Wie gefährlich ist die Pubertät als „narzisstisches Bermudadreieck“?
Die Pubertät ist ein tiefgreifender Einschnitt in die Entwicklung des stabilen Selbstgefühls. Durch die hormonelle Umstellung kommt es zur Stimmungslabilisierung, zur Verstärkung von Unsicherheit und Ängsten, insbesondere Schamgefühlen. Diese Schamgefühle sollen auch die Intimität als verletzlichen Ort schützen, die Grenzen stabilisieren, die Distanz in der Familie vergrößern und damit das Signal zum Aufbruch in die Selbständigkeit anklingen lassen.
Die Sexualhormone lassen den Blick nach außen wenden, die Scham mit der Verletzlichkeit setzt dem stürmischen Begehren Grenzen, sodass es ein Hin- und Herpendeln zwischen dem Kind in der Familie und dem ausbruchsbereiten Jugendlichen gibt. Dieses Dazwischen stellt nun die besondere Herausforderung für die Flexibilität und Konsistenz im Selbstgefühl dar. Vor allem Jungen können die Bodenhaftung verlieren und zeitweise ein pathologisch narzisstisches Bild mit Realitätsverlust bieten, in dem sie zum Beispiel die Leistungsanforderungen in der Schule total leugnen, um nicht den Kränkungen mittelmäßiger oder schlechter Leistungen ausgesetzt zu sein.
Beispiel Der 14-jährige Junge zeigte in der Art, wie er die Grenzen überschritt, ein rigides grandioses Selbst, sein Kleinheitsselbst war sehr fragil. Er missachtete die gutbürgerlichen Regeln seiner Familie, schloss sich einer Clique von Rowdys an, blieb nachts weg und provozierte einen „Krieg“ mit seinem Vater. In der Schule war er in der Clique Wortführer. Besonders cool war, die Leistung nicht nur zu verweigern, sondern in allen Fächern eine Sechs zu erreichen. Das negative Größenselbst verhalf ihm zur absoluten Kälte und Angstfreiheit. Er verscherzte es sich mit wohlmeinenden Lehrern und erlag er seinen negativen Größenideen: Er musste eine Gymnasialklasse wiederholen, scheiterte und schlug in der Lehrlingsausbildung hart auf.
Diese ca. zwei Jahre pubertären Übergangs sind für viele Jugendliche eine „Wetterecke“, in der sie mit ihrer Grandiosität leicht scheitern können.
Die oft sehr realitätsfernen Größenfantasien um Schönheit, Risikoverhalten mit grenzüberschreitenden Mutproben, Verachtung für alles Spießige und die „Stinos“ (die Stinknormalen) machen Randgruppen faszinierend. Schwarze Szene, Gothics, besondere individuelle Tatoos geben auch den Mädchen Gestaltungsspielraum für den Ausdruck der Einzigartigkeit. Diese Ideale der Unverwechselbarkeit und Bewunderungssuche sind angesichts der hohen gesellschaftlichen Ideale an Schönheit und Leistung äußerst fragil. So werden die Wünsche nach Grandiosität häufig in Computerspielen (z. B. einem Avatar) umgesetzt, wie überhaupt das Internet heute einen unendlichen Rahmen für Selbstdarstellungen bietet, aber auch die Möglichkeit, aus der Nische der Verzweiflung des Außenseiters herauszukommen. Die narzisstische Vulnerabilität kann herausgefordert werden, wenn ein eigentlich als grandios geplanter Auftritt darin endet, dass der Betreffende sich lächerlich macht und Spott erntet. Zurückweisung, Schulmobbing und Hänseleien, definieren das Bermudadreieck auch als Ort heftigster Stürme und untergehender Boote. Die Stimmung kann von Verliebtheit in Weltschmerz kippen, „Werthers Leiden“ sind in dieser Zeit normativ und die Suizidgefahr nie zu unterschätzen.