Krise der Weltmacht

Jenseits der innenpolitischen Arena stehen die Vereinigten Staaten von Amerika wie seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr auch außenpolitisch vor gewaltigen Herausforderungen. In Folge der Terroranschlage des 11. Septembers 2001 auf das World Trade Center in New York City und das Pentagon in Washington befinden sich die USA in Mitten eines (politisch oft instrumentalisierten) permanenten Abwehrkampfes gegen einen kaum greifbaren Gegner. Die Invasionen in Afghanistan und im Irak konnten dabei weder zur Befo¨rderung der Demokratie im Nahen und Mittleren Osten beitragen, noch die finanziellen und personellen Quellen des internationalen Terrorismus zum Versiegen bringen. Ganz im Gegenteil: mit der Terrorgruppe Islamischer Staat, welche nicht nur im Irak, sondern auch in Syrien, der Turkei und im Libanon aktiv ist, droht eine neue Welle des Terrors uber die Region zu schwappen. Die ObamaAdministration scheint auf diese Bedrohung keine passende Antwort zu haben und so oszilliert sie zwischen selbstauferlegter Zuruckhaltung aufgrund der offensichtlichen Kriegsmudigkeit der Bevo¨lkerung und begrenztem militarischem Aktionismus, um der selbst- und fremdzugeschriebenen globalen Verantwortung nachzukommen.

Auch wenn die USA immer noch mit Abstand die starkste wirtschaftliche und militarische Macht auf dem Globus darstellen, man wird das Gefuhl nicht los, dass die Hegemonialstellung der USA zerbro¨ckelt. Die Wirtschaft Chinas weist schon seit Jahren enorme Wachstumsraten auf und in der Finanzkrise 2008 ist die Volksrepublik zu einem Hauptglaubiger der USA avanciert. Russland hat mit der Annexion der Krim sowie in der Auseinandersetzung mit der Ukraine zu neuem nationalen Selbstbewusstsein zuruckgefunden und so sind die russischamerikanischen Beziehungen an einem erneuten Tiefpunkt angelangt. Und selbst das Verhaltnis zu den europaischen Verbundeten ist nach diversen Abho¨raffaren so angekratzt, dass selbst wichtige Projekte wie das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP), das den fuhrenden Politikern gemeinsamen wirtschaftlichen Interesse der USA und Europas zu liegen scheint nur sehr stockend vorankommen. Wo man auch hinblickt, die USA sind mit massiven Widerstanden konfrontiert und scheinen in ihrer Fuhrungsposition herausgefordert.

Nicht zuletzt wirken die Probleme Zuhause auch auf die Außenpolitik der USA. Angesichts eines riesigen Haushaltsdefizit, hoher Arbeitslosigkeit und exponentiell steigender Kosten im Gesundheits- und Bildungssystem ist die Frage, inwieweit sich die USA noch die Doktrin leisten kann, gleichzeitig in mehreren Konfliktherden aktiv zu sein, ohne einen militarischen und finanziellen Overstretch zu riskieren. Schon lange fordern die USA deshalb auch von ihren Alliierten in der NATO eine gleichmaßigere Lasten- und Aufgabenverteilung. Als weiterer Schlussel zur Kostenreduzierung forcieren die USA die technologische Weiterentwicklung ihres Kriegsmaterials. Die Ausweitung des Drohnenkrieges in der Obama-Administration deutet hier den Weg der Kriegsfuhrung im 21. Jahrhundert an. Dabei speist sich die derzeitige internationale Zuruckhaltung zu einem großen Stuck aus der Ruckbesinnung auf die eigenen Probleme. Zu einem richtigen Isolationismus – wie von einigen innerhalb und außerhalb der USA gewunscht, von anderen befurchtet – ist es dabei nicht gekommen. America first lautet das Credo jeder US-amerikanischen Administration, wobei der Tonfall, mit dem dieser Leitspruch vorgetragen wird, durchaus variieren kann.

 
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