Wahlbeteiligung
Da es kein Register aller Wahlberechtigten gibt, ist die Wahlbeteiligung in den USA schwierig zu berechnen (McDonald und Popkin 2001). Unabhangig von der Messmethode ist sie verglichen mit anderen etablierten Demokratien niedrig: Bei midterm elections liegt sie deutlich niedriger als bei Prasidentschaftswahlen (Abb. 2).
Wie ko¨nnen politische Akteure die Wahlbeteiligung zu ihren Gunsten beeinflus-
sen? Um diese Frage beantworten zu ko¨nnen, mussen zunachst Faktoren identifiziert werden, die die Schwankungen der Partizipation erklaren ko¨nnen. Die Forschung hat hierzu drei Erklarungsfaktoren herausgearbeitet (Abramson et al. 2012; Hershey 2013; Wolfinger und Rosenstone 1980): individuelle, soziale und konjunkturelle.
Als wichtigster individueller Einflussfaktor gilt das Bildungsniveau. Je ho¨her es ist, umso eher nimmt ein Burger an der Wahl teil. Das Bildungsniveau korreliert wiederum stark mit dem Einkommen und dem Beschaftigungsstatus, die unabhangig vom Bildungsstand einen ho¨chstens schwachen Einfluss ausuben. A¨ ltere Burger beteiligen sich außerdem eher an Wahlen als jungere. Hispanics und AsianAmericans gehen deutlich seltener wahlen als Weiße und Afroamerikaner, die heutzutage beide gleich hohe Beteiligungsraten aufweisen. Es gilt außerdem: Wird Wahlen als Burgerpflicht wahrgenommen, werden die Regierung oder das Regierungssystem positiv bewertet oder identifizieren sich Befragte starker mit einer Partei, so begunstigt dies tendenziell die Partizipation bei Wahlen. Die Einbindung in soziale Kontexte wie die Ehe oder in Kirchengemeinden erho¨ht tendenziell das Wahlverhalten, genauso wie der Kontakt zu politisch informierten Personen. Wohnt ein Wahlberechtigter außerdem erst seit wenigen Monaten an einem Ort, ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser zur Wahl gehen wird, deutlich geringer als bei langerer Wohndauer, was bei der hohen Mobilitat der amerikanischen Bevo¨lkerung nicht unbedeutend ist. Konjunkturelle Faktoren sind die wahrgenommene Wichtigkeit und Knappheit der Wahl, wobei Prasidentschaftswahlen die ho¨chste Bedeutung beigemessen wird. Knappe Wahlen regen zur Beteiligung an, weil dann der eigenen Stimme ein gro¨ßeres Gewicht zukommt.
Einige dieser Faktoren werden zur Mobilisierung genutzt, die in den USA eine wichtige Rolle spielt (Green und Gerber 2008; Yale University 2014). Parteien oder Kandidaten ko¨nnen neuen Einwohnern bei der Wahlerregistrierung behilflich sein oder das Bewusstsein fur die Relevanz demokratischer Wahlen steigern. Dass die
Wahlbeteiligung von Afroamerikanern inzwischen gleich hoch ist wie von Weißen, ist z. B. zu einem erheblichen Teil auch das Resultat einer Mobilisierungskampagne der Demokraten. Die Mobilisierung eigener Anhanger ist fur gewo¨hnlich auch effektiver als der Versuch, Anhanger von Konkurrenten abzuwerben. Als effizientestes Mittel – speziell bei Erstwahlern – gilt nicht die Kontaktaufnahme per Post oder Telefon, sondern die perso¨nliche Wahlwerbung (personal canvassing). Durch das Tur-zu-Tur-Gehen wird der Kontakt mit politisch informierten Mitburgern gezielt hergestellt und damit die soziale Verpflichtung, wahlen zu gehen, gestarkt.