Deutungsmuster externer Erwartungen
Deutungsmuster beschreiben im Rahmen der vorliegenden Analyse Leitideen im Organisations-Umwelt-Bezug, die in den Äußerungen von Entscheidern und Mitarbeitern dokumentiert sind. In Anlehnung an Arnold (1983) werden sie als stereotype Sichtweisen von Mitgliedern der befragten Unternehmen beschrieben, die sich offen zur Programmatik des WerteManagementSystemsZfW bekennen (vgl. Abschnitte 1.2 und 5.1). Das eigene Unternehmen als Gesamtgebilde (vgl. Türk 2008) ist hier jeweils situativer Bezugspunkt von Deutungsmustern. Rekonstruiert wurden sie über die oben dargestellten Stellungnahmen und Begründungen, die die Befragten zur Relevanz respektive Einführung von Ethikoder Compliancekonzepten thematisierten (vgl. Ullrich 1999).
In den Äußerungen der Befragten wurden drei unterschiedliche Deutungsmuster externer Erwartungen identifiziert. Mitarbeiter und Führungskräfte rahmen demnach die Relevanz von Ethik und Compliance als ökonomisch rational, als aktuell übliche Praxis sowie als grundlegend notwendige Handlungsregeln. Diese Erwartungsadressierungen sind im Material mit konkreter Bezugnahme zu Trägergruppen dokumentiert und werden hier als Leitideen aufgefasst: Sie kennzeichnen die Art und Weise wie sich Akteure im Organisations-Umwelt-Bezug aneinander orientieren (vgl. 4.1). Die Gruppen von Äußerungen dokumentieren je unterschiedliche Ordnungsprobleme, auf die mit der Plausibilisierung von Ethik- und Compliancekonzepten Bezug genommen wird.
Die im Material dokumentierten Erwartungen an Unternehmen wurden mit Nennung konkreter Trägergruppen thematisiert, die sich zum einen durch einen unmittelbaren Bezug zum Unternehmen charakterisieren lassen: Diese Trägergruppen treten mit sozialer Praxis in Erscheinung, die eine direkte Anschlussfähigkeit an unternehmensinterne Prozesse aufweisen (andere Unternehmen als Auftraggeber oder -nehmer, Anleger als Kapitalgeber, Wirtschaftsprüfer als Instanz der Legitimation bestehender Praxis). Erwartungen wurden darüber hinaus von Trägergruppen geäußert, die sich durch einen mittelbaren Unternehmensbezug beschreiben lassen. Diese Gruppen nehmen eine beobachtende Haltung gegenüber dem Unternehmen ein (Unternehmen als Mitbewerber im Feld, Presse als Organ der Öffentlichkeit, Interessengruppen als kritisch-normative Beobachter). Im Material treten insgesamt drei Leitideen als Deutungsmuster hervor, die im Fallvergleich nicht soziotypisch differenziert werden konnten. In Bezug zu adressierenden Trägergruppen lassen sich jedoch typische Orientierungen differenzieren:
Unternehmensbezug Trägergruppe Deutungsmuster |
Unmittelbar (Unternehmen als Kunden, Wirtschaftsprüfer, Anleger) |
Mittelbar (Unternehmen als Mitbewerber, Presse, Interessen-gruppen) |
Unternehmensethik als ökonomischrationale Unternehmensstrategie |
Ethik „rechnet sich“ |
„Reputation bewahren“ |
Unternehmensethik als im Feld übliches Managementkonzept |
„Allianz von weißen Schafen“ |
„Zeitgeist“ |
Unternehmensethik als wertebezogener Grundsatz |
„Zehn Gebote“ |
„Gehört zur Kultur“ |
Tabelle 5: Deutungsmuster extern adressierter Erwartungen an Unternehmen
Quelle: Eigene Darstellung
In den folgenden Abschnitten werden diese Deutungsmuster einzeln eingeführt und die Orientierung in Bezug zur adressierten Trägergruppe dezidiert herausgearbeitet.