden. Verkehrszentralen können auch an Kooperationen mit anderen Einrichtungen interessiert sein, um ihre Kosten zu refinanzieren oder sogar Gewinne zu erwirtschaften: Dies wird durch die Tatsache gestützt, dass andere Unternehmen, wie in den vorangegangenen Beispielen beschrieben, Nutzen aus den von Verkehrszentralen gesammelten Daten ziehen können.

Das Ausmaß, in dem Verkehrszentralen mit anderen Unternehmen, die an ihren Daten interessiert sind und Geld dafür bieten, kooperieren wollen, hängt von ihrem Status und ihrer finanziellen Ausstattung ab. Eine private gewinnorientierte Verkehrszentrale benötigt eine Finanzierung; eine öffentliche Verkehrszentrale steht eventuell unter geringerem finanziellem Druck. Allerdings gab und gibt es für viele der gegenwärtigen Investitionen in öffentliche Infrastrukturen Überlegungen, sie in öffentlich-privaten Partnerschaften durchzuführen, um sie trotz Geldmangel in den öffentlichen Haushalten durchzuführen. Dies gilt z. B. für die Mauterhebung und war ebenso für das Galileo-Satellitennetz geplant

– auch wenn der Plan in diesem Fall mangels privater Interessenten nicht umgesetzt wurde. Auch Rundfunkanstalten werden immer abhängiger von einer privaten Mitfinanzierung,

z. B. durch Werbung.

 
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