Schlussfolgerungen: Der Prasident in Zeiten parteipolitischer Polarisierung

Es wurde bereits angesprochen, dass sich die parteipolitische Polarisierung auf die Rahmenbedingungen und Sachinhalte des politischen Entscheidungsprozesses auswirkt und damit auch die Position des Prasidenten beeinflusst. Fur die legislative Arena kann gesagt werden, dass die Prasidenten der 1980er-2010er Jahre im Durchschnitt keine extremeren Politikpraferenzen besaßen als ihre Amtsvorganger in den 1950er-1970er Jahren (Cohen 2011). Es zeigt sich jedoch, dass die Polarisierung die Kompromissfindung zwischen Prasident und Kongress gerade unter divided government – aufgrund des Regelarrangements im Senat aber auch unter unified government – einschrankt. Dabei fallt es dem Prasidenten aufgrund der gro¨ßeren Distanz zwischen den Kongressparteien schwerer, seine Politikstandpunkte zu moderieren. Er muss immer auch die Praferenzen der Abgeordneten und Senatoren seiner Partei mitberucksichtigen, ist er doch an deren Erfolg in den nachsten Wahlen interessiert. Daruber hinaus kann es unter Umstanden fur den Prasidenten strategisch sinnvoller sein, wenn er im Prozess des Aushandelns im Hintergrund bleibt, weil seine Positionierung fur oder gegen ein Gesetz die Fronten zwischen den Parteien im Kongress zusatzlich verharten und die Kompromissfindung verkomplizieren ko¨nnte (Ethridge 2014).

Mit der Ruckkehr zu divided government nach den Zwischenwahlen 2010 und dem Erstarken des Tea Party-Flugels innerhalb der Republikanischen Partei scheinen die Konfrontationen zwischen Weißem Haus und Kapitol eine neue Stufe erreicht zu haben. Exemplarisch hierfur stehen die wiederkehrenden Auseinandersetzungen um die Anhebung der Schuldengrenze, welche im Oktober 2013 in einem government shutdown kulminierten. In diesem Kontext wurde auch diskutiert, inwieweit der Prasident das Recht hat, eigenstandig die Schuldenobergrenze anzuheben (Liptak 2013). Dies verweist auf einen weiteren Effekt der Polarisierung, denn in Zeiten gegenseitiger Blockade erho¨ht sich fur den Prasidenten der Anreiz, unilateral und damit am Kongress vorbei zu agieren. Administrative Instrumente wie executive orders oder signing statements sind hier zu nennen, aber auch die Ernennung von Beamten wahrend der Kongress nicht tagt (recess appointments) oder die Strategien der Zentralisierung und Politisierung. Zwar finden sich sowohl fur die Administration George W. Bushs als auch Barack Obamas zahlreiche Beispiele fur unilaterale Alleingange des Prasidenten. Inwieweit diese allerdings rechtfertigen, das Schreckgespenst einer ‚imperialen Prasidentschaft' erneut zu beschwo¨ren, bleibt zunachst abzuwarten. Zudem kann unilaterales Handeln des Prasidenten durchaus von Teilen der Bevo¨lkerung gewunscht und damit responsiv sein. Die Herausbildung klarer parteipolitischer Lager in der Gesellschaft, sowie in den Medien, welche das Bild des Prasidenten ubermitteln, schwacht die Position des Prasidenten als Reprasentanten der gesamten Nation. Zudem mussten sowohl George W. Bush – z. B. in der Einwanderungs- und Sozialpolitik – als auch Barack Obama – etwa in der Gesundheitspolitik – erfahren, wie schwierig es ist, die Interessen innerhalb der eigenen Parteianhangerschaft zwischen moderaten und extremen Kraften auszutarieren (Siewert und Haas 2012).

Ausgangspunkt des vorliegenden Beitrags war die Frage nach den Mo¨glichkeiten und Grenzen prasidentieller Fuhrung im US-amerikanischen System der separated institutions sharing powers, in dem die politischen Akteure institutionell zwar voneinander getrennt, funktional hingegen in einem permanenten Aus- und Verhandlungsprozess miteinander verbunden sind. Dabei ist deutlich geworden, dass den Handlungsraumen des Prasidenten enge Grenzen gesetzt sind. So stehen die regelmaßigen Forderungen aus Politik, Medien und Gesellschaft, nach denen der Prasident eine aktive Fuhrungsrolle im politischen Prozess einnehmen soll, in Kontrast zu seinen verfassungsrechtlichen Ressourcen. Diese ermo¨glichen ihm in den seltensten Fallen ein alleiniges Handeln und keinesfalls versetzen sie ihn in die Lage, seinen politischen Willen im Alleingang gegen den Widerstand anderer Akteure durchzusetzen. George C. Edwards stellt daher richtigerweise fest, dass der Prasident weniger ein ‚director of change' ist, welcher eigenstandig neue Handlungspielraume kreieren und andere Akteure dahin treiben kann, wohin sie andernfalls nicht gehen wurden. Vielmehr ist er ein ‚facilitator of change'‚ der die vorhandenen Entscheidungssraume im politischen Spiel erkennen und nutzen muss (Edwards 2009a, S. 10–14). Fur den Prasidenten ist folglich entscheidend, dass er die ihm zur Verfugung stehenden Instrumente situations- und gegenstandsadaquat strategisch einzusetzen und taktisch umzusetzen versteht.

 
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