Kritik am Ansatz des Globalen Lernens

In den letzten Jahren wurde insbesondere von Vertretern der postkolonialen und antirassistischen Theorie mehrfach Kritik am Ansatz des Globalen Lernens artikuliert (vgl. Albrecht-Heide 2012; Danielzik et al. 2013; Danielzik 2013; GeißlerJagodzinski 2013; Kübler 2013). Im Folgenden werden schlaglichtartig anhand des Artikels „Überlegenheitsdenken fällt nicht vom Himmel“ von Danielzik (2013) einige der Kritikpunkte dargestellt. Am Ansatz des Globalen Lernens wurde unter anderem kritisiert, dass in den Feldern des Globalen Lernens und der BNE historisch gewachsene (koloniale) Machtund Herrschaftsverhältnisse nicht grundlegend infrage gestellt wurden (Danielzik 2013, S. 26). Dadurch würden die dominanten Ausrichtungen beider pädagogischer Handlungsfelder – trotz entgegengesetzter Zielformulierungen – zur Stabilisierung von Ungleichheitsverhältnissen auf sozialer, politischer und ökonomischer Ebene, sowohl im Nord-Süd-Kontext als auch innerhalb der deutschen Migrationsgesellschaft, beitragen (Danielzik 2013, S. 26). Die Kritiker versuchen dies anhand der Analyse von Material und Theorie des Globalen Lernens und der BNE sowie ihrer Institutionalisierung insbesondere im Orientierungsrahmen (BMZ und KMK 2007) aufzuzeigen. Ein zentraler Kritikpunkt besteht in der Einbettung des Globalen Lernens und der BNE in den herrschenden Entwicklungsdiskurs, der eine unilineare Geschichte mit Europa bzw. dem Westen an der Spitze festschreibe und „rassistische und kapitalistische Grundannahmen und Logiken, die konstituierend für bestehende Machtverhältnisse in Nord-Süd-Beziehungen sind“ (BMZ und KMK 2007, S. 27 ff.; vgl. auch Ziai 2007; Ziai 2013) reproduziere. Es wird moniert, dass eine Kritik an „Kolonialismus, Rassismus und Kapitalismus […] im inhaltlichen Agenda-Setting und den Methoden des GL und der BNE so gut wie nicht auf[tauchen]“ (Danielzik 2013, S. 29). Wenn sie genannt werden, dann würde Rassismus oft in einer individualisierenden und Kolonialismus in der Regel in einer von der gesellschaftlichen Gegenwart entkoppelten Form thematisiert, die seit der offiziellen Unabhängigkeit der Kolonien auch das Ende der Wirkmächtigkeit kolonialer Strukturen für die Gegenwart sieht. Außerdem würde die globale Asymmetrie von Möglichkeitsräumen einerseits verleugnet und andererseits festgeschrieben. So werde einerseits so getan, als könnten alle gleichberechtigt an der Gestaltung der globalen Welt teilhaben; die sozio-politisch bedingten strukturell unterschiedlichen Handlungsräume würden ausgeblendet. Andererseits werde implizit zwischen Globalisierenden und Globalisierten unterschieden. Die Globalisierenden sind die Kinder und Jugendlichen aus dem Globalen Norden, die durch Kompetenzentwicklung zur verantwortungsvollen „Weltbürgern“ gemacht werden sollen. Nicht in Erwägung gezogen werde beispielsweise, dass Kinder und junge Erwachsene im Globalen Süden „eigene Handlungsmöglichkeiten“ entwickeln, um im Globalen Norden Veränderung herbeizuführen (Danielzik 2013, S. 31). Implizit werde klar vermittelt, wer Akteur und wer Objekt der Gestaltung der Welt und des Prozesses der Globalisierung sei. Ein weiterer Kritikpunkt besteht darin, dass das Globale Lernen ein „Weiß-Weißes Selbstgespräch“ sei. Im Kontext der deutschen Migrationsgesellschaft würden beispielsweise im Orientierungsrahmen 2007 (BMZ und KMK 2007) Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht als mögliche Subjekte von Bildung, sondern als Möglichkeit zum Erwerb interkultureller Kompetenzen für die Angehörigen der Dominanzgesellschaft gesehen (vgl. Danielzik 2013, S. 31). Globales Lernen ziele letztlich auf das Empowerment der bereits Empowerten und zementiere bereits bestehende Überlegenheitsgefühle und ethnisch imaginiertes Zugehörigkeitsdenken (Danielzik 2013, S. 31). Anhand von einzelnen Unterrichtsmaterialien zeigt sie, dass die Adressaten eindeutig nicht Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind, diese aber als allgegenwärtig und gleichzeitig nicht zugehörig markiert werden. Teilweise würden auch didaktische Konzepte bemüht, die implizit auf die aufklärerische Rassenlehre rekurrierten und die Schüler aufforderten, anhand phänotypischer Merkmale Menschengruppen zu charakterisieren (Danielzik 2013, S. 31).

In seiner Replik auf die Kritik am Ansatz des Globalen Lernens macht Overwien (2013) darauf aufmerksam, dass Kritiker oftmals unter Ausblendung des jeweiligen Kontextes das Material betrachten, auf das die Kritik zutreffe. Dabei würden die Kritiker mitunter systematisch die theoretische Fundierung des Globalen Lernens ausblenden. Er führt Beispiele für Publikationen und pädagogische Praxen von Vertretern des Globalen Lernens an, bei denen eine Auseinandersetzung mit Rassismus und Ethnozentrismus stattgefunden hat. Insgesamt zeigt Overwien, dass das Globale Lernen ein heterogenes Feld ist und die Kritik Gefahr läuft, eine zu pauschale Bewertung des Ansatzes Globales Lernen vorzunehmen.

 
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