Der organisatorische Anschluss der Gemeindegruppen
Wie gezeigt wurde, versucht die NGO die Gemeindegruppen an andere Geber anschlussfähig zu machen. Im Folgenden wird die einer damit angestrebten organisationalen Vernetzung zugrunde liegende Logik besprochen. Es wird gezeigt werden, dass die Idee solcher Verbindungen zu anderen Gebern auf Bestrebungen zur Mobilisierung von Ressourcen und damit auf das nachhaltige Bestehen der Gruppen zurückzuführen ist. Durch eine solche Anbindung an bestehende Hilfestrukturen soll im Übrigen ein vertikales Versorgungskontinuum zwischen den Gebern sowie den staatlichen Einrichtungen und den Gemeinden etabliert werden.
Linking als Mobilisierung von Ressourcen und Nachhaltigkeitsstrategie
In der Logik der NGO sollen das organisational capacity building und die dadurch etablierten Organisationsstrukturen dazu beitragen, einerseits die Leistungen der Gemeindeorganisationen zu erhöhen, andererseits aber darüber hinaus auch, um deren Nachhaltigkeit zu unterstützen, wie es eine Mitarbeiterin der NGO ausdrückt: "we also build their capacity in order for them to be sustained and independent, such that once Global Child Aid has phased-out they can be able to continue with the developmental works within their area" (I / TA / 3). Die Mobilisierung von Ressourcen und die Vernetzung mit dem Staat und anderen Geberorganisationen sollen aus Sicht der NGO dazu beitragen, die Gemeindegruppen unabhängig von der Hilfe der NGO zu machen und die Nachhaltigkeit der Projektaktivitäten zu fördern. Unter dem Konzept der Nachhaltigkeit wird in den Gemeindeprojekten seitens der NGO verstanden, dass die Gemeindegruppen nach dem Rückzug der NGO, der sogenannten transition oder dem phase-out, weiterhin ihre Tätigkeiten der Unterstützung der Kinder fortführen. Letztlich sollen die Gemeindeorganisationen finanziell und materiell unabhängig von der Unterstützung der NGO werden. Die Nachhaltigkeit der Gruppen wird hierbei fast synonym mit der Fähigkeit zur Mobilisierung und der Einwerbung von Ressourcen beschrieben (vgl. z. B. I / TA2 / 3).
Diese Herstellung von Anschlussfähigkeit der Gemeindegruppen ist keinesfalls nur auf die NGO selbst bezogen, sondern auch auf andere Geberorganisationen. Ein in Gesprächen mit Mitarbeitenden und in der Literatur der NGO zu den Gemeindegruppen wiederkehrender Begriff ist der des linking oder des partnering. Dabei geht es um den Verbindungsaufbau zwischen den Gemeindegruppen und anderen Akteuren, auf den Teile des organisational capacity building ausgerichtet sind. Der folgende Interviewauszug gibt einen Einblick in die Idee, die hinter diesen Konzepten steht:
Thandi: […] So once organisational capacity building is introduced to the CBOs that Global Child Aid is working with at the ground, the aim is to sustain whatever development Global Child Aid is bringing to that area. And most importantly we work towards developing ‒ not developing but helping the CBOs built partnership with others. Because, in most of the areas where we operate, Global Child Aid is not always a single operational NGO, there are usually other partners. So the aim is to develop ‒ help them develop skills in order for them to create partnership with other NGOs, other than Global Child Aid. But most importantly, we want them to engage with the local structures ‒ that is the government structures, for example the lowest structure in our government system here in Zambia is the ADCs, the Area Development Committees (I / TA / 3 f.).
Die Semiprofessionalisierung der lokalen Partner und ihre organisationale Formierung gehen also über den reinen Zweck der Rationalisierung, des Empowerment, der Effizienzsteigerung und der Herstellung von Anschlussfähigkeit an die NGO selbst hinaus. Sie sollen zudem der Anschlussfähigkeit der Gemeindegruppen an andere Hilfestrukturen dienen. Die Vernetzung der verschiedenen Akteure zu einer Gemeindegruppe soll aus Sicht der NGO nicht nur horizontal auf der Gemeindeebene erfolgen, sondern es sollen darüber hinaus vertikale Verbindungen zu übergeordneten Verwaltungsstrukturen etabliert werden. Grundsätzlich hierfür ist das Ziel, dass die Gemeindegruppen nach dem Rückzug der NGO aus der Zusammenarbeit weiterhin aktiv bleiben. Dazu wird es als notwendig erachtet, dass die Gemeindegruppen sich durch eine eigene Mobilisierung finanzieller Mittel unabhängig machen. Gleichzeitig wird aus dem folgenden Interviewauszug mit einer Mitarbeiterin der NGO die Ursache für solch eine angestrebte Vernetzung deutlich. Die Mitarbeiterin führte zur Frage nach den Mobilisierungsschritten aus:
Thandi: […] And also resource mobilization is extremely key. The CSAs need to be made to understand that they need to create partnership. This partnership must be with the power relations, those other institutions that are able to give them financial support, other than Global Child Aid. Ja, I think there I'm done, unless you have a question.
I: This is the goal, to have a CBO, a community-based organisation that is able to sustain itself?
Thandi: The goal is for the CBOs to sustain themselves, for Global Child Aid the aim is that when Global Child Aid is phasing-out the community must be able to take over what Global Child Aid has been doing. With the support of other institutions that they will have identified and worked with at the time when Global Child Aid existed (I / TA / 5 f.).
Da die Mobilisierung von Ressourcen aus Sicht der NGO sehr wichtig ist, müsste den Gemeindegruppen verständlich gemacht werden, dass sie neben der NGO auch Partnerschaften mit anderen übergeordneten Institutionen eingehen sollten, um mit deren Ressourcen die von der NGO angestoßene Arbeit weiterführen zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten die Gemeindegruppen also in die Lage versetzt werden, sich um ausgeschriebene Mittel zu bewerben, um andere externe Hilfsmittel einwerben zu können, oder wie Thandi es ausdrückt: "They need to create partnership", um Ressourcen zu mobilisieren und nachhaltig zu arbeiten.
Neben der Ressourcenmobilisierung durch die Gemeinden selbst besteht eine weitere Möglichkeit der Mitteleinwerbung folglich darin, über staatliche Strukturen oder internationale Geber an Fördergelder zu gelangen. Hierfür ist eine wesentliche Zugangsvorrausetzung, dass die Gemeindegruppen als gemeindebasierte Organisationen registriert sind. Im folgenden Interviewauszug verdeutlicht Thandi diesen Aspekt der Förderung durch die NGO:
I: Ahm. How does Global Child Aid support the CSAs? You already mentioned ahm, the formation process of the CSAs, the capacity building, but is there also other input?
Thandi: Mhm. Usually CSAs are encouraged to form ah, groups for income-generating activities. So the initial start for an IGA tends to be supported by Global Child Aid, and then the community continues to roll it out on their own, by taking care of the profits, and taking care of the ‒ and managing the funds as well as managing the resources. So usually Global Child Aid support's with income generating activities, which in turn should help the CSAs carry out their duties of home-visits and other things. […] And then also in some other instances other than Global Child Aid, government has got what is known as the structures of government ah ‒ the lowest level are the Area Development Committees. These Area Development Committees tend to receive some funds, which are known as CDF funds ‒ Community Development Funds ‒ so sometimes those funds also are able to reach the CBOs ‒ the CSAs, if they are registered, in order for them to supplement on the works that they are doing.
I: OK, so they need to be registered to (Thandi: yes) are legitimate to get these ‒ OK. Thandi: Yes, cause you never know ‒ it might be just an organisation ‒ maybe it's just me and me alone and then I got to receive a chunk of money ‒ I put it in my pocket (I / TA / 11 f.).
Die Registrierung als formale gemeindebasierte Organisation wird hier als zentrales Kriterium für den Erhalt von Fördermitteln beschrieben, um die Gefahr der Veruntreuung der Mittel zu minimieren. Ebenso sind ein Zugang zu Informationen über Fördermöglichkeiten und die Fähigkeiten solche Mittel zu beantragen und das Verfassen von Berichten, also das reporting, von großer Bedeutung für eine solche Ressourcenmobilisierung. Die NGO bietet neben den OCB Trainings in ausgewählten Gemeinden versuchsweise Trainings in Zusammenarbeit mit anderen Gebern an, bei denen die Gemeindegruppen grants erhalten, anhand derer sie den Umgang mit eben solchen Mitteln und Praktiken geschult werden und sich damit vertraut machen können (vgl. I / ME / 1 ff.).
Das Ziel der Nachhaltigkeit und Vernetzung der Gemeindegruppen ist in unterschiedlichen Gesprächen wiederzufinden. So äußert ein Gruppenvorsitzender:
Chairman: But if we are going to have again were the groups will be assisted somewhere else, because of what Global Child Aid has given us, were to go and ask for money, I think they cannot fail to give us. They can give us, because we have got were to start. Here in Zambia, you know, money unless if you have got were to start, that's when they give you the, the other money. They cannot give you money without you having something. So, that one is a big achievement, especially where Global Child Aid is concerned. […] Global Child Aid told us how to go and talk to those people from council and other offices […] Now we know what to do and […] we can speak on our own, ja (GD / Zim / 2).
Die Gemeindegruppe wird hier als durch die Trainings der NGO dazu befähigt beschrieben, nach Ende der Projektlaufzeit selbst Mittel einzuwerben. Im folgenden Gesprächsauszug wird eine andere Gemeindegruppe hinsichtlich ihrer Ziele dazu befragt, wo sie die Gruppe in der Zukunft sieht:
I: Where do you see yourself as a CSA in ten years? What do you want to achieve? Roberta [CSA]: We want to have sustainability, should be able on our own to care for ourselves as a CSA.
I: And how do you want to achieve this?
Roberta [CSA]: Working hard, mobilizing ourselves, organizing ourselves and working as a group.
Patricia [GCA]: And to be registered.
Aston [CSA]: And to be registered, off course.
I: Where will you get the funding?
Aston [CSA]: From amongst the members themselves.
I: Yes?
Aston [CSA]: Yes, from amongst the members via contributions. I: OK.
Patricia [GCA]: You are going to write any proposals?
Aston [CSA]: Ja, she is actually right. There is that in […] or write some proposals,
which can actually bring about some empowerment (GD / Sim / 18).
Anhand dieser Interviewsequenz werden zwei Aspekte augenscheinlich: Zum einen stellt sich die Gruppe als motiviert dar und bedient die Erwartungen seitens der NGO. Die Ziele der Nachhaltigkeit und Selbstständigkeit werden durch
"harte Arbeit, Mobilisierung und Organisierung" angestrebt, während die Gruppe sich selbst über ihre Mitglieder finanziert. Zum anderen ergänzt die NGOMitarbeiterin diese Ausführungen um den Aspekt der Registrierung der Gruppe und dem damit verbundenen Versuch, externe Mittel einzuwerben, was von Mitgliedern der Gruppe bestätigt wird. Die positive Selbstdarstellung der Graswurzelorganisation wird hierbei durch eine Einbindung in das Gebernetzwerk ergänzt. Dabei ist dieser Versuch aber auch als ›Exit-Option‹ für die NGO zu verstehen, durch welche diese in der Lage ist, die Projekte in einer in sich sinnigen Narration zu beenden: Die unkoordinierten, aber engagierten Gemeindegruppen wurden zu Graswurzelorganisationen aufgebaut und soweit befähigt, dass sie eigenständig Mittel mobilisieren können und in die weiteren Geberstrukturen eingebunden sind.
Neben der reinen Vernetzung zur Mobilisierung von Ressourcen, zum Informationsaustausch und zur besseren Koordination der lokalen Aktivitäten kann mit dem linking eine teilweise Integration oder volle Übernahme der Gemeindegruppen in die offizielle Hilfestruktur der staatlichen Verwaltung gemeint sein. Eine solche Aufnahme kann etwa in Form von gemeinsamen Treffen mit Regierungsvertretenden erfolgen, bei denen auf der Distriktebene auch Repräsentanten und Repräsentantinnen der Gemeindeorganisationen teilnehmen, ihre Anliegen einbringen und letztlich auf der Distriktebene beschlossene und von dort koordinierte Aktivitäten in den Gemeinden umsetzen.