Geltungsbezüge des WerteManagementSystemsZfW in formalen Unternehmensrichtlinien
Der Frage, wieweit das WMS strukturell im Unternehmen EFS verankert wurde, nähert sich der folgende Abschnitt über eine Inhaltsanalyse von Formaldokumenten, die im Sinne von Richtlinien und Anweisungen als normgebend einschätzt werden[1]. Diese Dokumente lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Zum einen in Dokumente, die konzernweit geltende Regeln beschreiben und durch die Unternehmensleitung (Vorstand) legitimiert sind. Zum anderen in Dokumente, die geltende Regeln für einen Geschäftsprozess (Einkauf und Bau) beschreiben. Auch sie sind durch Statusgruppen legitimiert (Vorstand, Bereichsleitung, Betriebsrat, Personalabteilung). Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die betreffenden Dokumente, ihren inhaltlichen Bezug zum WMS und ihren Geltungsbereich:
Dokumentenbezeichnung |
Alias[2] |
Inhalt mit Bezug zum WMS |
Geltung |
WMS Verhaltensprinzipien (V1) |
D 1.6 |
- Vorwort des Vorstandes als Herausgeber der Prinzipien - Verhaltensprinzipien zu Rechtstreue, Loyalität sowie Geschenken und Zuwendungen |
EFS |
WMS Verhaltensprinzipien (V2) |
D 1.7 |
||
Richtlinie K.5.11 |
D 3.8 |
Wortgleiche Wiedergabe der Verhaltensprinzipien (siehe D 1.6) als eigner Abschnitt in der Unternehmensrichtlinie. |
EFS |
Konzernrichtlinie |
D 3.4 |
- Ergebnis Strategieklausur Aufsichtsrat und EFS Vorstand zur Entwicklung EFS - Wertemanagement als strategisches Ziel formuliert - Moralische Standards, ausgerichtet an EFS Grundwerten, werden durch Verhaltensprinzipien konkretisiert. - Verantwortung der Führungskräfte ist Vermittlung der Werte und Prinzipien. |
EFS |
Weisung des Vorstandes zum WMS |
D 3.10 |
- Erklärung des Gesamtvorstandes (alle Vorstandsmitglieder) zur Geltung der WMS Verhaltensprinzipien - Vorstandserklärung: Verantwortungsübernahme für Beachtung und Umsetzung des WMS. |
EFS |
Tabelle 10: Strukturelle Implementation des WMS im Geltungsbereich des Unternehmens EFS
Quelle: Eigene Darstellung
Das WMS ist im Unternehmen EFS in Form von normativen Prinzipien operationalisiert, die im Jahr der initialen Installation definiert wurden (D 1.6). Die Normen beschreiben im Einzelnen konkrete Verhaltenserwartungen zur Rechtstreue, Loyalität gegenüber dem Unternehmen EFS sowie Umgang mit Geschenken und Zuwendungen. Die Verhaltensprinzipien sind legitimiert durch den herausgebenden Vorstandsvorsitzenden. Nach einem Personalwechsel im Vorstand wurden die Regeln in wortgleicher Beschreibung neu aufgelegt (Version V2) und ebenfalls durch den Vorstandsvorsitzenden legitimiert (D 1.7). Neben dieser Kontinuität repräsentieren sich Verhaltensprinzipien vor allem durch ihre Legitimation und Verankerung in das Richtlinienwesen des Unternehmens (D 3.8) als geltende Verhaltensnormen. Ihre konzernweite Gültigkeit wird darüber hinaus durch die als „Konzernrichtlinie“ (D 3.4) veröffentlichte Unternehmensstrategie (legitimiert durch Aufsichtsrat und Vorstand) bekräftigt. Das Wertemanagement wird darin als strategisches Ziel beschrieben, auf die Verhaltensprinzipien als geltende Normen verwiesen und die Führungskräfte als verantwortliche Vermittler von Werten und Prinzipien adressiert. Durch eine vom Gesamtvorstand sechs Jahre nach der initialen Installation herausgegebene Weisung zur Beachtung der Verhaltensprinzipien wird die Geltung derselben bekräftigt (D 3.10).
Im Geschäftsbereich Einkauf und Bau, die im Zuge der Aufarbeitung des Korruptionsvorfalls als Risikobereich benannt wurde, wurde das WMS durch weitere Formaldokumente strukturell verankert:
Dokumentenbezeichnung |
Alias |
Inhalt mit Bezug zum WMS |
Geltung |
Mitarbeiterverpflichtung |
D 3.12 |
- Bestätigung der Kenntnisnahmen der WMS Verhaltensprinzipien. - Unterzeichnet von jedem Mitarbeiter und abgelegt in der Personalakte. |
Einkauf |
Verfahrens richtlinie Bau |
D 3.7 |
- Normen zur Regelung der „Planung und Abwicklung aller Bauleistungen […] im Zuständigkeitsbereich“ von EFS (D 3.7: 4). - Integres Handeln gemäß Richtlinie K5.11 beschrieben als Handlungsgrundlage in der Präambel (D 3.7: 5) - Als verbindliche Regeln werden die Verhaltensprinzipien (vgl. D 1.6, D 1.7) genannt (D 3.7: 7). |
Einkauf, Bau [3] |
Integritätsklausel Lieferantenverträge [4] |
D 3.11 |
- Bestätigung der Kenntnisnahme des EFS WMS. - Erklärung der Anweisung an Mitarbeiter und Subunternehmer zur Einhaltung der WMS Verhaltensprinzipien von EFS - Erklärung zur Ergreifung von Maßnahmen zur Überwachung derselben. |
Einkauf |
Tabelle 11: Strukturelle Implementation des WMS im Geltungsbereich Einkauf und Bau
Quelle: Eigene Darstellung
Eine Mitarbeiterverpflichtung[5] verankert die WMS Prinzipien im Geschäftsprozess „Einkauf“ auf der Verhaltensebene (D 3.12). Die in den Unternehmensrichtlinien verankerte Verfahrensrichtlinie Bau[6]verweist ebenfalls auf die WMS Prinzipien als verbindliche Verhaltensregeln (D 3.7) und über eine Verpflichtungserklärung für Lieferanten, die als Integritätsklausel Bestandteil der Vertragsgestaltung ist (D 3.11), werden diese zur Beachtung der WMS Verhaltensprinzipien verpflichtet[7]. Die Thematisierung des WMS in diesen Dokumenten verbleibt auf der allgemeinen Ebene der EFS umfassenden Verhaltensprinzipien, prozesslogische Anpassungen oder Konkretisierungen werden dort nicht formuliert.
Das WMS repräsentiert sich in formalen Dokumenten zusammenfassend als Legitimation unternehmensbezogenem Handelns gegenüber internen und externen Trägergruppen. In Form allgemeingültiger Stellungnahmen zum integren und rechtsgemäßen Geschäftshandeln sind die Verhaltensprinzipien als zentrale Repräsentationsform des WMS erkennbar. Auffällig ist, dass neben den allgemeingültigen Formaldokumenten nur für den Geschäftsprozess „Einkauf von Bauleistungen“ spezifische Formaldokumente vorhanden sind. Die inhaltsanalytische Durchsicht konnte damit die strukturelle Integration des WMS in Form konkreter Verhaltensprinzipien für den Geltungskontext des Gesamtunternehmens nachvollziehen.
Nach der Rekonstruktion der formal-strukturellen Repräsentation des WMS bei EFS stellt sich die Frage, ob diese mit den Wahrnehmungen der Befragten korrespondieren. Dokumentiert sich in ihren Äußerungen das WMS in vergleichbarer Form oder nehmen die Befragten das WMS in Zielsetzung und Umsetzung abweichend davon wahr? Diese Fragen werden im folgenden Abschnitt erörtert.
- [1] Vgl. FA1: 34-36, FF: 13-15, FA1: 6-9, 443-451 und FI: 242-245.
- [2] Die vollständige Liste aller eingesehenen Dokumente zum WMS ist in Anlage 3 aufgeführt.
- [3] Der Geltungsbereich wird beschrieben für alle Prozesse, die mit der Planung und Abwicklung von Baumaßnahmen im Zuständigkeitsbereich von EFS befasst sind.
- [4] Anlage zur Auftragsvergabe, als Voraussetzung der Beauftragung zu unterzeichnen.
- [5] Eingeführt vier Jahre nach der initialen Installation und legitimiert durch den Bereichs- und Personalleiter sowie den Betriebsrat.
- [6] Ein Jahr nach der initialen Installation eingeführt.
- [7] Eingeführt sechs Jahre nach der initialen Installation.