Political Gridlock. Die Folge der politischen Polarisierung

Die Bearbeitung und Lo¨sung sozialer und o¨konomischer Problemen steht im Zentrum von Politik, weshalb allgemein verbindliche Entscheidungen in Form von Gesetzen als das zentrale Ziel politischen Handelns genannt werden ko¨nnen (Patzelt 2003, S. 23). Mit Blick auf den US-amerikanischen Entscheidungsprozess erwachsen aber zunehmend Zweifel, ob diese Lo¨sungs- und Regelungskompetenz durch den Kongress noch wahrgenommen und gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen zeitnah und adaquat begegnet werden kann.

Diese Problematik wird deutlich, blickt man auf die Produktivitat innerhalb des Gesetzgebungsprozesses der USA. Der 112. Kongress (2011–2013) verabschiedete lediglich 284 Gesetze und liegt damit deutlich unter dem 80. Kongress (1947–1949), der von Harry Truman als „do-nothing Republican Congress“ (zitiert nach Genovese 2010, S. 485) geschmaht wurde, mit 906 aber immerhin noch mehr als dreimal so viele Gesetze verabschiedete. Doch auch der Blick in die vorangegangenen Kongresse seit Ende des 20. Jahrhunderts zeigt den abnehmenden Trend in der legislativen Produktivitat. Wahrend im 106. Kongress (1999–2001) noch 604 Gesetze die Zustimmung des Reprasentantenhauses und des Senats fanden, waren dies im 108. Kongress (2003-2005) 504 und im 110. Kongress (2009–2011) lediglich noch 460.

Die rucklaufigen Zahlen ko¨ nnen besser verstanden werden, betrachtet man die Entwicklung der parteiubergreifenden Zusammenarbeit, dem so genannten bipartisanship. In einem politischen System, in dem das Wahlsystem zumeist knappe Mehrheiten produziert, die zudem alles andere als verlasslich sind, da sich die direkt gewahlten Abgeordneten und Senatoren deutlich starker ihrer Wahlerschaft, denn programmatischen oder taktischen U¨ berlegungen ihrer jeweiligen Partei ver-

pflichtet fuhlen, sind erfolgreiche Gesetzesvorhaben nur mit parteiubergreifenden Koalitionen realisierbar. Und das hat in den USA seit dem 2. Weltkrieg auch weitgehend erfolgreich funktioniert. Annahernd die Halfte der Gesetze wurde durch ein solches bipartisanship beschlossen. Der zunehmende Antagonismus der Parteien im Kongress erschwert diese uberparteiliche Kooperation allerdings. Im

111. Kongress (2009–2011) wurden im Senat nur noch ein Viertel der Gesetze mit einer uberparteilichen Mehrheit verabschiedet und auch im 112. Kongress zeigen sich vergleichbare Werte.

Immer haufiger stimmen die Parteifraktionen als weitgehend geschlossene Blo¨cke ab. Dies ist in erster Linie bei Parteifraktionen in parlamentarischen Regierungssystemen zu beobachten; aufgrund der starkeren Bindung der Kongressmitglieder an ihre Wahlerschaft in den Wahlkreisen im legislativen Prozess der USA bislang nicht. Gleichwohl stieg im Zeitraum von 1991 bis 2012 diese Geschlossenheit von etwa 83 % im Reprasentantenhaus und Senat auf 92 % respektive 88 %. Unter solchen Bedingungen und insbesondere in Zeiten eines divided government ist die fur den legislativen Prozess der USA zentrale Bedeutung uberparteilicher Koalitionsbildungen so gut wie ausgeschlossen.

 
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