Dokumente als zweite Datengrundlage im Sample

Qualitative Verfahren sind ebenfalls geeignet zur Analyse von Dokumenten (vgl. Mayring 2002: 46ff). Ebenso wie die Interviews, wurden auch die Dokumente als theoretisches Sampling zusammengestellt. Sie umfassen im Wesentlichen Dokumente, die im Rahmen von Interviews und beobachtender Teilnahme von EFS Mitarbeitern mit direktem oder indirektem Bezug zum WMS benannt wurden. Diese Auswahl wurde ergänzt durch eine Recherche im Intranet des Unternehmens sowie der Zusammenstellung von Internetdokumenten zum WMS. Letztere wurden ergänzt durch aktualisierte Versionen nach der Feldphase[1]. Auch die Einsicht in die Ergebnisdokumentation von Mitarbeiterbefragungen zum implementierten Wertemanagementsystem (Häufigkeitstabellen) wurde ermöglicht und fand Eingang in das Dokumenten-Sample[2].

Die so gesammelten Eindrücke sind als Dokumente einer qualitativen Analyse zugänglich. Ergänzend zu den Interviews entstand damit ein Sample unterschiedlicher Dokumente, die sich insgesamt in fünf inhaltliche Kategorien unterteilen (vgl. Anhang, Anlage 3: Qualitatives Dokumentensampling):

1) Kommunikations- und Informationsdokumente zum EFS Wertemanagement (15 Dokumente).

2) Schulungsdokumente zum Wertemanagement (5 Dokumente)

3) Berichte und Richtlinien mit Bezug zum Wertemanagement (12 Dokumente)

4) Dokumente zur Planung / Prozess und direktem oder indirektem Bezug zum Wertemanagement (9 Dokumente)

5) Mitarbeiterbefragung (7 Dokumente)

Damit ist das qualitative Sample beschrieben, aber noch nichts zur Forschungsperspektive ausgesagt, mit der die Interviews geführt wurden. Das wird im nächsten Abschnitt ausgeführt.

Expertenwissen als Forschungsperspektive: Grundlegende Annahmen und forschungspraktisches Vorgehen

Grundlage der empirischen Analyse zur Wirkmächtigkeit des unternehmensethischen Managementkonzepts sind leitfadengestützte Experteninterviews. Experten werden hier als Akteure aufgefasst, die in einem sozialen Kontext spezifisches Rollenwissen haben (vgl. Gläser und Laudel 2004: 10ff; Przyborski und Wohlrab-Sahr 2010: 133f). In Anlehnung an Meuser und Nagel wird damit das Interesse am spezialisierten Sonderwissen von Personen beschrieben, über das sie als Experten in einer bestimmten Funktion verfügen. Damit unterscheidet sich dieser Analysefokus grundsätzlich von verbreiteten Formen qualitativer Forschung, die die Rekonstruktion personaler Identität fokussieren (vgl. Meuser und Nagel 2005: 72).

„Als Expertin bzw. Experte wird angesprochen,

- wer in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung oder

- wer über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personen-/ gruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt.“ (Meuser und Nagel 2010: 377)

Diesem Verständnis von Experten im Sinne von Funktionseliten (vgl. Meuser und Nagel 1994; Liebold und Trinczek 2009) schließt sich die vorliegende Studie an. Für die Auswahl von Interviewpartnern bedeutet dies, dass Personen auszusuchen waren, die aufgrund ihres Eingebundenseins in einen spezifischen Kontext über Wissen oder Entscheidungsbefugnisse bezüglich der Implementierung, Anwendung oder Wirkung des untersuchten WerteManagementSystemsZfW verfügen. Dieses spezialisierte Wissen sollte mit Hilfe von qualitativen Interviews erschlossen werden.

Für die vorliegende Fragestellung ist vor allem Betriebswissen, also Wissen zum Alltagskontext im Unternehmen, von Interesse. Experten in diesem Sinne sind Mitarbeiter im Hinblick auf ihre Rolle in Unternehmen. In diesem Sinne wurden unterschiedliche Gruppen von Experten unterschieden. Zum einen Experten verschiedener Unternehmen auf der Ebene des Managements, die über die Einführung des unternehmensethischen Managementkonzepts zu entscheiden hatten. Ebenso Mitarbeiter des im Rahmen der Einzelfallstudie untersuchten Unternehmens in je unterschiedlichen Kontexten (Implementation und Geschäftsprozess), d.h. als Träger von Betriebs- und Deutungswissen in diesen Kontexten (vgl. Przyborski und Wohlrab-Sahr 2010: 134).

Das oben beschriebene Interviewsample der Studie setzte sich aus diesen Experten zusammen. Das Vorgehen der qualitativen Analyse in For-Profit Organisationen erforderte dabei das Eingehen auf im Feld übliche Konventionen (Kommunikationsanlass: Gesprächstermin) und ihre anerkennende Würdigung als Experten (vgl. a.a.O.: 73ff). Vor allem zwei Aspekte der Interviewanbahnung erschienen in diesem Kontext relevant: Erkennbar zielgerichtetes Vorgehen und respektvoller Umgang mit der Zeit des Gegenüber (vgl. a.a.O.: 135) [3].

Ein zweiter Aspekt des Vorgehens betraf das Interview selbst. Im Sinne der Fragestellung wurden die Interviews anhand eines teilstrukturierten Leitfadens geführt. Im Feld hatten diese Leitfäden zwei wesentliche methodische Funktionen, auf die oben genannte antizipierte Erwartungshaltung (Ziel- und Zeitsensibilität). Der Leitfaden legitimierte in der Interviewsituation das methodische Vorgehen[4]. Das Vorhandensein und der Umfang rechtfertigten die benötigte Zeit vor allem in Anbetracht der oft abweichenden Erwartungshaltung an die Interviewmethode, die oft als lockeres Gespräch wahrgenommen wurde. Damit wurde bereits das Erhebungsinstrument eingeführt, dass detailliert im folgenden Abschnitt vorgestellt wird.

  • [1] Aktualisierte Informationen zum WMS bei EFS sowie aktuelle Verhaltensprinzipien für Lieferanten und Mitarbeiter.
  • [2] Als Dokumente sind sie hier deswegen klassifiziert, weil ein Zugriff auf die Rohdatensätze nicht möglich war.
  • [3] In der Anbahnung und Vorbereitung der Feldkontakte wurde auf diese angenommenen Erwartungen antizipierend reagiert. Im Falle der unternehmensvergleichenden Stichprobe waren die Erläuterung des Forschungsanliegens und Informationen zur Vertraulichkeit der Daten Bestandteil der strukturierten Vorabinformation im Rahmen der Akquise. Auf die positiven Rückmeldungen wurde mit Terminvereinbarungen reagiert, die ein verlässliches Zeitfenster für das Interviewgespräch beinhalteten. Im Rahmen der Einzelfallstudie erfolgte die Kontaktierung der Interviewpartner stets mit Bezug zu Kollegen oder Vorgesetzten. Die Arbeitszeit, die für ein Interview zur Verfügung gestellt werden konnte, wurde durch das Forschungsprojekt legitimiert (pro Interview sechzig bis neunzig Minuten).
  • [4] Anlage 4 im Anhang gibt eine Übersicht über die Interviewthemen, die Interviewleitfäden (Leitfaden Experteninterview und Leitfaden Geschäftsprozessinterview) sind im Materialband der Studie enthalten.
 
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