Die Federal Bureaucracy

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3.1 Entwicklung und Struktur der Bundesbu¨ rokratie

Die amerikanische Zentralburokratie ist sehr jung. Eigentlich kann erst mit Franklin

D. Roosevelts New Deal und der zeitlich parallel verlaufenden Zentralisierung politischer Entscheidungsprozesse auf nationaler Ebene wirklich von der Etablierung einer nationalen Burokratie gesprochen werden (Beer 1978, S. 7–10; Lowi 1969, S. 33–36). Zwar gab es auch im 19. Jahrhundert schon eine nennenswerte Anzahl von Bundesbeamten. Diese waren aber – anders als heute – weniger in politik- und gestaltungsnahen Positionen tatig, sondern nahmen unter anderem Tatigkeiten im US-Post Office wahr. Erst mit der Politik des New Deal in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, der Kriegso¨ konomie des Zweiten Weltkriegs und der Politik der Nachkriegszeit wuchs das nationalstaatliche Steueraufkommen massiv und damit gleichzeitig die Gro¨ße und politische Bedeutung der Bundesverwaltung (Wilson 2009, S. 266–269).

Die US-Bundesverwaltung besteht heute aus den Ministerien (departments) und einer sehr großen Anzahl von Bundesbeho¨rden (agencies) und sonstigen Organisationen. Die Ausdifferenzierung des Systems ist sehr hoch. Sie hat ein unubersichtliches Netz von Zustandigkeiten, Unter- und U¨ berordnungen hervorgebracht, das von einigen Autoren sogar als „administratives Chaos“ bezeichnet wird (Oldopp 2005, S. 76).

Der Prasident besitzt formal die Mo¨glichkeit der Einrichtung, Schließung oder Umstrukturierung von departments und agencies. Er ist dabei jedoch von der Zustimmung des Kongresses abhangig. Bisher haben Prasidenten diese Organisa-

tionsgestaltungsmacht nur in seltenen Fallen genutzt. Wenn tatsachlich A¨ nderungen vorgenommen wurden, so nahm man sie bald wieder zuruck, weil

sie sich, wie etwa Nixons ‚super-departments', als impraktikabel erwiesen (Nathan 1975, S. 68–70). Die Zahl und Aufgabengliederung der US-amerikanischen Ministerien erwies sich daher in der gesamten Zeit seit 1945 als erstaunlich konstant.

Neben den 15 Ministerien (Stand 2014) gibt es die bereits erwahnten weit uber 100 unabhangigen Regierungsbeho¨rden (independent agencies) (McKeever und Davies 2012, S. 212). Dazu geho¨ren so unterschiedliche Einrichtungen wie die Federal Reserve Bank (die Fed), die Equal Employment Opportunity Commission (EEOC) oder die Federal Aviation Administration (FAA). Die agencies sind in der

Regel sehr einflussreiche Policyakteure, die in ihrem Wirkungsfeld eine hohe Regulierungskraft besitzen und kaum umgangen werden ko¨ nnen. Ihre Leitungen werden vom Prasidenten bestimmt und mussen, wie die departmental secretaries, durch den Senat bestatigt werden. Eine der einflussreichsten Beho¨rden ist die Environmental Protection Agency (EPA), die seit ihrer Grundung durch Prasident Nixon im Jahre 1972 ein machtiger Akteur in der Umweltpolitik geworden ist. Der Chef der EPA hat sogar Kabinettsrang. Die EPA hat sich in ihrer Geschichte immer wieder maßgeblich durch Gesetzgebungen zum Umweltschutz hervorgetan, wie etwa mit dem Clean Air Act (CAA) aus dem Jahre 1970. Dieses Gesetz war weltweit eine der ersten großen Regulierungsinitiativen zur Luftreinhaltung und zur Verbesserung der Luftqualitat. Es war mit dafur verantwortlich, dass Themen wie saurer Regen, Blei- und Ozonbelastung der Luft durch Autoabgase u. a. o¨ffentliche Aufmerksamkeit erlangten und dass damit begonnen wurde, aktiv Maßnahmen zur Minderung dieser Emissionen zu ergreifen (EPA 2013).

3.2 Das Personal der Bundesbu¨ rokratie

Das Personal der US-Bundesburokratie setzt sich neben unmittelbaren politischen Wahlamtern aus zwei Typen von Personal zusammen. Da ist zum einen die permanente Burokratie. Zu ihr geho¨ren die dauerhaft in den departments und agencies tatigen Laufbahnburokraten. Zum anderen gibt es eine große Anzahl von political appointees. Hierbei handelt es sich um eine Schicht von Funktionaren, die entweder durch den Prasidenten, die Minister oder die Leitungen der agencies auf Basis politischer Eignung auf administrative Fuhrungspositionen gesetzt werden (Heady 1988, S. 400).

Die meisten Mitarbeiter der Ministerialburokratie der US-amerikanischen Bundesregierung sind unbefristet beschaftigte Laufbahnbeamte. Die Gesamtgro¨ße des federal civil service (ohne die Streitkrafte der USA) betrug im Jahre 2011 etwa rund 1,8 Mio. Beschaftigte (McKeever und Davies 2012, S. 210–212). Diese Zahl umfasst jedoch nicht nur das Personal der Ministerien im engeren Sinne; zum federal civil service geho¨rt auch Ausfuhrungspersonal in den field offices von Bundesbeho¨rden in den Bundesstaaten der USA. Dies ist dem Trennfo¨deralismus geschuldet, der impliziert, dass Bundesaufgaben auch von Bundesbeho¨rden umgesetzt werden. Die 1,8 Mio. Beschaftigten schließen also zum Beispiel auch die Finanzbeho¨rden, alle Beschaftigten des Department of Veterans Affairs, die NSA, die CIA, das FBI und die EPA mit ein. Ebenfalls zu den Angestellten der Regierung geho¨ren die ca. 1,4 Mio. Angeho¨rigen des US-Militars, die in die oben genannte Zahl nicht eingehen.

Die political appointees stellen einen deutlich kleineren Teil der Administration dar. In der Amtszeit von George W. Bush und auch unter Barack Obama handelte es sich um 3.000 bis 4.000 Personen. Von diesen hatten etwa 1.800 so genannte PAS-Positionen inne. PAS steht fur political appointment with senate confirmation; es handelt sich also um Positionen, die der Prasident nur mit Zustimmung des

Senates besetzen kann. Weitere 2.200 politische Besetzungen ko¨nnen ohne Beteiligung des Senats erfolgen. Der so genannte Senior Executive Service (SES), aus dem die administrativen Leitungsfunktionen in den Ministerien besetzt werden, besteht aus ca. 7.000 Positionen, von denen rund 10 % politisch besetzt werden. Unterhalb des SES gibt es eine weitere Personalschicht, den so genannten Schedule C, in dem nochmals 1.500 politisch zu besetzende Positionen existieren. Die politischen Besetzungen im Schedule C erfolgen grundsatzlich ohne Beteiligung des Senats (Lewis und Waterman 2013, S. 37).

Das Verhaltnis von political appointees und Laufbahnburokraten ist unter den meisten Prasidenten der letzten Jahrzehnte eher angespannt gewesen. Die appointees werden wegen der Vorlaufigkeit ihrer Tatigkeit von den Laufbahnbeamten kritisch beaugt. Den Laufbahnburokraten wiederum wird von den appointees nicht zugetraut, aus eingefahrenen burokratischen Bahnen auszubrechen (Durant und Resh 2010, S. 559). Dazu kommt der Zweifel am tatsachlichen Vorliegen einer politischen Neutralitat des permanent civil service (zur Norm politischer Neutralitat siehe Abschnitt 3.4). Der Sachverstand und die Verfahrenskenntnisse der Laufbahnburokraten, so unverzichtbar sie auch sind, werden aus beiden Grunden oft nicht abgefragt (Heclo 1986, S. 101–102); eine gute Zusammenarbeit zwischen politischen und permanenten Mitarbeitenden in den Ministerien kommt dadurch oft nicht zustande (Durant und Resh 2010; Heclo 1988).

Wirft man einen Blick auf die soziale Zusammensetzung der US-Burokratie, so zeigt sich, dass amerikanische Ministerialburokraten hochgebildet sind. Im Durchschnitt herrscht in den obersten Hierarchieebenen der Ministerien und agencies ein ho¨heres Bildungsniveau als in den Chefetagen der großen US-amerikanischen Unternehmen (Aberbach 2003, S. 380–382). Laufbahnburokraten und political appointees haben ein breites Spektrum an Ausbildungsrichtungen absolviert. Dabei spielen Absolventen der US-amerikanischen Law Schools ebenso eine Rolle wie Absolventen naturwissenschaftlich-technischer Fachrichtungen oder auch aus den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (Aberbach 1990, S. 7). Die Betonung bestimmter Universitaten als Rekrutierungsorte fur Washingtoner Burokraten konnte in keiner Quelle gefunden werden, so dass davon auszugehen ist, dass Vorzugsuniversitaten fur die Rekrutierung der administrativen Elite nicht existieren. Frauen, Afroamerikaner und US-Burger mit lateinamerikanischen Wurzeln sind in der Ministerialburokratie nach wie vor unterreprasentiert. Der Grad der Unterreprasentation nimmt mit der Ho¨he der Positionen in der Verwaltungshierarchie zu (Wilson 2009, S. 275–276), hat aber im Vergleich zu den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts deutlich abgenommen (Aberbach 2003, S. 378–379).

3.3 Rekrutierung in administrative A¨ mter

Historisch ist das System der Rekrutierung von Personen in ho¨here A¨ mter in der Ministerialburokratie als spoils system beruchtigt. Prasidenten brachten in großer Zahl Personen in Verwaltungsamter, die ihnen im Wahlkampf geholfen hatten und

die die Parteimaschine am Laufen hielten. Es war also nicht Professionalitat, sondern vor allem politische Loyalitat und perso¨nliche Bekanntschaft, die jemanden fur nationale administrative A¨ mter ‚qualifizierten' (Anagnoson 2011, S. 126; McKeever und Davies 2012, S. 212). Die Dysfunktionalitat dieses Systems nahm jedoch immer mehr zu, so dass im Jahre 1893 dieser Rekrutierungspraxis mit dem Pendleton Act ein Ende bereitet und auf ein meritokratisches, also qualifikationsbasiertes System umgestellt wurde (Anagnoson 2011, S. 127). Dies fuhrte zum sogenannten competitive service, einem System, in dem Bewerberinnen und Bewerber sich in einem wettbewerblichen Verfahren als geeignet fur eine Stelle erweisen mussten. Das entsprechende Verfahren wird vom Office of Personal Management (OPM) durchgefuhrt (Wilson 2009, S. 272).

Im Jahre 1939 wurden durch eine Expertenkommission, das so genannte Brownlow Comittee, erneut erhebliche A¨ nderungen in der Struktur der US-amerikanischen Exekutive angeregt. Den Verfassern des Reports ging es vor allem darum, die Arbeitsfahigkeit des Prasidenten zu erho¨hen, indem ihm ein gro¨ßerer prasidentieller Stab zur Verfugung gestellt wurde. Als Ergebnis des Brownlow Reports wurde das EOP gegrundet und unter anderem das Bureau of the Budget (BoB). Dieses wurde 1970 in OMB umbenannt und zu einem Teil des EOP gemacht. In Folge dieser Organisationsanderung kam es auch zu einer deutlichen Ausweitung explizit politischer Besetzungen in der US-amerikanischen Bundesadministration (Anagnoson 2011, S. 130–131). Diese unterscheiden sich von den Patronagebesetzungen des spoils system vor allem dadurch, dass heute Positionen existieren, die explizit fur politische Besetzungen vorgesehen sind, und dass diese Besetzungen wie in Abschnitt 3.2 dargestellt zum großen Teil durch den Senat kontrolliert werden.

Wahrend die 50er bis 70er Jahre als Phase der Konsolidierung der professionellen Orientierung der Verwaltung bei einer gleichzeitigen weiteren Ausdehnung des staatlichen Regelungsbereichs bezeichnet werden ko¨ nnen, schwang das Pendel seit dem Beginn des National Performance Review im Jahre 1993 wieder in Richtung einer Verstarkung des politischen Einflusses und einer starkeren Politisierung der Verwaltung (Aberbach 2003; Savoie 1994; Thayer 1997). Konkreter vermerkt Wilson, dass die Zahl der Stellen, die außerhalb des competitive service (siehe oben) besetzt wurden, im Vergleich zu den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts massiv zugenommen hat. Eine zentrale Rolle fur diese Veranderung spielen sogenannte name-request jobs: Weiß eine Beho¨rde bereits genau, mit welcher Person sie eine bestimmte Stelle fullen will, so kann sie beim OPM eine solche Besetzung genehmigen lassen. In diesem Verfahren bleibt die Prufung formaler Qualifikationen erhalten, lediglich die wettbewerbliche Besetzung kann umgangen werden (Wilson 2009, S. 274).

Gleichzeitig mit dieser Entwicklung stieg auch bei den politisch zu besetzenden Positionen der Anteil der Patronageentscheidungen wieder an. Gegenstand der o¨ffentlichen Diskussion wurde dies unter anderem, nachdem Hurrikan Katrina im Jahre 2005 die Stadt New Orleans schwer zersto¨rt hatte. Die Federal Emergency

Management Agency (FEMA) reagierte seinerzeit sehr langsam und zunachst unzureichend auf die Naturkatastrophe. Als eine zentrale Ursache wird genannt, dass die Fuhrungsebene der Beho¨rde mit Personen besetzt war, die vom Prasidenten aus politischen Grunden ausgewahlt worden waren, und die von Katastrophenmanagement wenig verstanden (Lewis und Waterman 2013, S. 36).

Bei den politischen Besetzungen mussen Prasidenten versuchen, verschiedene Ziele zeitgleich zu erreichen. Sie wollen erstens Personen mit einer hohen Loyalitat zum ihrem politischen Programm finden, die in den Beho¨ rden dann dafur sorgen, dass dieses Programm umgesetzt wird (siehe die Diskussion um die „Zaren“ in Abschn. 2). Sie wollen zweitens Personen einsetzen, die das Amt mit hoher Kompetenz ausuben, damit positive Politikergebnisse positiv auf ihre eigene Leistungsbilanz wirken. Weiterhin gibt es politische und elektorale Grunde, aus denen¨ mter besetzt werden (Lewis und Waterman 2013). Einerseits sind Personen zu belohnen, die den Wahlkampf eines Prasidenten auf die eine oder andere Weise unterstutzt haben, andererseits geht es auch darum, sich durch Besetzungen Interessengruppen und Abgeordnete gewogen zu machen. „Presidents who use appointments wisely find it easier to build legislative support for themselves and their programs.“ (Hollibaugh et al. 2013, S. 5). Schließlich kann ein Prasident nur auf die Expertise zuruckgreifen, die in seinem Team verfugbar ist (Lewis und Waterman 2013, S. 53). Exemplarisch steht hierfur die Besetzung politischer Positionen im Department of Labor durch George W. Bush, der in seinem Republikanischen Personalpool kaum Personen fand, die umfassende Erfahrungen in diesem Politikfeld vorweisen konnten.

Falle wie die unangemessen besetzte FEMA sind fur die Gesellschaft ein Problem, weil sie gegebenenfalls die Konsequenzen solcher Personalentscheidungen tragen muss. Sie sind aber auch fur den Prasidenten ein Problem, der fur die schlechte Performanz von Beho¨rden verantwortlich gemacht wird. Folgerichtig ist zu erwarten, dass Prasidenten sich genau uberlegen, welche Art von Besetzung, eher professionell oder eher politisch und elektoral orientiert, sie an welchen Stellen vornehmen. Wie die Forschung zeigen kann, ist dem auch tatsachlich so: Political appointments aus elektoralen oder politischen Grunden erfolgen vor allem auf Positionen, die weniger hoch auf der politischen Agenda des Prasidenten stehen und die wenig Einfluss auf den Policyoutput haben. Professionelle Besetzungen erfolgen auf A¨ mter, bei denen das Gegenteil der Fall ist (Lewis und Waterman 2013). Je mehr Expertise auf einer Position gebraucht wird oder je wichtiger eine agency fur den Prasidenten ist, desto ho¨ her ist der Anteil an professionellen Besetzungen. Große Beho¨rden, in denen die einzelne Person vergleichsweise wenig Einfluss auf den Policyoutput hat, haben gro¨ßere Anteile rein elektoral oder politisch motivierter Besetzungen. Das Gleiche gilt fur Beho¨rden, die ohnehin dem Prasidenten politisch nahe stehen. Beho¨rden mit einer anderen ideologischen Grundorientierung dagegen, werden verstarkt mit qua Kompetenz ausgewahlten Personen besetzt, um so diese Beho¨ rden gestutzt auf Expertise auf Kurs bringen zu ko¨nnen (Hollibaugh et al. 2013, S. 20–24).

3.4 Bu¨ rokratische Prinzipien und Einstellungen der Ministerialbediensteten

Welche Werte aber leiten die Burokratie, welche ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen? Burokratien erfullen in modernen Staatswesen zwei zentrale Funktionen: Sie sorgen erstens dafur, dass jeder Burger und jede Burgerin ohne Ansicht von ‚Rasse', Klasse und Stand vom Staat nach den gleichen Prinzipien behandelt und in den vorgetragenen Anliegen ernst genommen wird (Olsen 2008, S. 15, 23). Burokratien sind zweitens der stabile Teil eines Regierungssystems, das in den USA durch Verfassungsregeln dafur sorgt, dass das Team eines Prasidenten, also des Regierungschefs, spatestens nach acht Jahren Amtszeit ausgetauscht wird. Burokratien gewahrleisten also auch das immer notwendige Maß an Kontinuitat in einem Regierungssystem (Schnapp 2004, S. 18–19 und 65–67).

Ganz im Sinne dieser allgemeinen Funktionen geho¨rt es zu den zentralen Werten der permanent bureaucracy, politischen und parteiorientierten Erwagungen keinen zentralen Platz in der Arbeit einzuraumen, sondern eher zu versuchen, mo¨ glichst neutral und sachorientiert zu beraten und zu entscheiden (McKeever und Davies 2012, S. 213). Diese Neutralitat wird von Politikern allerdings mitunter mit Misstrauen beobachtet. Das galt unter anderem in sehr starkem Maße fur Richard Nixon und Ronald Reagan (Rockman und Thiam 2009, S. 207, 211). Der Bundesburokratie wurde von beiden Prasidenten unterstellt, dass sie in großer Mehrheit den Demokraten und ihren politischen Werten und Zielen zugeneigt sei. Empirische Forschung zu den Einstellungen der Beamten zeigt allerdings, dass deren politische U¨ berzeugungen keineswegs fixiert sind. Sie folgen einerseits politischen Bewegungen an der Spitze der Regierung (Aberbach 2003, S. 384–387) und sind andererseits abhangig von dem Aufgabenspektrum, das von einem Ministerium bzw. einer agency zu bearbeiten ist (Wilson 2009, S. 276). U¨ berwiegend traditionelle Aufgaben bearbeitende Organisationen tendieren eher zu konservativen Werten, uberwiegend aktiv sozialstaatlich agierende Organisationen eher zu liberalen.

Normen und Regeln haben auch ihre Schattenseiten. Es gibt Verschwendung o¨ffentlicher Gelder, der Amtsschimmel wiehert hier und da auch in USamerikanischen Amtsstuben und mitunter agieren Verwaltungen eigenstandiger, als sie es sollten. Und einiges davon ist wohl tatsachlich Missmanagement, anmaßendem Verhalten oder auch mangelndem Engagement zuzuschreiben. Haufiger aber durften es spezifische Umstande und komplexe Interaktionen von Akteuren sein, die das Handeln der Verwaltung suboptimal aussehen lassen. So unterliegen Verwaltungen oft sehr speziellen Regeln daruber, was wo und von wem beschafft werden darf. Solche Regeln ko¨nnen etwa heißen, dass Verwaltungen, wenn sie Dinge beno¨tigen, inlandische Hersteller auch dann vorziehen mussen, wenn diese ein Produkt teurer anbieten. Die Begrundung dafur ist, dass Steuergelder mo¨ glichst innerhalb der Landesgrenzen ausgegeben werden sollen, um zum Beispiel inlandische Arbeitsplatze zu sichern (Wilson 2009, S. 283). Gleichzeitig erzeugt die (demokratisch sehr sinnvolle) Forderung, dass Verwaltungen umfassend uber das eigene Tun Rechenschaft ablegen mussen, erhebliche Aufwande, weil das Festhalten von Abwagungen und Entscheidungen, das Protokollieren von Handlungswei- sen usw. Zeitressourcen in Anspruch nimmt, die dann nicht fur produktive Tatigkeit aufgewendet werden ko¨nnen. Aber wer Transparenz von und Rechenschaftslegung uber Verwaltungshandeln will, der kommt um die Aufwendung dieser Ressourcen nicht herum.

Schließlich erzeugt Demokratie als solche Ineffizienzen. Zum einen beno¨tigen Prozesse Zeit, wenn unterschiedlichste Interessen geho¨rt und sinnvoll in Entscheidungen und Handeln eingebunden werden sollen. Effizienz kann folglich in demokratischen Verfahren nicht die oberste Handlungsmaxime sein, es sei denn um den Preis eines geringeren Demokratie- und Partizipationsniveaus. Zum anderen ko¨nnen zum Beispiel radikale Politikwechsel massive Ineffizienzen erzeugen, wenn etwa bei einer Wahl das Prasidentenamt von einer auf die andere Partei ubergeht oder die Krafteverhaltnisse auf dem Capitol Hill sich massiv geandert haben. Verwaltung ist dann in der Pflicht, zu tun, was the government of the day entschieden hat. Schließlich wurde dieses von den Wahlerinnen und Wahlern gewahlt und steht so reprasentativ fur den aktuellen Mehrheitswillen. Gerade noch mit aller Energie betriebene Maßnahmen ko¨ nnen in einer solchen Situation obsolet werden, gerade begonnene Programme sind, mo¨glicherweise nur halb durchgefuhrt, abzubrechen. Und es ist oft die Verwaltung, die dem Einzelnen im Alltag dann als der Akteur erscheint, der verantwortlich ist fur Ineffizienz und ‚Verschwendung', einfach weil die Ausubung von Herrschaft, die Umsetzung politischer Entscheidungen im Alltag, letztlich Verwaltung ist (Weber 1972, S. 126).

 
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