Qualitative Gütekriterien des Forschungsprojekts

Empirische Analysen sind systematische, methodisch kontrollierte Verfahren der Auseinandersetzung mit der empirischen Wirklichkeit (vgl. Kromrey 1990: 32ff). Qualitative wie quantitative Verfahren haben Standards entwickelt, die die Güte empirischer Ergebnisse bewerten und absichern sollen. Grundsätzlich geht es darum, empirische Forschung in Bezug auf die Gültigkeit ihrer Ergebnisse (Validität), die Zuverlässigkeit der Erhebungsmethode (Reliabilität) und intersubjektiver Nachvollziehbarkeit ihres Vorgehens zu bewerten. Quantitative Sozialforschung hat in Anlehnung an die klassische Messtheorie Verfahren etabliert (vgl. Schumann 1999; Atteslander 2003: 329ff), die allerdings nicht auf qualitative Verfahren anwendbar sind (vgl. Steinke 2009; Lamnek 2010: 127-166; Przyborski und Wohlrab-Sahr 2010: 35ff) und teilweise sogar als Begriffe für qualitative Verfahren abgelehnt werden (vgl. Mayring 2002: 144ff). Grundsätzlich sollte jede wissenschaftliche Analyse reflektieren, wie sie die Güte des Forschungsprozesses sicherstellen will. Die Kriterien, die die vorliegende Studie angeleitet haben, werden hier abschließend in loser Anlehnung an die quantitativen Begrifflichkeiten dargestellt[1].

Validität

Das Kriterium der Validität bezeichnet die Genauigkeit bzw. Gültigkeit von Messverfahren, also die Frage ob empirisch erhobene Daten das forschungsleitende theoretische Konstrukt adäquat abbilden. Der Adäquanz sind qualitative Verfahren durch ihre Nähe zur Alltagswelt des Gegenstands besonders verpflichtet[2]. Durch die offene und gegenstandsbezogene Vorgehensweise qualitativer Methoden, erscheint das Problem der Validität auf den ersten Blick nicht so relevant, Mayring formuliert die Nähe zum Gegenstand gar als Gütekriterium (vgl. Mayring 2002: 146). Przyborski und Wohlraab-Sahr weisen aber meines Erachtens zu Recht darauf hin, dass die Gegenstandsnähe kein hinreichendes Validitätskriterium sein kann, weil dadurch noch keine Aussage zur Qualität des Bezuges möglich sei (vgl. Przyborski und Wohlrab-Sahr 2010: 36). Besser geeignet zur Bestimmung der Adäquanz wissenschaftlichen Verstehens seien dagegen formale Gestaltungsprinzipien alltäglicher Kommunikationsprozesse. Quasthoff zu Folge ist Indexikalität ein wichtiges Gütekriterium narrativer Kommunikation, erkennbar durch alltagssprachliche Begrifflichkeit, die Integration von Personen- und Ortsnamen in die Erzählung und eine inszenierende Darstellung erlebter Ereignisse, erkennbar beispielsweise durch Verwendung direkter Rede oder Wechsel in die Präsenzform bei Detaillierung von Passagen (vgl. Quasthoff 1980).

„Wir kennen den formalen Aufbau von Erzählungen, d.h. wir können sie anhand formaler Merkmale von anderen Textsorten […] unterscheiden und wir wissen, dass sie im Alltag zum Austausch darüber und zur Konservierung dessen dienen, was als "Tatsache" gilt. […] Diese Regel(mäßigkeite)n, diese Standards sind in die Handlungspraxis eingelassen und mithin eine Form impliziten Wissens, das in der Alltagswelt gewissermaßen "natürlich" vorhanden ist. Aus diesem Grund sprechen wir bisweilen auch von "natürlichen Standards" […]“ (Przyborski und Wohlrab-Sahr 2010: 37, Hervorh. im Original).

Validität ist nach diesem Verständnis also methodisch zu kontrollieren durch text- und kontextbezogene Auswertungsverfahren, die die formalen Gestaltungsprinzipien alltäglicher Verständigungsprozesse systematisch einbeziehen. In der komparativen Vorgehensweise der dokumentarischen Methode wie sie in der vorliegenden Studie angewandt wurde, sieht Nohl ein Verfahren „zur Validierung von Interpretationen“ (Nohl 2009: 54).

Ein weiteres Validitätskriterium wird im Verfahren der Triangulation gesehen (vgl. Mayring 2002: 147f). Die Erwartung einer Validitätsverbesserung wird hier durch die Annahme begründet, dass die Betrachtung des Forschungsgegenstandes aus unterschiedlichen Perspektiven einen Erkenntnis- und Evidenzzuwachs erhält (vgl. Flick 2011: 12). Die Perspektivenerweiterung kann durch Datenvariation, Hinzunahme unterschiedlicher Beobachter, Dateninterpretation aus mehreren theoretischen Perspektiven oder die Kombination von Methoden geschehen (vgl. Lamnek 2010:142). Die vorliegende Studie folgt diesem Kriterium in mehrfacher Weise. Ausgehend von der wissenschaftlichen Neugierde, die die Prominenz wirtschafts- und unternehmensethischer Theorie- und Praxismodelle zu ergründen sucht, wurden zunächst verschiedene Perspektiven wissenschaftlicher Diskussion und empirischer Forschung bemüht, um das Phänomen im Sinne einer soziologischen Fragestellung beschreiben zu können. Im Sinne der Triangulation wurden die Facetten dadurch zunächst theorieorientiert erweitert. Um sie empirisch bearbeitbar zu machen wurden sie dann im nächsten Schritt methodisch eingeengt. Jede forschungsleitende Frage wurde mit einem dezidierten Fokus, eigener Datengrundlage und Analyseperspektive betrachtet. Ergebnis dieser Überlegungen ist die Erkenntnis, dass das Gesamtdesign der Studie explorativ ausgerichtet ist. Die Adäquanz der Ergebnisse wird im vorliegenden Fall also bezogen auf den exemplarischen Kontext des untersuchten Feldes zu bewerten sein und kann Einblicke in Prinzipien der Aneignung innovativer Managementkonzepte in Wirtschaftsorganisationen geben.

  • [1] Ich folge der kritischen Distanzierung bei Steinke und Mayring nicht, denn die methodischen Fragen, die in diesen Kriterien zum Ausdruck kommen sind berechtigt und haben m.E. für empirische Verfahren allgemein Gültigkeit. Im Gegenteil erachte ich die Auseinandersetzung mit der Frage was Validität, Reliabilität und intersubjektive Nachvollziehbarkeit in qualitativen Studien bedeutet und wie sie gewährleistet werden können, als sehr wertvoll.
  • [2] Siehe auch hier wieder das oben bereits eingeführte Adäquanzpostulat bei Schütz (vgl. 4.5.2).
 
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