Migrations- und Integrationsforschung Was bin ich? Qualitative Befunde zur Identifikation Türkeistämmiger in Deutschland

Sascha Riedel

In der öffentlichen und medialen Diskussion bildet die Identitätsbildung einen zentralen Streitpunkt der Integration von Migranten in Deutschland. Dies zeigt die immer wieder aufflammende Diskussion darüber, wann Migranten als Teil der Gesellschaft zu betrachten sind und wie viel Anpassung man von ihnen verlangen könne und/oder solle. Hier wird in jüngerer Vergangenheit neben dem empfundenen Heimatgefühl immer häufiger auch der muslimische Glaube diskutiert. Neben der Gruppengröße ist diese Tatsache ein ausschlaggebender Grund dafür, dass die Türkeistämmigen in der öffentlichen Diskussion um die Integration von Migranten dominieren. In der wissenschaftlichen Theoriebildung wird der Identitätsformation und deren Einfluss auf die Integration von Migranten hingegen weniger Aufmerksamkeit gewidmet. War die Identifikation in der klassischen Assimilationstheorie noch zentraler Bestandteil des Integrationsprozesses, wird in vielen neueren Modelle entweder keine separate Phase der "identifikativen Integration" definiert oder ihre Bedeutung als eher marginal angesehen. In quantitativen Studien wird die Identifikation mit Deutschland vielfach über wenige Items zur Selbstzuschreibung erfasst, obwohl eine Vielzahl englischsprachiger Literatur impliziert, dass eine Erfassung vielseitiger geschehen müsste.

Der folgende Beitrag widmet sich daher der Frage, wie sich das Konzept "identifikativer Integration" sinnvoll eingrenzen und damit für die empirische Sozial-forschung handhabbar machen lässt. Dafür werden Ergebnisse der von der Fritz Thyssen Stiftung finanzierten Studie "Phasen der Integration von Migranten" vorgestellt. Für diese wurden qualitative Leitfadeninterviews mit türkeistämmigen und russischsprachigen Migranten geführt. Vor allem aufgrund ihrer Schnittmenge zur muslimischen Gemeinde in Deutschland und ihrer Gruppengröße erscheinen die Türkeistämmigen für dieses Problem als besonders geeignete Analyseeinheiten. Der Aufbau des Beitrags gliedert sich wie folgt: Zuerst wird die theoretische Grundlage erarbeitet. Hierbei werden klassische und aktuelle soziologische und sozialpsychologische Theorien zur Identitätsbildung erläutert. Nach der theoretischen Einführung wird die Studie "Phasen der Integration" vorgestellt. Im Anschluss werden deren Ergebnisse diskutiert. Diese betreffen die Bezugspunkte und Dimensionen identifikativer Integration sowie die Kontexte, in denen die Ausgestaltung dieser stattfindet. Der Beitrag schließt mit offenen Fragen und einem Ausblick für zukünftige Forschung.

 
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