Interessierte Selbstgefährdung durch indirekte Steuerungsformen

In seinem Konzept der interessierten Selbstgefährdung geht Peters (2011) davon aus, dass der Einsatz indirekter Steuerung unter anderem durch finanzmarktorientierte Kennzahlen bei Arbeitenden ein überzogenes Engagement auslöst. An die Stelle von Leistungserbringung als zentraler Stellgröße tritt nun der persönliche Anteil des Mitarbeiters am wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens. Dabei zählt letzten Endes nicht, was der Mitarbeiter investiert hat (z. B. Arbeitsstunden), sondern was dabei herauskommt (Krause et al. 2012). Damit werden dem Ansatz zufolge traditionelle Leistungsindikatoren wie Sorgfalt, Disziplin, Anstrengung und die tatsächlich geleistete Arbeit ersetzt durch den messbaren Anteil der Mitarbeiterleistung am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Diese Form der erfolgsorientierten Steuerung führt Peters (2011) zufolge zu einer interessierten Selbstgefährdung, bei der der Mitarbeiter quasi sich selbst dabei zusieht, wie sein Arbeitshandeln seine Gesundheit gefährdet – aus seinem persönlichen Interesse heraus.

In einer empirischen Überprüfung des Konzeptes haben Krause et al. (2012) anhand verschiedener Kriterien einen Zusammenhang indirekter Steuerungsformen und Beschäftigtenhandelns analysiert. Ob interessierte Selbstgefährdung vorliegt, wird durch ein Kriterienbündel aus vier Faktoren zu ermitteln versucht:

1. die Leistungssteuerung des Unternehmens erfolgt über Ertragsziele oder z.

B. Benchmarking,

2. Mitarbeiter und Führungskräfte ermitteln anhand von Kennziffern, ob sich ihre Leistung für das Unternehmen rentiert,

3. Mitarbeitende erleben in ihrer Arbeit extreme Gefühle zwischen hohem Commitment und Selbstzweifeln an der eigenen Arbeit,

4. Mitarbeitende zeigen ohne Aufforderung Verhaltensweisen, die ihre Gesundheit gefährden, gehen z. B. trotz Erkrankung zur Arbeit.

In Fallstudien und Analysen quantitativer Daten aus einer internationalen Studie zur Qualität der Arbeit (Krause et al. 2012) können die Autoren zeigen, dass in Unternehmen, in denen es indirekte Steuerungsinstrumente gibt, die Präsentismus-Zahlen hoch sind und auch Entgrenzungen zwischen dem Arbeits- und Privatleben gehäuft auftreten. Unklar bleibt jedoch, ob es die Kennzahlensteuerung allein ist, die eine interessierte Selbstgefährdung verursacht, oder ob die Art der Tätigkeit eventuell ähnliche unerwünschte Nebenwirkungen auf die Gesundheit ausüben könnte. So können Gendolla/Krüsken (2000) zeigen, dass Personen, die Tätigkeiten mit hohen Kreativitätsanteilen ausüben, eine besonders hohe intrinsische Motivation aufweisen. Diese führt laut der Aktivationstheorie von Gendolla/Krüsken (a.a.O.) zu einer Überanstrengung, weswegen hochgradig intrinsisch motivierte Personen ein erhöhtes Erschöpfungsrisiko aufweisen. Ähnliche Befunde finden sich auch bei Preckel et al. (2005). Sie weisen Zusammenhänge zwischen einem übermäßigen Commitment und Stresserleben nach, kontrollieren jedoch nicht, inwieweit Effekte durch die Art der Unternehmenssteuerung kovariiert werden. Ob die indirekten finanzmarktorientierten Steuerungsmethoden ursächlich für das gesundheitsgefährdende individuelle Verhalten sind, lässt sich folglich nur durch einen Vergleich ähnlicher Tätigkeiten unter Bedingungen direkter und indirekter Steuerung vornehmen. Zudem bleibt unklar, ob durch dieses Arbeitsverhalten direkte gesundheitliche Beeinträchtigungen resultieren, da diese nicht überprüft wurden.

 
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