Relevanz von Akteuren als Trägergruppen von Implementationen

Der Auswahl der Veränderungsakteure wird bereits in frühen Studien ein signifikanter Einfluss auf den Prozess und das Ergebnis von Implementation zugesprochen (vgl. Rogers 2003: 337 (Wiederauflage von 1962)). Rogers zufolge übernehmen Akteure eine notwendige Vermittlungsfunktion zwischen neuen Ideen und bestehenden Routinen. Dadurch könne neues Verhalten etabliert und stabilisiert sowie schließlich institutionalisiert werden. Damit Akteure als „Change Agents“ auftreten könnten, müssten sie jedoch vorab als Akteur im sozialen Kontext akzeptiert sein.

Für die englischsprachige Forschung haben Fixsen et al. eine Studie[1] vorgelegt, die Implementation in der Literatur entlang von fünf Programmkomponenten mit einer stärker formativen Perspektive als Windhoff-Héritier untersuchen (vgl. Fixsen et al. 2005) [2] und Aspekte der Konzeptwie Prozessgestaltung mit einem signifikanten Einfluss auf das Implementationsergebnis herausgearbeitet haben. Fixsen et al. unterscheiden zwei Gruppen von Akteuren in Veränderungsprozessen: „Organization Staff“ und „Purveyors“ (vgl. Fixsen et al. 2005: 14f). „Organization Staff“ beschreibt das Personal in Organisationen, das das Programm als Adressaten letztendlich umsetzen soll. „Purveyors“ sind Akteure, die ein Innovationsprogramm repräsentieren und als Veränderungsexperten die Implementation vorantreiben, auch bezeichnet als „Change Agent“ oder „Program Consultant“ (vgl. Havelock und Havelock 1973; Gendreau et al. 1999; Rogers 2003). Windhoff-Héritier hat für Programminnovationen, die Beziehungen zwischen Organisationen (oder organisationalen Teilsystemen) mit dem Begriff des „Grenzpersonals“ als „Träger der interorganisationalen Tauschbeziehungen“ beschrieben (vgl. Windhoff-Héritier 1980: 108). Im interorganisationalen Gefüge, entwickle sich oft eine eigene Beziehungsstruktur und erreiche im „Gesamtgefüge einen eigenen Institutionalisierungsgrad“, der sich gegenüber Programminnovationen als resistent erweisen könne und nur durch Hinzunahme der innerorganisatorischen Beziehungskultur erklärbar sei (a.a.O.: 110). Auch die Ergebnisse bei Ortmann et al. (1990) bestätigen diese These. Die Autoren haben im Rahmen von empirischen Fallstudien die Implementation von EDV-Systemen untersucht und gezeigt, dass die Entstehung und Durchsetzung von Managementstrategien durch mikropolitische Machtstrukturen plausibilisiert werden kann (vgl. Ortmann et al. 1990: 560). In Anlehnung an strukturationstheoretische Überlegungen (vgl. Giddens 1997) konstatieren sie, dass die Frage der Wirkmächtigkeit von Strukturen oder Strategien je nach hierarchisch begründeten Macht- und Handlungsressourcen beantwortet werden muss und prinzipiell empirisch offen ist.

Studien im Bildungsbereich zeigen, dass Programme, die Akteure mit einem hohen Verständnis für die zu implementierenden innovativen Praktiken auswählten[3] , positiv mit den Ergebnissen des Veränderungsprozesses korrelierten. Die Wirkung von Schulungsmaßnahmen wird in der Literatur ähnlich bewertet: Über die kommunikative Vermittlung von Strategien, Programminhalten oder Konzepten eigneten sich Adressaten Ideen an und übertrügen sie auf ihren lebensweltlichen (Berufs-) Alltag – insbesondere dann, wenn ein direkter Praxisbezug in Schulungen hergestellt wurde (vgl. Maloney et al. 1974; Blase et al. 1984; Kealey et al. 2000). In der Literatur wird die veränderungsunterstützende Wirksamkeit von Schulungsmaßnahmen jedoch auch in Abhängigkeit verschiedener Komponenten vom Implementationsprogrammen[4] gesehen: Kommunikations- und Schulungsangebote, die isoliert sind, d.h. keinen Bezug zu den übrigen Komponenten hätten, würden weniger effektiv bewertet als Maßnahmen, die diese Bezüge explizit herstellten (etwa durch frühzeitiges Einbeziehen in die Programmentwicklung[5] , praxisbezogene Beratung und Coaching während und nach der Programmeinführung, Rückbindung von Feedback) (vgl. Wells et al. 2000; Spouse 2001; Joyce und Showers 2002; Ellis et al. 2003; Greenhalgh et al. 2004).

Zur Entwicklung eines Forschungsprogramms im Rahmen der vorliegenden Studie sind diese Erkenntnisse direkt anschlussfähig. Die Studien haben gezeigt, dass Implementationsverläufe und –ergebnisse maßgeblich von beteiligten Akteuren abhängig sind. Es scheint dabei notwendig, unterschiedliche Akteursgruppen und Orientierungen systematisch zu unterscheiden: Change Agents und Organization Staff in ihrer Selbst- und Fremdwahrnehmung. Das bedeutet, um den Implementationsprozess eines Managementkonzepts – als Grundlage zur Bewertung seiner Wirkmächtigkeit – empirisch nachvollziehen zu können muss ein Setting entwickelt werden, dass die Deutungsperspektive zum einen aus der Sicht der Projektgruppe, die das Projekt im Unternehmen entwickeln und verankern sollte, herausarbeitet. Ebenso wichtig erscheint zum anderen diese Perspektive aus der Sicht der adressierten Akteure, die die im Konzept textierten Programmideen handlungspraktisch umsetzen sollten. Die Frage der handlungspraktischen Relevanz des Managementkonzepts kann dabei nur kontextsensibel erfolgen und bedeutet forschungspraktisch, einen lebensweltlichen Zugang zum Forschungsfeld zu erschließen.

  • [1] Fixsen et al. (2005) haben die englischsprachige Literatur zur Implementationsforschung zwischen 1979 und 2005 aufgearbeitet. Sie sichteten 1054 Quellen und werteten im Volltextreview 743 Studien aus. Insgesamt bewerten sie 377 als relevant im engeren Verständnis wissenschaftlicher Implementationsstudien und identifizierten für diesen Zeitraum insgesamt 22 empirische Studien (vgl. Fixsen et al. 2005: 69).
  • [2] Fixen et al. (2005) systematisieren die Implementierungsforschung unabhängig von Art und Inhalt der Programme, identifizierten allgemeine Programm- und Prozesselemente, die positiv mit dem Programmerfolg korrelieren.
  • [3] Veränderungsexperten (vgl. Blase et al. 1984; Bierman et al. 2002) sowie Personal in Organisationen (vgl. Blase et al. 1984; Fixsen und Blase 1993; Marks und Gersten 1998).
  • [4] Fixsen et al. beschreiben fünf Programmkomponenten (vgl. 2005: 12): (1) Anlass oder Quelle von Implementation sei das Set der zu implementierenden Kernelemente eines Programms, das dieses als Gesamtkonzept beschreibe. Daran orientiert sei das (2) Ziel derselben, der programmatische Inhalt, der die Innovation beschreibe. Die Operationalisierung des Programms in Form von Information und Kommunikation, Schulungen, Coaching und institutionalisierte Unterstützungsstrukturen bezeichnen Fixsen et al. als „communication link“ (3). Als weitere Komponenten nennen sie noch (4) Feedbackmechanismen (kontext-, programm- und kompetenzorientierte Evaluationen) und (5) organisationale Faktoren (bspw. gesetzliche Regelungen, formale und informale Regeln, (Mikro) Politik und Strategien, Interessensvertretungen wie informelle Kollaborationen).
  • [5] Studien bestätigen den Einfluss von Implementationsdesign, organisationalen Aspekten und Umweltfaktoren auf das Ergebnis implementierter Innovationen (vgl. Chase 1979; Flanagan et al. 1983; Adams 1994). Die ermittelten Ergebnisvariablen (Effektivität der Programme) korrelieren positiv mit dem Ausmaß der Wahrnehmung und Integration dieser Komponenten in die Programmentwicklung.
 
< Zurück   INHALT   Weiter >