Ziele und Absichten von Unternehmen, öffentlichen Körperschaften und Akteuren im Hinblick auf den öffentlichen Auftrag
Zielsetzungen von Unternehmen bei der Erlangung eines öffentlichen Auftrags durch Korruption
Tatsächlich ist die Erlangung eines öffentlichen Auftrags nur ein Teilziel in der Diskussion um wirtschaftliche Zielsetzungen eines Unternehmens. Bei einer Analyse von Korruptionsmaßnahmen ist es daher nicht ausreichend, lediglich die Ebene der Teilziele zu betrachten. Es muss auch immer die Ebene der Zwischenziele berücksichtigt werden, da bereits innerhalb eines Unternehmens konkurrierende Ziele auftreten und im Umfeld „Korruption und Auftragsvergabe“ sind die Teilziele keineswegs komplementär zu den unternehmensweiten oder gar wirtschaftspolitischen Zielen. In diesem Zusammenhang soll Korruption im Auftragsvergabewesen als wirtschaftliches Handeln betrachtet werden.
Der Begriff „handeln“ dient als Gegensatz zum bloßen „geschehen lassen“ und umfasst jedes willensgesteuerte, menschliche Verhalten. Folglich sind Aktivitäten in diesem Zusammenhang bewusst gewollt, um ein gesetztes Ziel zu erreichen. Der Begriff „wirtschaftlich“ kann sowohl bereichsabgrenzend, als auch qualitativ ausgelegt werden. Im qualitativen Sinne bedeutet „wirtschaftlich“ auch „ökonomisch“ und beschreibt damit die Anwendung des ökonomischen Prinzips (Wirtschaftlichkeitsprinzip). Dieses wiederum setzt sich aus dem Minimumprinzip und dem Maximumprinzip zusammen. Grundaussage ist dabei, „dass ein bestimmter Erfolg mit dem geringstmöglichen Mitteleinsatz (Minimalprinzip) bzw. mit einem bestimmten Mitteleinsatz der größtmögliche Erfolg (Maximalprinzip) erzielt werden soll.“ Endziel jeglichen wirtschaftlichen Handelns ist die Bedürfnisbefriedigung als Ausdruck eines Mangels. Der Zielbegriff soll hier als „[…] Verwirklichung [der] gedanklich vollzogenen Projektion eines als begehrenswert empfundenen und für verwirklichbar gehaltenen zukünftigen Zustands“definiert sein. Der in der Zukunft angestrebte Zustand wird mittels korruptiver Methoden versucht zu erreichen. Bestechung und Bestechlichkeit sind folglich Werkzeuge, welche dazu dienen, Zwischenziele des wirtschaftlichen Handelns zu erreichen. Diese setzen sich bspw. aus dem Gewinnstreben, und der damit verbundenen Schaffung von Rentabilität, sowie der Sicherung des Unternehmens zusammen.
Abbildung 8: Zielpyramide mit Endziel, Zwischen- und beispielhaften Teilzielen
Im wirtschaftlichen Alltag werden Teilziele festgelegt, mit denen es angedacht ist, Zwischenziele des wirtschaftlichen Handelns zu erreichen. Eine Unterscheidung der Zielsetzungen von Individuen und Organisationen ist somit Voraussetzung. Dazu muss eine weitere Annahme getroffen werden: Ein Unternehmen ist als System mit eigenen Zielen zu verstehen – entgegen der Auffassung von CYERT/MARCH, die feststellen, dass es „Ziele einer Organisation nicht gibt.“ „Menschen (d.h. Individuen) haben Ziele; menschliche Kollektive haben keine Ziele.“ Die Zieldimension in der Korruption kann hierbei von den Zielen des Individuums, über die einer Gruppe, hin zum Kollektiv, aber auch darüber hinaus, bis hin zur Gesellschaft reichen.
Wie bereits mehrfach erläutert, verfolgen Individuen innerhalb eines Unternehmens eigene Ziele. Jedoch bilden sich auch hier Kollektive, welche gemeinsame Ziele verfolgen. So wird letztlich auch der Begriff „Kollektiv“ definiert; als „[lat.: Gruppe, Gemeinschaft, Team, mehrere Personen umfassende Einheit] […] die den […] Individualismus überwinden und das Handeln des Individuums dem kollektiven Nutzen unterstellen sollte[n].“ Aktionäre bspw. verfolgen das gemeinsame Interesse der Wertsteigerung des Unternehmens, um so den Wert der Aktienanteile zu steigern. Somit können Aktionäre durchaus als Kollektiv bezeichnet werden. Genauso kann der Aufsichtsrat bzw. der Vorstand als Kollektiv gesehen werden, welches die Ziele durch die Eigentümer erhält (Prinzipal-Agent-Theorie). Im Unternehmensumfeld können daher Ziele, welche durch Korruption erreicht werden sollen, durchaus als Kollektivziele betrachtet werden. Nichtsdestotrotz verfolgen Angehörige dieses Kollektivs auch eigene Ziele, diese treten jedoch hinter den Zielen der Organisation zurück. Ein Beispiel hierfür ist die Erlangung eines Auftrags, welcher zur Überwindung der Markteintrittsbarriere im Ausland führt: Eine Projektgruppe kommt zu dem Entschluss, dass nur über Bestechung zur Auftragserlangung eine Expansion der Organisation in einem neuen Markt möglich sei. Die Ziele des Kollektivs stehen im Vordergrund, jedoch profitieren die Individuen der Projektgruppe gleichermaßen. Folglich können Kollektive, ebenso wie Individuen, Ziele verfolgen.
Abgeleitet von den Zielen der Unternehmung, sollen exemplarisch drei Teilziele untersucht werden: Schaffung von Rentabilität durch Kostenreduzierung, Verfolgung von Gewinnstreben durch Ausbau der Marktposition sowie Sicherung des Unternehmens durch Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen. Bei der Auswertung der Literatur kristallisierten sich diese Aspekte als zentrale Interessen der Unternehmen bei der Anwendung von Korruption heraus.