Regierung
Nach Art. 39 der malaysischen Verfassung steht formell der König an der Spitze der Exekutive. Exekutivorgan ist jedoch das Kabinett, das vom Ministerpräsidenten geführt wird. Der Premierminister und die Kabinettsmitglieder werden vom König ernannt und sind dem Parlament verantwortlich. Der Premierminister muss dem Repräsentantenhaus angehören und wird von der stärksten Partei gestellt. Gemäß Art. 43(7) der Verfassung muss der Premierminister in Malaysia geboren und darf nicht eingebürgert worden sein. Hintergrund dieser Regel ist, dass hierdurch zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit ethnische Chinesen und Inder faktisch von dem Amt ausgeschlossen wurden. Tatsächlich gehören bzw. gehörten alle bisherigen Ministerpräsidenten der malaiischen Volksgruppe an.
Die Ministerernennung erfolgt auf Vorschlag des Premierministers durch den König (Art. 43 (2b)). Die Minister müssen Mitglieder des Oberoder Unterhauses sein, wobei in aller Regel Abgeordnete des Repräsentantenhauses im Kabinett vertreten sind (Funston 2001, S. 173). Kabinettsminister sind kollektiv dem Parlament verantwortlich, die Abwahl einzelner Minister ist nicht möglich. Das Kabinett umfasst neben dem Regierungschef und seiner Abteilung (Prime Minister's Department) insgesamt 24 Ministerien, deren Zuschnitt – mit Ausnahme des Finanzministeriums – jederzeit veränderbar ist. Gemäß der malaysischen Koalitionsarithmetik werden Ministerposten (derzeit 35) zwischen den Parteien der Barisan Nasional aufgeteilt, sodass die Repräsentation aller ethnischen Gruppen gesichert ist. In der 13. Wahlperiode (seit 2013) etwa stellt die UMNO insgesamt 21 Minister und der MIC zwei. Die restlichen Ministerposten werden von sechs kleineren Parteien und unabhängigen Kandidaten besetzt (Office of the Prime Minister 2013). Lediglich die MCA hat aufgrund ihres desaströsen Wahlergebnisses erstmals seit 1957 keinen Minister.
Der enge Zusammenhalt in der Barisan Nasional und die über Jahrzehnte hin eindeutigen Machtverhältnisse im Unterhaus führten zu stabilen Regierungskoalitionen und einem hohen Maß an personeller Kontinuität an der Regierungsspitze (vgl. Tab. 7.3).
Tab. 7.3 Regierungen in Malaysia (1957–2013)
Amtszeita |
Premierminister |
Regierungstyp |
Dauer in Tagen |
31/08/1957–27/06/1959 |
Tunku Abdul Rahman |
Koalitionsregierung (Alliance)b |
665 |
19/08/1959–01/03/1964 |
Tunku Abdul Rahman |
Koalitionsregierung (Alliance) |
1656 |
21/03/1964–20/03/1969 |
Tunku Abdul Rahman |
Koalitionsregierung (Alliance) |
1825 |
10/05/1969–22/09/1970 |
Tunku Abdul Rahman |
Koalitionsregierung (Alliance) |
500 |
Tab. 7.3 (Fortsetzung)
Amtszeita |
Premierminister |
Regierungstyp |
Dauer in Tagen |
22/09/1970–31/07/1974 |
Abdul Razak Hussein |
Koalitionsregierung (Alliance) |
1408 |
24/08/1974–14/01/1976 |
Abdul Razak Hussein |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional)c |
508 |
14/01/1976–12/06/1978 |
Hussein Onn |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional) |
880 |
08/07/1978–16/07/1981 |
Hussein Onn |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional) |
1104 |
16/07/1981–29/03/1982 |
Mahathir Mohamad |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional) |
256 |
22/04/1982–19/07/1986 |
Mahathir Mohamad |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional) |
1549 |
03/08/1986–04/10/1990 |
Mahathir Mohamad |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional) |
1523 |
21/10/1990–06/04/1995 |
Mahathir Mohamad |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional) |
1628 |
25/04/1995–10/11/1999 |
Mahathir Mohamad |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional) |
1660 |
29/11/1999–31/10/2003 |
Mahathir Mohamad |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional) |
1432 |
31/10/2003–02/03/2004 |
Abdullah Ahmad Badawi |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional) |
123 |
21/03/2004–13/02/2008 |
Abdullah Ahmad Badawi |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional) |
1424 |
08/03/2008–03/04/2009 |
Abdullah Ahmad Badawi |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional) |
391 |
03/04/2009–03/04/2013 |
Najib Razak |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional) |
1461 |
06/05/2013–??? |
Najib Razak |
Koalitionsregierung (Barisan Nasional) |
– |
Quelle: Nohlen et al. (2001); Office of the Prime Minister (2013)
a Die Amtszeit einer Regierung endet, wenn die Zusammensetzung der Regierungskoalition, oder die Person des Regierungschefs wechselte, oder nach nationalen Wahlen.
bUMNO, MIC, MCA.
cBarisan Nasional ist eine aus aktuell 13 Parteien bestehende Koalition. Seit der Gründung schwankt die Zahl der Mitgliederparteien sehr stark, insbesondere, da sich in Sabah und Sarawak Parteien immer wieder neu gegründet haben, die erst gegen die BN angetreten sind und sich ihr dann anschlossen.
Die starke Stellung des Premierministers gegenüber Kabinett und Unterhaus basiert zum einen auf der Kompetenz des Regierungschefs zur Bestimmung der Richtlinien der Politik. Zum anderen hat sich insbesondere während der langen Regierungszeit von Premierminister Mahathir (1981–2003) das Prime Minister's Department zur zentralen Leitungsund Koordinationsstelle innerhalb der Regierung entwickelt. Insgesamt unterstehen dem Premierminister in seiner Abteilung aktuell acht eigene Minister mit Kabinettsrang[1], in deren Aufgabengebiet u. a. die Wirtschaftsplanung (Economic Planning Unit, EPU) sowie die Aufsicht über die Implementierung der Regierungspolitik (Performance Management & Delivery Unit) fallen. Da die EPU im Rahmen der Neuen Wirtschaftspolitik und der Privatisierungspolitik der 1980er Jahre eine federführende Rolle spielt bzw. spielte (Funston 2001, S. 176 f.) und der Premier auch das Förderbudget der inzwischen fünf Wirtschaftsentwicklungszonen („Economic Corridors“) kontrolliert, verfügt er über ein großes Patronagepotential, das ihm erlaubt, Politiker, Unternehmer und Beamte in seine Verteilungskoalition einzubinden (Slater 2003, S. 91; Lopez 2010a).
Dem Büro des Regierungschefs sind ferner der Generalstaatsanwalt, die Kommission zur Ernennung der Richter und die Anti-Korruptionsbehörde, die Wahlkommission sowie das Public Service Department zugeordnet. Das stärkt die Machtkonzentration in den Händen des Premierministers zusätzlich und trägt dazu bei, dass nur innerparteiliche Konkurrenten seine Machtposition gefährden können. Das zeigte sich sowohl auf dem Höhepunkt der Asienkrise 1998, als der damalige Finanzminister und Stellvertretende Ministerpräsident Anwar Ibrahim den Führungsanspruch von Premierminister Mahathir herausforderte, als auch in der Endphase der Regierungszeit von Ministerpräsident Badawi (2003–2009). Dieser war zum Rückzug gezwungen, als ihm die Granden der UMNO um Parteipräsident Mahathir öffentlich das Vertrauen entzogen.
Weitere Verfassungsorgane
Weitere Verfassungsorgane sind das Oberste Gericht (Federal Court, vgl. Kap. 7.4) und die bereits erwähnte Konferenz der Herrscher. Sie besteht aus den neun Herrschern der Bundesstaaten von Negeri Sembilan, Selangor, Perlis, Terengganu, Kedah, Kelantan, Pahang, Johor sowie Perak und den vier Gouverneuren der übrigen Bundesstaaten Penang, Malakka, Sabah und Sarawak. Die Konferenz tritt dreimal im Jahr zusammen. Ihre wichtigste Aufgabe ist die Wahl des Königs und seines Stellvertreters durch die neun Herrscher. Des Weiteren bedürfen Verfassungsänderungen, welche die Befugnisse der traditionellen Herrscher und die Verfassungen der Bundesstaaten, die Rolle des Islams, die Vorrechte der malaiischen Volksgruppe und der indigenen Bewohner Sabahs und Sarawaks sowie den Status der malaiischen Sprache als offizieller Landessprache berühren und verändern würden, der Zustimmung der Konferenz. Allerdings kann das Parlament seit 1984 mit Zweidrittelmehrheit ein Veto der Konferenz zurückweisen (Lee 1995, S. 33 f.). Zu den originären Befugnissen der Versammlung gehören darüber hinaus Begnadigungen auszusprechen, über die Anwendung religiöser Gesetze zu wachen und bei der Bestimmung der Richter an den Obersten Gerichten konsultiert zu werden. Die Konferenz der Herrscher definiert sich also nicht über ihre politischen Handlungsmöglichkeiten, sondern vor allem über die symbolische Rolle zur Untermauerung des malaiischen Führungsanspruchs auf nationaler Ebene.
- [1] Zudem hatten seit 1998 alle Premierminister auch das Amt des Finanzministers inne.