Recht und Haftung

Die Beiträge im Teil „Recht und Haftung“ richten den Blick aus einer übergeordneten Perspektive auf die jeweilige Bedeutung verschiedener Rechtsordnungen für ein gesellschaftliches Ordnungsgefüge, das autonomes Fahren ermöglicht. Der Blickwinkel ist hierbei geprägt von und teilweise limitiert auf die Kenntnis der Autoren vor allem des amerikanischen und deutschen Rechtssystems sowie der Praxis in Automobilunternehmen. Zumeist werden aber übergeordnete Aspekte der jeweiligen Rechtssysteme, Grundwerte der Gesellschaftsordnungen und voraussichtlich langfristig fortdauernde Rechtsinstitute und Interessen in den Blick genommen. Dies ermöglicht es, Schlussfolgerungen zu ziehen, die dem zukunftsgerichteten Thema gerecht werden. Auch angesichts dieses abstrakten Ansatzes sei für den vorliegenden Teil gleichwohl darauf verwiesen, dass die geäußerten Rechtsansichten allesamt die der Verfasser auf dieses Zukunftsthema sind und eine rechtliche Beratung im Einzelfall nicht werden ersetzen können.

Um die Herausforderungen des vorliegend betrachteten Fernziels autonomen Fahrens zu verstehen, muss man sich bewusst machen, dass das „eigenständige maschinelle Wirken“ im öffentlichen Straßenverkehr nur in wenigen Rechtsordnungen bislang mit der alltäglichen Rechtswirklichkeit eindeutig übereinstimmt – das gilt auch für einzelne proaktiv regulierende Bundesstaaten in den Vereinigten Staaten. Auch wenn es nämlich regelmäßig den geschulten Blick des Experten bedarf, um dies zu erkennen, setzen heutige prototypische Systeme bei hohen Automatisierungsgraden doch zumeist noch aus technischen Gründen einen Fahrer als Überwacher voraus. In der Abkehr von diesem eingeführten und breit akzeptierten fahrerischen Handeln bei der Fahrzeugsteuerung liegt (nicht nur) unter rechtlichen Gesichtspunkten die leitende Herausforderung autonomen Fahrens. Herausgearbeitet und aufgezeigt werden in den Beiträgen des vorliegenden Teils die Ursachen für bestehende rechtliche Unsicherheiten, die dieser Wandel mit sich bringt. Teilweise lassen sich weiterführende Fragen identifizieren, die gegebenenfalls helfen können, auftretende Veränderungen besser zu verstehen. Aber auch Strategien und Empfehlungen werden abgeleitet, die ihnen Rechnung tragen und den Wandel wesentlich erleichtern können.

Im Beitrag Grundlegende und spezielle Rechtsfragen für autonome Fahrzeuge geht Tom Gasser vertieft ein auf die grundlegende Betrachtung des heutigen Straßenverkehrs und seiner Gefahren, die vor dem Hintergrund des Menschenrechtes auf Leben und körperliche Unversehrtheit dargestellt werden. Hierauf basierend wird aufgezeigt, dass der grundlegende Wandel auf dem Weg zum autonomen Fahren darin liegen wird, vom fahrergesteuerten Fahrzeug zu einem eigenständigen maschinellen Wirken im öffentlichen Raum überzugehen, ohne dass Gefahren sich hierbei gänzlich werden ausschließen lassen. Diesen Systemwechsel ordnet der Verfasser vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund als wesentlich ein. Fortgesetzt wird die Betrachtung der rechtlichen Auswirkungen autonomen Fahrens anhand des resultierenden Automatisierungsrisikos und des gedanklichen Modells von „Dilemma-Situationen“. Hieraus ergeben sich grundlegende Anforderungen an die Gestaltung autonomer Steuerungsfunktionen beim Schutz von Fußgängern und Radfahrern wie auch weitere Forschungsfragen bei der Bestimmung von Ursachen für das Zustandekommen von Verkehrsunfällen im heutigen System des Straßenverkehrs. Ein vertieftes Verständnis dieser Kausalabläufe kann nach Ansicht des Verfassers zu weiterführenden Erkenntnissen im Rahmen der sicheren Gestaltung autonomen Fahrens führen. Neben einigen weiteren Spezialfragen wird vor allem auf die Kommunikation zwischen Verkehrsteilnehmern im Straßenverkehr eingegangen. Auch hier zeigt sich für das vorliegend betrachtete Fernziel autonomer Fahrzeugführung der Bedarf an grundlegend neuen Konzepten.

Die Produkthaftung in den Vereinigten Staaten steht im Mittelpunkt des Beitrages Product Liability Issues in the U.S. and Associated Risk Management von Stephen Wu. Das Risikomanagement von Produkthaftung ist eine wichtige Herausforderung, der sich die Automobilindustrie und andere in diesem Bereich tätige Unternehmen stellen müssen, wenn sie darauf abzielen, autonome Fahrzeuge in den Vereinigten Staaten zu verkaufen. Hersteller autonomer Fahrzeuge können dabei ganz erheblichen, möglicherweise sogar existenziellen Risiken ausgesetzt sein. Lebhafte Darstellungen von Produkthaftungsfällen im Automobilbereich aus den vergangenen Jahrzehnten zeigen das abstrakt erscheinende Risiko und die auslösenden Faktoren auf. Dieser Überblick macht die Risiken greifbar und anschaulich. Vor diesem Erfahrungshintergrund werden Empfehlungen für das produkthaftungsrechtliche Risikomanagement im Entwicklungs- und Absicherungsprozess hergeleitet. Der Hersteller kann Risiken durch eine sorgfältige Vorbereitung auf mögliche Produkthaftungsfälle minimieren.

Ausgehend von einer abstrakten Betrachtung von Risiken und Unsicherheiten, die sowohl autonome als auch heutige Fahrzeuge aufwerfen, wird die erhebliche Herausforderung dargestellt, die eine Regulierung konkret bedeutet. Im Ergebnis des Beitrages Regulation and the Risk of Inaction kommt Bryant Walker Smith so zu insgesamt acht handlungsleitenden Empfehlungen strategischer Art – vorwiegend bezogen auf die öffentliche Hand, aber auch für betroffene private Akteure im Umfeld autonomen Fahrens. Diese Strategien können entweder den Risiken selbst oder nachteiligen Folgen und Auswirkungen autonomen Fahrens wirksam begegnen. Argumentativ stützt er seinen innovationsoffenen Ansatz dabei auf Chancen, die eine Fahrzeugautomatisierung bieten kann. Eine seiner grundlegenden einleitenden Feststellungen im Zusammenhang mit Regulierung ist dabei bestimmt durch ihre Notwendigkeit: Werden Entscheidungen in den handlungsleitenden Bereichen nicht von den für eine abstrakte Entscheidung Verantwortlichen getroffen, kommt es lediglich zur Verlagerung im konkreten Einzelfall einer Risikoverwirklichung: So werden sich dann Gerichte mit derselben Fragestellung auseinandersetzen müssen.

Die Berücksichtigung technischer, rechtlicher sowie ökonomischer Risiken beim Entwicklungs- und Freigabeprozess automatisierter Fahrzeuge ist Gegenstand des Beitrages von Thomas Winkle. Aus langjährigem Expertenwissen wird die positive technische Entwicklung der Fahrzeugsicherheit über die vergangenen Jahrzehnte nachgezeichnet. Einer höheren Sicherheit und Zuverlässigkeit der Fahrzeuge stehen diesbezüglich gestiegene Verbrauchererwartungen gegenüber. Diese Erwartungen und Anforderungen an den Automobilhersteller werden auch anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Produkthaftung aufgezeigt und belegt. Hingewiesen wird aber insbesondere auf die mittelbaren ökonomischen Auswirkungen von Produktkrisen auf den Fahrzeughersteller, die in Form des Vertrauensverlustes von Kunden noch wesentlich schwerer wiegen können. Herausgearbeitet werden die tatsächlichen Möglichkeiten des Herstellers, über den Entwicklungs- und Freigabeprozess von Fahrzeugen auf die Fahrzeugsicherheit einzuwirken. Hierbei wird die Erarbeitung nicht nur neuer Ansätze in Bezug auf neue Sicherheits- und Testkonzepte gesehen, sondern vor allem die Empfehlung eines international abgestimmten Leitfadens, der – aufbauend auf dem entsprechenden Instrument zur sicheren Gestaltung von Fahrerassistenzsystemen – in gleicher Weise für automatisierte Fahrzeuge empfehlenswert erscheint. Abschließend wird im historischen Rückblick auf die ersten Schritte des Automobils dargelegt, wie ein übertriebener Perfektionismus die Einführung einer Innovation verhindern kann. Als Schlussfolgerung wird deshalb die gewissenhafte und sorgfältige Anwendung vorliegender Expertenerfahrung als innovationsfreundlicher Ansatz bei der Entwicklung automatisierter Fahrzeuge dargestellt.

 
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