d Ambulante Sanktionen aus Sicht der Betroffenen
Ein wichtiger, jedoch oftmals übersehener Aspekt der Sanktionsforschung ist die Frage, wie Sanktionen von denjenigen wahrgenommen werden, die ihnen ausgesetzt sind. Wie bereits dargelegt, werden Alternativen zur Freiheitsstafe oftmals mit einem milderen Sanktionscharakter assoziiert. Dies ist jedoch auch abseits des Beispiels der Todesstrafe sehr viel weniger eindeutig, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. So sollte es etwa bei Boot Camps zumindest Gegenstand der Debatte sein, ob diese Alternative (welche verschiedene Erscheinungsformen annehmen kann) tatsächlich eine mildere Sanktion als Strafvollzug darstellt oder nicht. Zwar dürften Boot Camps in der Regel kürzer andauern als Haftstrafen, je-doch können sie wesentlich eingriffsintensiver sein. So mag es der einen Personen erträglicher erscheinen, einer länger andauernden, aber dafür weniger eingriffsintensiven Sanktion ausgesetzt zu sein, während eine andere Person genau das Gegenteil vorziehen würde. Sicherer ist dagegen, dass bis zu 100% aller Betroffenen es vorziehen würden, weder dem einen noch dem anderen ausgesetzt zu sein. Obwohl der Vergleich der Schwere verschiedener Sanktionen ein Kern sowohl der Vergeltungsals auch der Rational-Choice-Theorie ist, hat dieser in der empirischen Forschung bislang kaum Beachtung gefunden.[1] Eine solche vergleichende Analyse sollte indes als eine wichtige Voraussetzung betrachtet werden, wenn es um das Bewerben von Alternativen zum Freiheitsentzug aus menschenrechtlicher Perspektive geht.
Die empfundene Eingriffsintensität einer Sanktion hängt indes oftmals von der persönlichen Situation der betroffenen Person ab. Ein besonders verletzlicher Gefangener etwa, der im Strafvollzug häufig Gewalttaten zum Opfer fällt, wird eine Haftstrafe als wesentlich härtere Strafe wahrnehmen als eine Person, die in der Lage ist, das Leben anderer Gefangener zu ihren Gunsten zu kontrollieren und gleichzeitig ihre Freiheitsstrafe nutzen kann, um ihre „Street Credibility“ für die Zukunft zu erhöhen. Während es überzeugend und geradezu natürlich erscheint, die Perspektive von Betroffenen in die Evaluation der Auswirkungen von Sanktionen und ihrer Eingriffsschwere miteinzubeziehen, wird diese Perspektive in der Forschung dennoch regelmäßig vernachlässigt. Eine Zusammenfassung über die Wahrnehmung von ambulanten Sanktionen durch Verurteilte, durch Opfer, durch diejenigen, die für den Vollzug dieser Sanktionen verantwortlich sind sowie durch die Medien und die Öffentlichkeit hat nur eine geringe Anzahl an relevanten Studien in ganz Europa hervorgebracht.[2]
Zunächst einmal stellt sich in Bezug auf die Sicht der Betroffenen die Frage, wer die Betroffenen eigentlich sind, also welche Bevölkerungsgruppen besonders von Bewährungsstrafen und anderen ambulanten Sanktionen betroffen sind. Das soziodemographische Profil von Verurteilten mit ambulanten Sanktionen in Europa lässt erkennen, dass vor allem gegen junge Menschen, Männer und überwiegend sozial benachteiligte Menschen ambulante Sanktionen verhängt werden.[3] Aus den wenigen existierenden Studien geht außerdem hervor, dass unter Bewährung stehende Personen in England, Wales, Belgien und Deutschland ihre Erfahrungen mit der Bewährungsstrafe als durchaus hilfreich einstuften. Ihren Angaben zufolge bietet der Bewährungsrahmen eine gute Gelegenheit, einem Freiheitsent- zug zu entgehen und dabei das eigene Leben neu auszurichten. Diese durchaus positive Wahrnehmung scheint auf den Ansatz zurückzugehen, Personen, deren Strafe zur Bewährung ausgesetzt ist, in Sachen Finanzen, Jobs und Unterkunft unter die Arme zu greifen. Andere Gründe für die positive Rezeption von Bewährung finden sich in Bewertungen der konkreten Persönlichkeit von Bewährungshelfern und -helferinnen, wenn diese als fair, offen vertrauenswürdige, flexibel etc. beschrieben werden. Andererseits gibt es in jeder Studie auch eine Gruppe von Personen unter Bewährung, die mit dieser Überwachung unzufrieden sind, auch wenn sie regelmäßig als Minderheit erscheint.[4]
Im Rahmen der COST-Initiative[5] „Offender Supervision in Europe“[6] wurde von einer Arbeitsgruppe eine Zusammenfassung von Studien über Bewährungserfahrungen von Betroffenen erstellt.[7] Eines der Länder, die zumindest eine kleine Anzahl an Studien über die Ansichten von unter Bewährung stehenden Personen aufweisen, ist Deutschland.[8] Die meisten deutschen Studien zu der Thematik enthalten nur eine Befragung weniger Personen, wobei Biekers Studie[9] mit 228 Probanden in den 1980er Jahren und Cornels Forschung aus dem Jahr 2000, die ebenfalls die Adressatenperspektive in den Mittelbpunkt rückte und im Rahmen derer 1.740 junge Menschen unter Bewährung interviewt wurden, Ausnahmen darstellen. Die Forschungsergebnisse wiesen zwar überwiegend positive Erfahrungswerte auf,[10] sie sind jedoch aufgrund der engen Verzahnung der Forschung mit der Bewährungshilfe mit Vorsicht zu genießen und könnten durch diese verzerrt worden sein. Daher können diese Studien allenfalls als Ausgangspunkt für eine standardisierte paneuropäische Untersuchung zur Perspektive von Personen unter Bewährung dienen.[11] Ein Problem stellt hier allerdings der Zugang zu den Betroffenen dar, welcher nicht den Eindruck einer Verbindung zwischen der Studie und dem Bewährungshelfer/der Bewährungshelferin oder – noch schlimmer – deren Bewährungsberichten und den Verlauf der Bewährung erwecken darf.
Die Studie von Jumpertz[12] beschäftigt sich nur mit einem Fall und wählt einen qualitativen Ansatz. Die Autorin setzt sich in ihrer Masterthesis mit einem Be-troffenen aus einer sehr kleinen, aber alles andere als uninteressanten Gruppe von Personen auseinander, die im Rahmen eines Programms für Sexualstraftäter nach Haftentlassung und mit Führungsaufsicht rund um die Uhr von der Polizei überwacht wird. Sie kommt zu dem Schluss, dass im Falle dieser Gruppe die unternommenen Resozialisierungsbemühungen daran scheiterten, dass deren gesamte Energie darauf verwendet werden muss, den schädlichen Auswirkungen der intensiven Überwachung entgegenzuwirken. Diese Schlussfolgerung zieht Jumpertz auf Grundlage des Interviews mit einem Betroffenen und der Befragung von involvierten Fachkräften. So selbstverständlich es ist, dass anhand eines Einzelfalls keine allgemeinen Schlussfolgerungen, etwa über das Verhältnis von integrativen Bemühungen zu Überwachung gezogen werden können, so zeigt sich dennoch an dieser Einzelfallstudie eine generelle Problematik, die der Überprüfung in weiteren Studien bedarf. Sie betrifft wahrscheinlich besonders eine ebenfalls relativ kleine Gruppe von Personen, die als Hochrisikotäter eingestuft wurden, deren spezifische Situation in den Blick zu nehmen ohnehin erfordert, sich mit wenigen Einzelfällen statt einer großen Zahl von Personen zu befassen.
Studien über die Wahrnehmung von Überwachung durch Dritte, etwa Familienangehörige, Nachbarn, Arbeitgeber, Opfer, Medien etc. wären zwar ebenfalls wichtig um die Sanktionswirkung aus Sicht der Betroffenen, die in erster Linie, aber eben nicht ausschließlich, die Sanktionierten selbst sind, konnten aber in Europa praktisch nicht aufgefunden werden.[13] Obschon es nicht ratsam ist, Forschungsergebnisse aus den Vereinigten Straßen als Ersatz für entsprechende Studien in Europa heranzuziehen, gibt es eine Studie aus den USA, deren interessante Ergebnisse für einen Vergleich von Sanktionen auch in Europa von Belang ist und Anlass zur Vorsicht bei solchen Vergleichen gibt. Die Studie von May und Wood[14] hinterfragt die weitverbreitete Annahme, dass die Freiheitsstrafe von den Betroffenen immer als härtere Strafe wahrgenommen wird, wenn es um einen Vergleich mit ambulanten Sanktionen geht. Zwar sind Haftstrafen – und auch die existierenden ambulanten Sanktionen – in den Vereinigten Staaten mit Freiheitsstrafen und nicht-freiheitsentziehenden Sanktionen in Europa natürlich nicht vergleichbar, jedoch werfen die Ergebnisse der Studie dennoch die Frage auf, ob in Europa nicht ähnliche Ansichten unter den Betroffenen vorherrschen könnten. In der USamerikanischen Studie wollten mehr als 20 Prozent der Gefangenen im Rahmen einer Befragung keine ambulante Sanktion als Alternative zu vier Monaten Haft zu erhalten.[15] Die einzige Sanktion, die eindeutig als weniger einschneidend als eine Haftstrafe von 12 Monaten bewertet wurde, war eine (einfache) Bewährungsstrafe. In Bezug auf letztere ähnliche Ergebnisse könnten etwa in Deutschland erwartet werden, wo eine einfache Strafaussetzung zur Bewährung ohne Auflagen usw. in Hinblick auf die damit in Verbindung stehende Überwachung nur bedeutet, dass man dem Gericht einen Umzug melden muss. Es müsste in diesem Fall nicht einmal die Bewährungshilfe kontaktiert werden. Demgegenüber wird in Bulgarien Bewährung als die zweithärteste Strafsanktion nach dem Freiheitsentzug angesehen.[16] Solche Diskrepanzen ergeben sich vor allem aus der völlig unterschiedlichen Ausgestaltung von – identisch betitelten – Rechtsinstrumenten wie der Bewährung in verschiedenen Rechtssystemen und -kulturen. Bulgarien hat etwa eine Version der Bewährungsstrafe konzipiert, die aus Sicht eines Staates wie Deutschland nur als sehr restriktiv wahrgenommen werden kann. Vergleicht man die Eingriffsintensität von ambulanten Sanktionen und Freiheitsstrafen, so können auf der anderen Seite auch die Haftbedingungen eine Rolle spielen. Folglich ist eine unmittelbare Anwendung von Forschungsergebnissen aus einem Land auf das Sanktionssystems eines anderen schlicht nicht möglich, weder im Sinne der Übertragung von Forschungsergebnissen aus den USA noch im Sinne eines Vergleichs von Sanktionen in beispielsweise Bulgarien einerseits und Deutschland andererseits. Es besteht jedoch die Möglichkeit, Anregungen aus etwa der Studie von May und Wood dafür zu erhalten, welche Fragen auch in Europa gestellt werden müssten und diese dann bezogen auf einzelne europäische Rechtssysteme und Rechtskulturen zu beantworten.
In ihrer Studie untersuchen May und Wood, wie Straftäter, Fachkräfte aus der Strafjustiz und Personen aus der Öffentlichkeit die Schwere von Strafen in den Vereinigten Staaten einordnen. Erklärtes Ziel der Autoren war es, die Konzeption des Strafenkontinuums von Morris und Tonry[17] in Frage zu stellen, wonach Bewährung als die am wenigsten einschneidende und die Freiheitsstrafe als das am meisten einschneidende Instrument des Sanktionenspektrums eingeordnet wurden, wobei insgesamt von einem Kontinuum an zunehmender Eingriffsintensivität ausgegangen wird, die als überindividuell feststellbar angesehen wird. In den Jahren 1995 bis 2002 haben May und Wood daher eine Reihe an Untersuchungen durchgeführt, um diese Vermutung eines Strafenkontinuums, welches auch vielen kriminalpolitischen Initiativen in Europa zugrunde liegt, zu überprüfen. In verschiedenen Erhebungen im Rahmen von Interviews mit insgesamt mehr als 700 Gefangenen, 1.271 Mitgliedern der Öffentlichkeit und 72 Richtern und Richterinnen versuchten sie zu eruieren, was als Äquivalent für eine 12-monatige Frei- heitsstrafe in einer Hafteinrichtung mit mittlerer Sicherheitsstufe angesehen wird. So fragten die Forscher danach, wie lange eine entsprechende alternative Sanktion andauern müsste, um als äquivalenter Ersatz für die Haftstrafe akzeptiert zu werden. Hierbei bezogen sie u. a. Bewährung, intensive Bewährungsüberwachung, elektronische Aufenthaltsüberwachung und Boot Camps mit in die Befragung ein. Zunächst diskutierten sie dafür mit den Interviewten, was sie unter den jeweiligen Sanktionen verstünden, um bestehende verschiedenartige Assoziationen offenzulegen. Im Anschluss daran fragten sie die Betroffenen, wie viele Monate der jeweiligen alternativen Sanktion sie zu akzeptieren bereit wären, um der Verbüßung einer zwölfmonatigen Haftstrafe zu entgehen. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die Gefangenen, Fachkräfte aus der Justiz (Gericht, Bewährungshilfe etc.) und die Öffentlichkeit die Freiheitsstrafe nicht als die schwerste Strafsanktion einordneten. Die zuvor bestehende und angesichts des Konzepts „alternativer Sanktionen“ naheliegende Erwartung, dass Gefangene eine Äquivalenzdauer von durchschnittlich mehr als zwölf Monaten angeben würden, weil ambulante Sanktionen als weniger einschneidend wahrgenommen würden, bestätigte sich demnach nicht. Vielmehr wurden die Verbüßung einer Strafe in einem Bezirksgefängnis („county jail“) und Bootcamps als die härtesten Strafen betrachtet, gefolgt von der Verbüßung der Haft in einem regulären Gefängnis („prison“) und schließlich von diversen ambulanten Sanktionen. Dabei stellte sich jedoch ebenfalls heraus, dass sich die Befragten nicht notwendigerweise vor der ambulanten Sanktion als solcher fürchteten, sondern dass sie vielmehr kein Vertrauen in die Fairness des Verfahrens hatten und einen willkürlichen Widerruf der ambulanten Sanktion befürchteten. Dies war bei ethnischen Minderheiten in einem erhöhten Maße der Fall. Hieraus schließen die Autoren, dass die Wahrnehmung der Verurteilten mit der gängigen Einordnung von Sanktionen, welche auf einer vermuteten Steigerung der Eingriffsintensität von nicht-freiheitsentziehenden Maßnahmen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen beruht, nicht übereinstimmt. Bei dieser Schlussfolgerung ist allerdings wiederum zu bedenken, dass sie die Angst vor dem Widerruf ihrerseits darauf beruhen dürfte, dass eine Gefängnisstrafe eben doch als härter angesehen wird als ambulante Sanktionen. Selbstverständlich trifft es mit besonderer Härte, wenn beides zusammen kommt. In Deutschland wird die Haftstrafe im Falle eines Widerrufs nicht dadurch kürzer, dass bereits Teile der Bewährungszeit abgelaufen sind, auch nicht wenn währenddessen zunächst länger Auflagen und Weisungen eingehalten wurden sowie keine neuen Straftaten begangen worden sind. Die Zeit unter Bewährung und die Zeit der ursprünglich ausgesetzten Freiheitsstrafe addieren sich dann einfach. Wenn hinzu tritt, dass die Verurteilten die Widerrufspraxis als willkürlich wahrnehmen, also selbst darauf wenig Einfluss zu haben glauben, dann ist gut nachvollziehbar, dass eine Bewährung nicht als milder wahrgenommen wird. Es scheint den Betroffenen daher weniger darum zu gehen, dass sie ambulante Sanktionen als solche während ihres Bestehens nicht vorzugswürdig fänden, sondern um das mangelnde Vertrauen, dass es bei diesen dann auch tatsächlich bleibt.
Ein anderes interessantes Ergebnis der Studie ist die unterschiedliche Bewertung strafrechtlicher Sanktionen in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zu durch die Forscher für die Analyse definierten Untergruppen von Gefangenen. So bewertete die Untergruppe „schwarze Gefangene“ die Alternativen zur Haft als härtere Strafen als dies als „weiß“ eingruppierte Gefangene taten. Dieselbe Haltung wurde zudem von mehr männlichen Gefangenen geteilt als es unter den weiblichen Befragten der Fall war. Schwarze Gefangene betrachteten zudem die elektronische Überwachung als einschneidender als eine Haftstrafe, während weiße Gefangene diese Einschätzung nicht teilten.[18] Etwa ein Drittel der schwarzen und 20 Prozent der weißen Befragten befürchteten eine harsche Behandlung durch Entscheidungsträger im Zuge der ambulanten Sanktionen. Der gewichtigste Grund für die Ablehnung von alternativen Sanktionen war jedoch die Angst vor dem Widerruf und der darauffolgenden Inhaftierung. Ambulante Sanktionen scheinen insofern als ein riskantes Glücksspiel betrachtet worden zu sein.[19]
May und Wood zeigten zudem auf, dass die Betroffenen den alternativen Sanktionen – mit Ausnahme der Verpflichtung, gemeinnützige Arbeit abzuleisten – regelmäßig einen stärkeren strafenden Charakter beimaßen als die Befragten, die professionell mit dem Thema zu tun hatten, also Richter und Richterinnen, Personal der Bewährungshilfe und Befragte aus der Öffentlichkeit. So bewegte sich die angegebene Dauer ambulanter Sanktionen, die als Äquivalent für eine Freiheitsstrafe für akzeptabel gehalten wurden, bei den Betroffenen in einem wesentlich engeren Zeitrahmen als diejenige in den Antworten von Fachkräfte und aus der Öffentlichkeit, wobei die Angaben aus der allgemeinen Öffentlichkeit den Ansichten der Fachkräfte näherkamen als denen der Betroffenen.[20] Aus der besagten Studie kann demnach entnommen werden – und wenigstens diese Schlussfolgerung ist auch auf europäische Verhältnisse übertragbar –, dass bei der Einordnung von Sanktionen als mildere oder härtere Strafen Vorsicht angebracht ist, weil die Wahrnehmung der von den Sanktionen betroffenen Personen sehr wohl von dem abweichen kann, was einem professionellen Beobachter oder einer professionellen Beobachterin als logisch erscheinen mag. Diesem Problem muss von zweierlei Seiten begegnet werden: Zunächst bedarf es weiterer Forschung im Hinblick auf die Wahrnehmung von Sanktionen durch jene Individuen, die von ihnen direkt betroffen sind; weiterhin muss die Zustimmung der Betroffenen in einer größeren Anzahl von Fällen eingeholt werden, wenn es um die Auswahl alternativer Sanktionen geht. Es reicht hierbei nicht aus, die Problematik nur von einer der beiden genannten Seiten aus anzugehen. Denn die weitere Erforschung der Adressatenperspektive kann zwar immerhin generelle Vergleiche hervorbringen, jedoch keine Aussagen zu der Wahrnehmung einer Sanktion durch konkret betroffene Individuen treffen. Eine formelle Zustimmung für sich allein kann andererseits im Kontext der strafrechtlichen Sanktionierung niemals mehr sein als ein Indikator für die Wahrnehmung einer Sanktion als milder gegenüber einer anderen bezüglich einer bestimmten Person zu einer bestimmten Zeit. Das System der Strafjustiz birgt für betroffene Personen viele Gefahren und Unsicherheiten, was sie dazu veranlassen mag, in bestimmten Situationen einer Sanktion den Vorzug zu geben, ohne dass diese deshalb tatsächlich als die mildere Strafe empfunden würde. Eine empathische menschenrechtliche Perspektive auf das Sanktionensystem muss im Gegensatz zu einem Top-Down-Ansatz derartige Gesichtspunkte berücksichtigen.
- [1] May und Wood 2010, S. 6ff
- [2] Durnescu et al. 2013, S. 19-50
- [3] Ebda., S. 24
- [4] Durnescu et al. 2013, S. 26
- [5] Initiative für Europäische Zusammenarbeit in Wissenschaft und Technik
- [6] Action IS1106
- [7] Durnescu et al. 2013
- [8] Vgl. dazu Graebsch et al. 2014, S. 95-120
- [9] Bieker 1984, S. 299-313
- [10] Siehe detaillierte Zusammenfassung der Ergebnisse in Anhang II, S. 7 ff
- [11] So auch vorgeschlagen von Durnescu et al. 2013, S. 27
- [12] Jumpertz 2012, S. 31 ff
- [13] Durnescu et al. 2013, S. 31 ff
- [14] May & Wood 2010
- [15] May & Wood 2010, S. 26 f
- [16] Flore et al. 2012, S. 31
- [17] Morris & Tonry 1990
- [18] May & Wood 2010, S. 48 ff.
- [19] May & Wood 2010, S. 59
- [20] May & Wood 2010, S. 94 ff