Mikroanalyse: Wirkmächtigkeit von Wertemanagement im Unternehmensbezug
„Weil letztendlich is das ja nur eine Ausgestaltung dessen, was im Wertemanagement drinsteckt. Also: Transparenz, 4Augen-Prinzip, diese Dinge, die findet man über diese Prozesse ja wieder: Kontrolle. Auch, eine Kontrolle zwischendurch mal. Ne? Und, und +++ 'ne 'ne Kommunikationskultur. So dass wir, dass +++ die Menschen miteinander reden müssen“ (FI: 141-145).
Im vorherigen Kapitel wurde die Wirkmächtigkeit des unternehmensethischen Konzepts WerteManagementSystemZfW mit der Frage erörtert, welches Potenzial es zur handlungswirksamen Strukturbildung im untersuchten Unternehmen EFS entfaltet. In Anlehnung an das oben eingeführte differenzierungstheoretische Grundverständnis der Arbeit (vgl. Abschnitt 4.1), wurde diese Frage durch die Betrachtung subjektiv gedeuteten Sinns der Befragten sowie die Deutung relevanter Orientierungen im organisatorischen Kontext aufgeschlüsselt. Um das ordnungsrelevante Potenzial des WMS bei EFS zu erörtern, wurde in der empirischen Analyse zunächst die Implementierung des WMS rekonstruiert. Der zweite Schritt der empirischen Mesoanalyse erörterte sodann das sinnstrukturierende Potenzial des WMS, über die Rekonstruktion seiner Repräsentationsformen in formalen Strukturen des Unternehmens EFS sowie in Wahrnehmungen von Mitarbeitern. Empirisch konnte nachvollzogen werden, dass das WMS bei EFS einerseits repräsentiert ist als Medium von Unternehmenswerten (insbesondere von Integrität) und andererseits als Verhaltensprinzipien. Die Interpretation zeigte, dass sich das WMS bei EFS durch die Ausbildung von Signifikations-, Legitimations- und Machtstrukturen empirisch plausibel als unternehmensweit gültiges Managementkonzept beschreiben lässt.
Offen ist bislang noch, inwieweit diese Strukturen auch im Handlungsvollzug Relevanz entfalten, d.h. inwiefern sich die Mitarbeiter in alltäglichen Handlungsentscheidungen tatsächlich an den Leitideen und Prinzipien des WMS orientieren. Damit ist die Frage der Wirkmächtigkeit des WMS auf der Mikroebene sozialen Handelns im Unternehmen angesprochen. In der Mikroperspektive ist danach zu fragen, welche Ordnungsregeln die Mitarbeiter im alltäglichen Handeln als sinnhaft beschreiben und wie sie die Handlungsrelevanz unternehmensethischer Normen im Alltagsbezug begründen. Im oben entwickelten Forschungsprogramm wurden diese Fragen als handlungspraktische Bezugnahme auf strukturell verankerte Regeln mit der Frage formuliert, welche Wertvorstellungen bzw. Leitideen in spezifischen Geltungskontexten handlungsleitend wirken (vgl. Abschnitt 4.6). Die Analyse dieses Bezugsproblems wird durch folgende Fragen angeleitet:
- Welche Rationalitätskriterien sind im Arbeitsalltag von Mitarbeitern und Führungskräften handlungsorientierend?
- Welche Handlungsrelevanz entfalten die Normen des unternehmensethischen Managementkonzepts im Arbeitsalltag von Mitarbeitern und Führungskräften?
Die empirische Erörterung dieser Fragen beginnt nachfolgend mit einer Themensetzungsanalyse, die einen ersten Eindruck über die Thematisierung von Leitideen im Geschäftsprozess sowie der Handlungsrelevanz der WMS Normen bei EFS und in der Vergleichsgruppe vermittelt (vgl. 8.1). Als Ausgangspunkt zur Rekonstruktion alltagsrelevanter Ordnungsregeln wird danach der Geschäftsprozess „Einkauf von Bauleistungen“ bei EFS beschrieben und die Leitideen herausgearbeitet, die in diesem Geltungskontext handlungsstrukturierend sind (vgl. 8.2). Im Anschluss daran werden die Bezugnahmen erörtert, anhand deren die Mitarbeiter unternehmensethische Normen als relevante Maxime ihres alltagspraktischen Handelns thematisieren (vgl. 8.3). Abschließend werden die Ergebnisse der Analyse mit der Perspektive diskutiert, mit welchem Geltungsanspruch die Leitideen im untersuchten Kontext handlungsrelevant institutionalisiert sind. (vgl. 8.4).