Zusammenfassung zentraler Ergebnisse der Interviewstudie
In der Interviewstudie wurden die Denkweisen der Schüler in den Bereichen „Internationale Arbeitsteilung“, „Politik/Wirtschaft“, „Partizipation“, „Migration“ und „Kultur“ herausgearbeitet. Während die Wahrnehmung und Bewertung der Globalisierung in einigen Bereichen schichtspezifisch stark differiert, ist der Unterschied in anderen Bereichen weniger stark ausgeprägt. In bestimmten Untersuchungsbereichen wurde eine überraschende Uniformität der Denkweisen festgestellt.
Internationale Arbeitsteilung
Alle Schüler besitzen Wissen über Strukturen internationaler Arbeitsteilung, wie zum Beispiel, dass Produkte im Ausland hergestellt und nach Deutschland importiert werden. Die globalen Lohnungleichheiten und die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen werden von nahezu allen Schülern thematisiert und zum Großteil auch als Grund für die Auslagerung der Produktion ins Ausland angeführt. Fast alle Schüler zeigen Empathie mit Menschen im Globalen Süden, die von Armut und schlechten Arbeitsbedingungen betroffen sind. Dies führt allerdings nicht zu einer prinzipiellen Kritik des Verhältnisses zwischen Globalem Norden und Globalem Süden.
Die Mehrheit der Schüler erklärt sich die globale Ungleichheit mit Erklärungsansätzen, die als entwicklungstheoretisch charakterisiert werden können. Es wird vermutet, die ärmeren Länder seien einfach noch nicht so weit. Machtund Ausbeutungsstrukturen werden hingegen kaum erwähnt. Zwar reflektieren viele Schüler den eigenen Konsum in Rahmen der Diskussion um globale Gerechtigkeit, doch findet eine darüber hinausgehende Auseinandersetzung, die grundlegende Strukturen der Reproduktion von Ungleichheit in den Blick nimmt, kaum statt. Bei genauerer Betrachtung führen die Schüler eine ganze Reihe von Erklärungsansätzen für die globale Ungleichheit an. In der Analyse wurden diese in entwicklungstheoretische und dependenztheoretische unterschieden. Unter dependenztheoretisch ausgerichteten Ansätzen fassen wir alle Erklärungen globaler Ungleichheit, die entweder die Geschichte der Ausbeutung des Globalen Südens durch Sklaverei, Kolonialismus und Imperialismus als Ursache berücksichtigen oder gegenwärtige ökonomische Hierarchien, Abhängigkeiten und strukturelle Benachteiligungen auf dem Weltmarkt zwischen dem Globalen Süden und dem Globalen Norden benennen. Unter entwicklungstheoretischen Erklärungsansätzen fassen wir alle Argumentationen, die diese Dimension nicht beinhalten und stattdessen die Ursache globaler Ungleichheiten in endogenen Entwicklungsdefiziten bzw. -rückständigkeiten sehen.
Insgesamt dominieren in den Vorstellungen der Schüler entwicklungstheoretisch ausgerichtete Erklärungsansätze. Diese fanden sich in 36 von 44 Interviews bzw. in je 18 Interviews beider Schultypen. Sechs Gymnasiasten und drei Hauptschüler führen dependenztheoretische Erklärungsansätze an, die allerdings bis auf eine Ausnahme mit entwicklungstheoretischen Ansätzen vermengt werden.
Die dependenztheoretischen Erklärungsansätze globaler Ungleichheit stellen dagegen eine Minderheitenposition dar. In den Vorstellungen der Schüler finden sich hier Verweise auf die Geschichte der Sklaverei und des Kolonialismus, sowie gegenwärtige strukturelle Benachteiligungen des Globalen Südens auf dem Weltmarkt. Dependenztheoretische Ansätze werden insgesamt stärker von Gymnasiasten vertreten.