Einführung

„Ob Schweizer Uhren, Messer aus Solingen, Filme aus Hollywood, Software aus dem Silicon Valley, Pinsel aus Bechhofen oder Papiermaschinen aus Heidenheim: Viele Produkte, Produktgruppen oder sogar Branchen werden nicht erst in jüngster Zeit mit bestimmten Herkunftsregionen oder Standorten assoziiert“ (Kiese 2012, 21). Bei einigen dieser frühen und erfolgreichen Agglomerationen von wirtschaftlichen Akteuren war noch lange nicht von Clustern und Netzwerken die Rede. Dennoch standen derartige Phänomene bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Mittelpunkt des wirtschaftswissenschaftlichen Interesses. Zu dieser Zeit identifizierte der Ökonom Alfred Marshall das regionalökonomische Erscheinungsbild der Industriedistrikte, in denen es zu wirtschaftlichen Verflechtungen lokal produzierender Unternehmen gekommen war. Fast ein Jahrhundert später erklärte Michael E. Porter mithilfe des nach ihm bezeichneten Porter'schen Diamants, welche grundlegenden Erfolgsfaktoren vorhanden sein müssen, damit Volkswirtschaften wettbewerbsfähig bleiben können (Vgl. Thomi/ Sternberg 2008, 73). Seit Porters Publikation „The Competitive Advantage of Nations“ aus dem Jahr 1990 ist die Popularität des Cluster-Begriffs nicht mehr von der Hand zu weisen (Vgl. Lazzeretti et al. 2013, 2; Nestle 2011, 88; Thomi & Sternberg 2008, 76).

Qualitätsmanagement von Clustern und regionalen Netzwerken als Untersuchungsgegenstand in dieser Arbeit

Der Bedarf an anwendungsorientierter Cluster- und Netzwerkforschung ist groß. Kiese und Wrobel (2009) widmen der Diskrepanz zwischen mangelnden theoretischen Abhandlungen und der Häufigkeit des empirischen Auftretens einen eigenen Aufsatz, der versucht, Einblicke in das Selbstverständnis von Cluster- und Netzwerkmanagern zu geben und dadurch die klaffende Lücke zwischen Clustertheorien und Clusterpraxis zu schließen. Angesichts der ungenauen Definitionen von Clustern und Netzwerken einerseits und der regionalpolitischen Prominenz des Begriffes andererseits, ist es nicht verwunderlich, dass sich ein sehr heterogenes Bild von Clusterakteuren und Clusterinitiativen herausgebildet hat.

Erste Bemühungen der wissenschaftlichen Bearbeitung der Cluster-Landschaft am Oberrhein gab es in den Organisationen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit [1] und auch in nationalen Organisationen [2] der einzelnen Teilgebiete. Bei diesen Studien ging es primär um die Erfassung der vorhandenen Akteure und die Bereitstellung von Kontaktdaten, um eine weitere Vernetzung der relevanten Wirtschaftsakteure zu fördern. Zeitgleich zu den Studien am Oberrhein, wurde auf europäischer Ebene in einem unter internationaler Beteiligung realisierten Projekt versucht, internationale Qualitätsstandards zu entwickeln. Im Rahmen der sogenannten European Cluster Excellence Initiative gelang es, gemeinsame Qualitätsindikatoren für Cluster- und Netzwerkorganisationen zu identifizieren (Vgl. Lämmer-Gamp et al. 2012, 10f.).

Die vorliegende Masterthesis knüpft direkt an die erwähnten Studien an und soll damit einen Beitrag zur empirischen Cluster- und Netzwerkforschung am Oberrhein leisten. Die Forschungsfrage lautet folglich:

Welche Qualitätsstandards der European Cluster Excellence Initiative sind von den Clustern und regionalen Netzwerken am Oberrhein bereits erfüllt?

Aufgrund der Tatsache, dass in den Veröffentlichungen der European Cluster Excellence Initiative über 30 Indikatoren mit mehreren Ausprägungen aufgeführt werden, musste im Rahmen dieser Arbeit eine Einschränkung auf einige zentrale und einfach erfassbare Qualitätsindikatoren vorgenommen werden. Eine genaue Begründung der ausgewählten Indikatoren und deren Bedeutung bezüglich der Qualitätsstandards erfolgt in Kapitel 2.

Der Arbeit liegen zwei Thesen zugrunde, die im Rahmen der Untersuchung überprüft werden sollen. Die erste These lautet:

Für die Mehrheit der Cluster und regionalen Netzwerke am Oberrhein spielen Qualitätsstandards eine eher untergeordnete oder gar keine Rolle.

Cluster und regionale Netzwerke sind zwar keine neuen ökonomischen Kooperationsformen (siehe oben), dennoch ist die explizite Gründung von eigenständigen Initiativen und das damit verbundene öffentliche Auftreten ein relativ neues Phänomen. Viele Initiativen werden durch Förderprogramme auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene unterstützt (Vgl. Benner 2012, 106ff.). Angesichts dieser politischen Forcierung ist fraglich, ob sich die Initiativen an Qualitätsstandards orientieren. Fest steht allerdings auch, dass sich noch kein allgemein gültiges und bewährtes Managementmodell für Cluster und regionale Netzwerke durchsetzen konnte (Vgl. Terstriep 2008, 69). Die Qualitätsindikatoren der European Cluster Excellence Initiative sollen hierzu einen Beitrag leisten und Potenziale für ein Qualitätsmanagement von Cluster- und Netzwerkinitiativen offen legen (Vgl. MFG 2012).

Die zweite These lautet:

Cluster und regionale Netzwerke in Grenzregionen stellen besondere Anforderungen an das Management der Initiativen. Die Qualitätsstandards können dementsprechend nur schwer umgesetzt werden.

Ausgehend von den zentralen Herausforderungen allgemeiner grenzüberschreitender Initiativen soll gezeigt werden, dass das Management von Clustern und Netzwerken über nationale Grenzen hinweg sehr komplex ist. Hierbei werden die internationalen Initiativen am Oberrhein genauer betrachtet und die größten Hindernisse der Umsetzung von Qualitätsstandards aufgezeigt.

Die vorliegende Arbeit ist ein Beitrag zur ersten Phase des Projekts „Management von Clustern und regionalen Netzwerken in der Metropolregion Oberrhein“. Die Masterthesis richtet sich somit in erster Linie an die beteiligten Projektpartner die Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl, die Universität Straßburg, die Fachhochschule Nordwestschweiz, WRO Wirtschaftsregion Ortenau GmbH und BIOPRO BadenWürttemberg GmbH. Darüber hinaus könnten die Ergebnisse der Arbeit für alle Beteiligten der oben genannten Studien von Interesse sein, da eine Verbindung zwischen den regionalen Analysen am Oberrhein und der europäischen Exzellenzinitiative hergestellt werden soll.

Inhaltlicher Aufbau der Arbeit und erkenntnisleitende Fragen

Die Arbeit ist in fünf Kapitel untergliedert. Die Kapitel 1 und 2 legen die theoretischen Grundlagen der Themengebiete Cluster und regionale Netzwerke, Management und Qualitätsstandards und beleuchten den Untersuchungsraum des Oberrheins als Grenzregion. Kapitel 3 begründet die methodische Vorgehensweise der Bestandsaufnahme, erläutert die Befragung der Ansprechpersonen mittels eines Online-Fragebogens und stellt die wichtigsten Ergebnisse dar. In Kapitel 4 und 5 werden die Erkenntnisse zusammengefasst und diskutiert sowie ein Ausblick auf mögliche weitere Schritte im Projekt gegeben. Die folgende Tabelle 1 stellt den Gang der Untersuchung grafisch dar und bildet die erkenntnisleitenden Fragen der Masterthesis ab.

Tabelle 1: Aufbau der Arbeit und erkenntnisleitende Untersuchungsfragen

Quelle: Eigene Darstellung

  • [1] Zum Beispiel die Studie zur Erstellung der Datenbank „Innovation Actors“ der Oberrheinkonferenz (Vgl. ADIRA 2012a)
  • [2] Zum Beispiel der „Cluster-Atlas für Baden-Württemberg“, die Veröffentlichung „Les Réseaux des Clusters Français“ von France Cluster und die Studie „Cluster in der Schweizer Wirtschaft“ des Staatssekretariats der Schweizer Wirtschaft
 
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