Repräsentation des WerteManagementSystemsZfW in Wahrnehmungen der EFS Mitarbeiter

Kontrastierend zur formal-strukturellen Repräsentation des WMS im Unternehmen EFS, wird nachfolgend anhand der Äußerungen der Befragten nachvollzogen, welche Ziele (vgl. 7.4.1) und Maßnahmen (vgl. 7.4.2) sie mit dem WMS in Verbindung bringen.

Prävention doloser Handlungen und Verkörperung von Werten

In den Äußerungen der Befragten wird das WMS typischerweise als Instrument zur Prävention doloser Handlungen im Kontext der Aufarbeitung des Korruptionsfalls, gerahmt (vgl. Abschnitt 7.2), der einige Jahre vor der WMS Einführung aufgedeckt worden war[1]. Der für das WMS strategisch verantwortliche Leiter der Konzernrevision (FN) thematisiert diese Zielsetzung im Rahmen einer langen Elaboration zu Beginn des Interviews. FN schließt eine metaphorische Beschreibung an, in der er die Zielsetzung des WMS als kulturverändernde Maßnahme zur Prävention von Korruption im Unternehmen, mit Bezugnahme auf Erlebnisse in der Vergangenheit (Korruptionsfall), darstellt:

„man muss sich && (Unternehmen EFS) als 'n großes Bassin vorstellen mit vielen verschiedenen Fischen. So. Und jetzt gibt's da schöne Fische, große Fische, kleine Fische, 's gibt aber auch 'ne besondere Art von Fischen die wir in diesen Bassin gar net haben wollen. Die Raubfische sag ich jetzt mal. Jetzt könnt' ich ja als Revision 'ne Haltung einnehmen und sagen: "Jetzt bauen wir aus, jetzt sind wir noch im externen Geschäft im Ausland unterwegs. Eigentlich brauch ich mir ja um meine Geschäfte ja gar keine Sorge zu machen. Ich warte einfach, bis diese ich fange einfach diese Fische sozusagen raus. So. Das is eine Haltung. Man könnt' aber auch 'ne Haltung einnehmen und könnt' überlegen: Warum wachsen in diesem Wasser immer wieder diese Art von Fischen nach? Hat das 'nen besonderen Grund? Müssen wir die Zusammensetzung des Wassers verändern? Oder können wir net über diesen Weg wenigstens die Anzahl der Fische reduzieren oder die Größe der Fische reduzieren? Also wenn Sie so wollen so 'ne Metapher für, für kulturelle Veränderung. So.“ (FN: 125-138)

Die Sequenz schließt mit einer Coda ab und leitet über zu einer kurzen Sequenz, die das WMS im Modus der Begründung als Führungsstrategie der Unternehmensleitung rahmt (FN: 138-141). Danach leitet FN eine zweite Sequenz ein, die das WMS wiederum als korruptionspräventives Instrument darstellt, diesmal mit Bezugnahme auf potenzielle Korruptionsrisiken in der Zukunft (FN: 141-151). Eine Coda schließt auch diese Beschreibung ab (FN: 151f). Auf die exmanente Frage der Interviewerin, ob das WMS unterschiedliche Zielsetzungen verfolge, expliziert FN wieder das Ziel der Prävention korruptiver Vorfälle, vergleichbar der bei EFS erlebten Situation (FN: 427-434).

Diese vom Konzernrevisionsleiter FN thematisierte retro- und prospektive Rahmung des WMS als korruptionspräventives Konzept wird in vergleichbarer Weise in den Äußerungen anderer Befragter thematisiert. Die Befragten äußern in Form meist kurzer Stellungnahmen Korruptionsprävention als vordingliche Zielsetzung des WMS und rahmen als typisches retrospektives Begründungsmuster den real erlebten Korruptionsfall:

„Das einzige fundierte Ziel ist, das wir halt diese Korruption nicht wollen“ (FH: 73f)

„das war der Schwerpunkt die Korruptionsprävention. Getrieben von der Angst auch: "Ups, wir wollen nicht dasselbe erleben wie damals"“ (FA1: 47-749)

Die Befragten thematisieren diese Zielsetzung auch in prospektiver Weise, aus der Perspektive ihres Geschäftsalltags:

„Ja, in dem Fall ist es das Tagesgeschäft was Sie erleben. Wo Sie nicht immer wissen is das 'ne Sache, die mal zu einer Sache werden könnte. Wo Sie aber von vorne 'rein die Sorgfaltspflicht geschuldet, 'ne Aktenlage schaffen sollten.“

„Das is auch Wertemanagement.“ (FL: 709-711, 714f)

Jeder „der Ziele gesetzt bekommen hat im Rahmen dieses Aufgabenfeldes, der möchte natürlich auch diese Ziele erreichen. Und jeder sucht sich seinen Weg, wie er die Ziele am besten erreichen kann. Deshalb haben wir dieses Wertemanagement, damit solche Dinge ja nicht passieren sollen, so nach dem Motto: "ich will mein Ziel erreichen, dafür kriegst Du auf der anderen Seite +++ ja, irgendwas zugeschustert". Ja?“ (FJ: 197-202)

Als Zielsetzung des WMS dokumentiert sich hier Prävention doloser Handlungen mit retrospektiver und prospektiver Bezugnahme auf wahrgenommene Risiken in den Äußerungen der Befragten.

Eine zweite Gruppe von Äußerungen thematisiert das WMS mit Bezugnahme auf die Verkörperung von Werten im Unternehmen EFS. Die Thematisierung erfolgt nicht so eindeutig wie die Rahmung des WMS als Korruptionsprävention. Meist als direkte Reaktion auf exmanente oder immanente Fragen, formulieren die Befragten reflektierende Stellungnahmen zur Werteorientierung im Unternehmen. Als Schlüsselsequenz wird nachfolgend die Äußerung des Sachbearbeiters FM auf die Frage seiner ersten Reaktion auf die Idee des WMS betrachtet:

„Mir war wirklich schon ganz, ganz schnell klar, dass das wirklich 'n sehr brisantes Thema is. Weil es wirklich so auf dieser [3] weil es wirklich also aus verschiedenen Gründen. Also mir war sehr, sehr schnell klar, dass das mit Papier nicht getan is, und dass da ganz viele brisante Dinge drin stecken aus verschiedenen Gründen. Zum einen, weil also das is 'n ganz, ganz wichtiges Thema, das man machen muss, klar!“ (FM: 68-73)

„Ich fand damals den Ansatz +++ sehr, sehr gut das wirklich als Wertemanagement zu fassen. Als Wertediskussion. Und nicht nur über diesen Complianceansatz. Weil da man ja so 'ne gewisse Diskussion hinkriegen kann, eben: "Warum machen wir das denn?"“ (FM: 84-87)

Der Sachbearbeiter im Bereich Organisationsentwicklung rahmt FM das WMS retrospektiv aus der Perspektive der Herausforderungen seiner Implementierung. Er thematisiert das WMS hier ohne Nennung spezifischer Ziele, vielmehr stellt er den Eigenwert des WMS bzw. die damit verbundene „Wertediskussion“ fest: „wichtiges Thema, das man machen muss, klar!“ Das WMS rahmt FM hier mit einem Prozess der Auseinandersetzung mit Werten.

Ähnlich wird das WMS im Interview mit dem operativen WMS Verantwortlichen des Unternehmens EFS (FA), thematisiert. Als Antwort auf eine exmanente Frage nach der Zielsetzung des WMS, beginnt dieser eine sehr authentische und ausführliche Elaboration[2]:

„Die Ziele des Wertemanagements sind nur sehr wenigen, einigen eingeweihten Personen in diesem Unternehmen überhaupt klar. +++ Da gehe ich fest davon aus.

+++ Weil das Wort Korruptionsprävention ist nicht nur schwer auszusprechen sondern auch sehr konzentriert in wenigen Köpfen. Es gibt wahrscheinlich eher ein, ein so 'n einen +++ einen Empfindungssumpf, dass +++ die Leute wissen "ja, wir haben Wertemanagement, finden wir gut." Aber was das für Z' – was damit für Ziele verbunden sind. +++ Das ist, +++ wenn Sie – also jetzt nur mal so zum Spaß – wenn Sie mit ihrem Fragebogen unterwegs sind. Fragen Sie doch mal ihre Führungskräfte nach den sieben Werten von && (EFS). Wenn die Hälfte drei Werte zusammenkriegt, per Zufallstreffer, dann wär' ich begeistert. Ich glaub aber nich an so viel.“ (FA1: 233-239)

Der Befragte FA verortet das WMS in einer leicht ironisch formulierten Stellungnahme als korruptionspräventives Instrument ohne weitere Begründung oder zusätzliche Exemplifizierung. Die Feststellung scheint damit so klar, dass weitere Ausführungen nicht notwendig sind. In den Äußerungen der anderen Befragten sind ebenfalls Sequenzen vorfindlich, die den Wertebezug als Hintergrundkonstruktion im Rahmen von Stellungnahmen oder Begründungen dokumentieren. Die Befragten äußern sich beispielsweise zu „moralischer Verantwortung … als Führungskraft“ (FL: 1045), fehlender (Wert-) Orientierung von Mitarbeitern in der Vergangenheit (FN: 239f), eine Verlagerung des Themas Integrität von Führungspersönlichkeiten hin zu Instrumenten wie dem WMS (FI: 444-457). Allen Äußerungen ist gemeinsam, dass sie normative Stellungnahmen um ihrer selbst willen formulieren, d.h. keine Bezugnahme auf andere organisationsbezogene Rationalitäten formulieren. Zusammenfassend ist das Thema WMS in diesen Sequenzen als Instrument dokumentiert, das die Werte des Unternehmens verkörpert.

In einer dritten Gruppe von Äußerungen dokumentiert sich das WMS mit der Zielsetzung des Schutzes des Unternehmens EFS und seiner Mitarbeiter sowie als Führungsinstrument. Anders als die vorher beschriebenen Zielsetzungen werden hier Ziele und Maßnahmen gleichermaßen thematisiert. Die Existenz von Verhaltensprinzipien wird hier als notwendige Bedingung zum Schutz von Unternehmen und Mitarbeitern[3] und in diesem Sinne auch als Führungsaufgabe thematisiert[4].

Zusammenfassend thematisieren die Befragten das WMS vorrangig mit der Zielsetzung der Prävention von Korruption im Unternehmen. Daneben dokumentiert sich als sekundäres Ziel das WMS als eine Verkörperung von Unternehmenswerten. Während in der Repräsentation des WMS in Dokumenten des Unternehmens dieses Ziel deutlich als „Entwicklung einer Wertekultur“ thematisiert wird, kann in den Äußerungen der Befragten die Deutung des WMS in diesem Sinne nur indirekt nachvollzogen werden. Als dominant erscheint der präventive Charakter des Instruments.

  • [1] Vgl. FN:117-138, FB: 303-306, FA1: 40-52 und FH: 486-492.
  • [2] Die Elaboration ist durch zahlreiche Brüche im Erzählfluss, wörtliche Rede, emotionale Reaktionen und Ironie gekennzeichnet.
  • [3] Vgl. FN: 231-240, 265-269, 418-427, FI: 168-172 und FH: 283-292.
  • [4] Vgl. FN: 74-80, 138-141, FH: 573-582 und FK: 746-761.
 
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