Trägergruppen und Adressierungspraxen kennzeichnen ein institutionalisiertes Feld

Diese empirischen Ergebnisse korrespondieren mit den Annahmen des oben eingeführten institutionentheoretischen Organisationsverständnisses (vgl. 4.2). Mit der Identifizierung der Trägergruppen von Erwartungen an Unternehmen und der Beschreibung ihrer Adressierungspraxen (vgl. Meyer und Rowan 1977) wurde ein institutionelles Feld empirisch nachvollzogen. Faktische Interaktion zwischen Organisation und Feld wird als konstitutives Merkmal für die Institutionalisierung eines organisationalen Feldes angesehen. Im Material wurden Adressierungspraxen von Trägergruppen über die Wahrnehmung der Befragten nachvollzogen, um Akteure im Feld zu identifizieren und ihre Beziehung zu Unternehmen konkretisieren zu können.

Die von DiMaggio und Powell formulierten Prinzipien institutionalisierter Felder (vgl. DiMaggio und Powell 1983: 148) konnten in den Äußerungen der Befragten nachvollzogen werden. Eine Zunahme der Interaktion zwischen Organisation und Feld im Themenfeld Ethik und Compliance wurde in unterschiedlichen Themensetzungen dokumentiert. Vor allem die wiederholten Deutungen eines Trends zu Ethik- und Compliancekonzepten, die durch Orientierung an Mitbewerbern im Feld (mimetische Prozesse), angeregt durch Wirtschaftsprüfer oder vermittelt durch Organisationsberater, plausibilisiert wurden, können als Indikator für eine Zunahme der Interkation in diesem Feld aufgefasst werden. Auch die Herausbildung nationaler und internationaler Rechtsnormen, die Compliance als Rahmenbedingung unternehmerischen Handelns fordern und Absprachen zwischen Unternehmen sowie Bestechung rechtlich sanktionieren, unterstützt diese Deutung. In den Äußerungen der Befragten dokumentiert sich eine vielfältige Orientierung im Feld, die als Austausch (Arbeitsgruppen, Fachtagungen) oder Ansprache (Expertise als Referent, Presseberichte) thematisiert wird (Zunahme von Interaktion und zu bewältigender Informationslast im Feld). Die mehrfach dokumentierten Vernetzungsaktivitäten der Befragten im Bereich „Ethik und Compliance“ weisen auf eine Orientierung im Feld hin (Koalitionsbildung). Diese wird von den Entscheidern als strategisches Anliegen explizit geäußert, z.B. mit metaphorischen Begriffen wie „Allianz von weißen Schafen“ (VB: 41) auch in Abgrenzung zu Unternehmen im Feld, die dieser Orientierung nicht folgen (VB: 1106-1116).

Das angenommene Spannungsverhältnis zwischen ökonomischen und ethisch-moralischen Anforderungen an Wirtschaftshandeln wurde durch die Identifikation von Trägergruppen externer Erwartungen und ihrer Adressierungspraxen konkretisiert. Die Einzelanalyse der forschungsleitenden Fragen der Makroperspektive ist damit abgeschlossen.

Offen ist nun noch die Frage, welche Muster der Orientierung im institutionalisierten Feld in Bezug auf die wahrgenommenen Erwartungen und adressierenden Trägergruppen im Material dokumentiert sind. Diese Muster werden in der Gesamtschau im folgenden Abschnitt als Deutungsmuster externer Erwartungen hergeleitet.

 
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