Der Einfluss des externen Umfeldes auf Frauenkarrieren

Neben einer homosozialen Reproduktion sozialer Ähnlichkeit auf der Ebene des Managements, einer vergeschlechtlichten und geschlechterdifferenzierenden Substruktur sowie fehlenden karriererelevanten sozialen Beziehungen von Frauen, kann sich das externe Umfeld ebenfalls negativ auf die Karrieren von Frauen auswirken. Denn gesellschaftliche Werte und Normen sowie die institutionelle Ordnung auf dem Arbeitsmarkt haben Einfluss auf die betrieblichen Prozesse und auf die Arbeitskräftestrategie der Unternehmen.

Dem Neo-Institutionalismus zufolge sind Organisationen ein wesentliches Strukturelement moderner Gesellschaften, werden aber als offene Systeme zugleich durch Institutionen der Gesellschaft beeinflusst. Insbesondere politische Vorstellungen von Familie und Gleichberechtigung scheinen sich in den Organisationen, unter die ich hier auch Unternehmen fasse, widerzuspiegeln. Diese Vorstellungen zeigen eine geschlechterdifferenzierende und frauenbenachteiligende Wirkung. Denn der Wohlfahrtsstaat propagiert zwar die Berufstätigkeit der Frau, doch noch immer wird das Leitbild der bürgerlichen Kleinfamilie mit einer mutterzentrierten Erziehung von der Politik infrastrukturell gefördert (Kolbe 2002; Ziefle 2009). Und auch an der Unternehmensspitze der von mir beforschten Unternehmen findet man noch immer eine männliche Monokultur unter patriarchalen Bedingungen, die als Hochleistungskultur mit einer starken Präsenz- und Erreichbarkeitserwartung Berufsverläufe beeinflusst. Aus der zeitlichen Einsatzbereitschaft werden Engagement und Karrierewillen abgeleitet, und Überstunden sowie kontinuierliche Berufsverläufe begünstigen eine vertikale Mobilität. Die Verantwortung für Kinder und den Haushalt schmälert jedoch die zeitliche Einsatzbereitschaft sowie die Mobilität und ist in diesem Konzept nicht vorgesehen. Die Erwerbsarbeit setzt vielmehr die reproduktiven Tätigkeiten bereits voraus (vgl. Kapitel 3.2). Theoretisch trifft der Vereinbarkeitskonflikt beide Geschlechter, aber praktisch liegt die familiäre Verpflichtung noch immer mehrheitlich im Verantwortungsbereich der Frau. Basiert aber die Sozial- und Wertestruktur der Geschäftsführung von Unternehmen auf diesen traditionellen Werten, überträgt sich dies ideologisch und strukturell auf die Arbeitnehmendenschaft und wird zu einem wesentlichen Element der Unternehmenskultur.

Die befragten Führungskräfte bestätigten, dass eine eingeschränkte zeitliche Einsatzbereitschaft sowie Mobilitätshemmnisse die Wahrscheinlichkeit auf eine Führungsposition im oberen Management der untersuchten Unternehmen senken. Und trotz transparenter Rekrutierungs- und Beförderungsverfahren spielt Geschlecht in diesem Prozess eine große Rolle, weil die Präsenzkultur und die konservative Wertestruktur Frauen diskriminiert. Gerade Frauen zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr geraten, so führen es die befragten ExpertInnen aus, in einen Konflikt, weil sich die Familienplanung und die strategische Karriereplanung aufgrund der oben dargelegten strukturellen Gegebenheiten im Widerspruch befinden.

Abhilfe kann hier meiner Ansicht nach nur ein Kulturwandel schaffen. Denn während die staatlichen AkteurInnen den institutionellen Kontext gestalten, unterliegen Erwerbsbiografien dem Einflussbereich der jeweiligen Arbeitsorganisation. Die Neo-Institutionalisten betrachten Organisationen als wesentliches Strukturelement moderner Gesellschaften. Aufgrund des breiten Spektrums an institutionalistischen Beiträgen konzentriert sich die nachfolgende Analyse auf die für die Fragestellung dieser Arbeit unmittelbar relevanten Hauptaussagen.

Dem Neo-Institutionalismus zufolge nimmt die Legitimität einen ebenso hohen Stellenwert ein wie die ökonomische Effizienz, wenn es um die Sicherstellung des Ressourcenflusses und das Überleben der Unternehmen geht. Organisationen sind aber nicht selten mit inkonsistenten Erwartungen konfrontiert, die zudem den wirtschaftlichen Zielen widersprechen können. Konformität und Vertrauensbildung verhelfen den Unternehmen in diesem Zusammenhang zur benötigten Legitimität. Die Ausgestaltung der Formalstruktur wird dazu an den Regeln, Anforder-ungen und Erwartungen ihrer Umwelt ausgerichtet, weshalb die Einführung organisationaler Praktiken oftmals nicht unter dem Aspekt der ökonomischen Effi-zienz erfolgt. Während immer dichtere, globale Verflechtungen den Wettbewerbsdruck erhöhen und der demografische Wandel sowie der Fachkräftebedarf den Kampf um die besten Talente verstärkt, büßt die Beharrlichkeit asymmetrischer Geschlechterverhältnisse an der Führungsspitze von Unternehmen immer mehr an gesellschaftlicher Legitimität ein. Eine Unterrepräsentanz von Frauen im Management und männerdominierte Vorstandsetagen bedürfen einer Rechtfertigung und Begründung, was einen immensen Handlungsdruck erzeugen kann.

Ein solcher Handlungsdruck von politischer oder gesellschaftlicher Seite wird allerdings nur von drei der vier untersuchten Unternehmen (A, C, D) wahrgenommen. Da es sich bei Unternehmen B um das nach Zahl der Mitarbeitenden kleinste der in die Erhebnung einbezogenen Unternehmen handelt, könnte die unterschiedliche Wahrnehmung im Zusammenhang mit der Organisationsgröße stehen. Denn mit steigender Größe nimmt auch die Sichtbarkeit zu und eine erhöhte Sichtbarkeit kann wiederum mit einer verstärkten öffentlichen Kontrolle und einem erhöhten politischen Druck einhergehen. Neben der Unternehmensgröße können Unterschiede beim wahrgenommenen Handlungsdruck aber auch über die unterschiedlich starke Einbindung in den institutionellen Kontext erklärt werden. Während Unternehmen B einen geringen Bürokratisierungsgrad aufweist und stark gewinnorientiert handelt, müssen die anderen drei Unternehmen den von der Politik vorgegebenen Zielen weitestgehend folgen, um den Ressourcenfluss zu sichern. Konformität sichert den drei größeren Unternehmen Legitimität, wohingegen Vertrauenswürdigkeit beim kleinsten Unternehmen auszureichen scheint.

Wie bereits in Kapitel 5.3 dargelegt, ist die Außenwahrnehmung für alle vier Unternehmen von größter Wichtigkeit, denn insbesondere im Kampf um die besten Talente hebt ein gutes Image die Wettbewerbschancen. Zu einem solchen guten Image gehören heutzutage Aussagen, die erkennen lassen, dass sich ein Unternehmen um die Chancengleichheit der Geschlechter bemüht und aktiv die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördert. Familien- und Frauenfreundlichkeit sind die diesbezüglichen Devisen. Die untersuchten Unternehmen nutzen dementsprechend verschiedene mediale Kanäle, um die Öffentlichkeit über ihre Gleichstellungsbemühungen und entsprechenden Maßnahmen zu informieren. Neben der unternehmenseigenen Homepage dienen Artikel und Broschüren, aber auch Tagungen, Konferenzen sowie spezielle Kooperationen der Verbreitung der diesbezüglichen Informationen. Zu den Praktiken der Selbstdarstellung gehören aber auch Auszeichnungen in Form von Zertifikaten, Audits, Preisen und Awards. In allen vier Unternehmen findet man zudem spezielle Abteilungen, ExpertInnen, Beauftragte oder Gremien, die mit der Chancengleichheit innerhalb des jeweiligen Unternehmens befasst sind und die Förderung hochqualifizierter Frauen mitgestalten sollen.

Folgt man der Argumentation der Neo-Institutionalisten kann das Image eines „frauenfreundlichen“ und „frauenfördernden“ Betriebes eine Fassade zur Sicherung der Legitimität und Anerkennung darstellen. Den beiden Organisationsforschern Meyer und Rowan (1977) zufolge sind dann Formal- und Aktivitätsstruktur nur lose miteinander gekoppelt. Während über die Formalstruktur der Organisation Konformität, Vertrauenswürdigkeit und Verantwortungsbewusstsein nach außen signalisiert werde, könnten interne Aktivitäten losgelöst von der Formalstruktur und unabhängig von den institutionellen Anforderungen an den praktischen Erfordernissen der jeweiligen Organisation ausgerichtet werden. Laut Meyer und Rowan übernehmen Organisationen lediglich solche Maßnahmen und Konzepte, die Kosteneinsparungen und Produktivitätssteigerungen und damit die Stärkung der eigenen Wettbewerbsposition im globalen Konkurrenzkampf in Aussicht stellen.

Die mediale Selbstdarstellung der Unternehmen in Form von werbewirksamen Kampagnen, Zielgrößen oder Leitbildern scheint m. E. diese These zu stützen. Denn trotz des erhöhten öffentlichkeitswirksamen Engagements besetzen bislang nur wenige Unternehmen ihre Vorstands- und Aufsichtsratspositionen mit Frauen, sodass die Ungleichheitswirklichkeit durch die Maßnahmen allenfalls verschleiert wird und unverändert bleibt. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Übernahme institutioneller Erwartungen i. d. R. kurzfristig Mehrkosten verursachen, positive Auswirkungen sich hingegen oftmals erst langfristig einstellen und zudem betriebswirtschaftlich schwer zu messen sind. Da Organisationen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht entziehen können und grundlegende gesellschaftliche Veränderungen eine neue öffentliche Anspruchshaltung und veränderte politische Positionen den Handlungsdruck erhöhen, wird lediglich eine Legitimitätsfassade aufgebaut und eine tatsächliche interne Veränderung umgangen.

In diesem Zusammenhang berichtete eine der befragten ExpertInnen, die zum Forschungszeitpunkt dem oberen Management angehörte, dass es in ihrem Unternehmen im Rahmen des mit der Regierung vereinbarten Konzepts 2020 zwar spezielle Fördermaßnahmen für Führungsfrauen gebe, dass es sich allerdings bei der „weiblichen Elite“ nur um Alibifrauen handele, die zusammen mit werbewirksamen Kampagnen nach außen ein ernsthaftes Engagement bezeugen sollen. Der gesteigerte Aktivismus wird von einigen Gesprächsteilnehmenden zudem als eine opportunistische Reaktion auf die Androhung einer gesetzlichen Quote gewertet. Er diene lediglich der Abwendung von Sanktionen. Zudem erleichtere ein positives Image das Anwerben von Fach- und Führungskräften.

Entgegen der Annahme, dass es sich bei dem gesellschaftspolitischen Engagement der Unternehmen um bloße Mythen oder Lippenbekenntnisse handelt, gehen die Neo-Institutionalisten DiMaggio und Powell (1983) hingegen von einer tatsächlichen Strukturähnlichkeit (Isomorphie) aus. Eine strukturelle Angleichung von Organisationen erfolge auch dann, wenn der ökonomische Nutzen nicht nachgewiesen werden könne, kurzfristig mit Mehrkosten zu rechnen sei oder ein direkter Zusammenhang unklar bleibe, da sich Ähnlichkeit langfristig für die Unternehmen auszahle. Im Rahmen isomorpher Prozesse flössen allgemeine Werthaltungen, normative Regelungen sowie kulturelle Praktiken in die internen Strukturen und das Selbstverständnis der Unternehmen ein. Es handele sich dabei um kein Lippenbekenntnis, sondern durch die Strukturangleichung würden Organisationen innerhalb eines organisationalen Feldes tatsächlich homogener.

DiMaggio und Powell gehen davon aus, dass eine Strukturangleichung von Organisationen über drei Mechanismen erfolgt, die Mechanismen „Imitation“, „normativen Druck“ und „Zwang“. Für Imitation sei die Grundlage hohe Unsicherheit. Im Rahmen eines Prozesses der wechselseitigen Beobachtung würden die scheinbar erfolgreichen KonkurrentInnen oder MarktführerInnen kopiert. Fluktuation oder der Transfer von Humanressourcen hätten eine ähnliche Wirkung. Normativer Druck entstehe durch Professionalisierung, Richtlinien und Standards, Verhaltensnormen, Prozeduren mit verpflichtendem Charakter sowie Sanktionen. Eine erzwungene Strukturangleichung erfolge wiederum auf der Grundlage von Abhängigkeiten. Die Wirkungsintensität sei dabei umso höher, je bedeutsamer die Ressourcen für das jeweilige Unternehmen seien. Eine autoritative Einflussnahme erfolge dabei über externe oder selbstauferlegte Zwänge bzw. gesellschaftliche Wertvorstellungen.

Was sagen meine eigenen empirischen Ergebnisse über die Gültigkeit dieser Annahme aus? – Bei den untersuchten Unternehmen handelt es sich um Dienstleistungsunternehmen, bei denen eine Erhöhung der Effizienz in erster Linie über Humanressourcen zu erreichen ist. Auch die ExpertInnen bestätigten eine Abhängigkeit des Geschäftserfolges von Humanressourcen. Die Studienergebnisse zeigen, dass der sich verschärfende Wettbewerbsdruck, der befürchtete Fachkräftemangel sowie eine alternde Belegschaft wichtige Anreize für die untersuchten Unternehmen darstellen, um auf eine Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen hinzuwirken. Aufgrund der hohen Bedeutung der Ressource Humankapital für die Unternehmen kann die Androhung einer gesetzlichen Frauenquote als eine erzwungene Strukturangleichung angesehen werden, bei der die autoritative Einflussnahme über die Politik erfolgt. Eine Vernachlässigung der öffentlichen Diskussion um eine gesetzliche Frauenquote könne sich kein Unternehmen leisten, so die Gesprächsteilnehmenden. In diesem Zusammenhang verwiesen einige der befragten Führungskräfte auf einen Zusammenschluss einiger DAXUnternehmen anlässlich der politischen Debatte um die Einführung einer Frauenquote in den Führungsetagen der Unternehmen. Dieser Arbeitskreis erleichtere die Kommunikation mit der Bundesregierung und ermögliche zugleich eine Orientierung an den erfolgreichen Mitstreitenden. Dies ist ein Hinweis auf den von DiMaggio und Powell beschriebenen Prozess „Isomorphie durch Imitation“. Die schnelle Verbreitung des Diversity Management-Konzepts stützt ebenfalls die These des isomorphen Prozesses der Imitation. Bestätigung erhält diese Annahme zudem durch die freiwillige Verpflichtung einiger Arbeitsorganisationen, zu denen auch die im Rahmen meiner Studie untersuchten Unternehmen gehören, bis spätestens 2020 den Frauenanteil in Führungspositionen auf bis zu 35 Prozent zu erhöhen. Allerdings bleiben von dieser Regelung die entscheidenden Posten „Vorstand“ und „Aufsichtsrat“ unberührt. Da eine Veränderung der geschlechtsspezifischen Zusammensetzung dieser beiden Entscheidungsgremien nicht nur Signalwirkung hat, sondern sich auch auf die strategische Ausrichtung des jeweiligen Unternehmens auswirkt, könnte eine Selbstverpflichtung zur Chancengleichheit aus dieser Perspektive auch als eine Folge des normativen Drucks gedeutet werden, den die öffentliche Debatte um das wertvolle Potenzial hochqualifizierter Frauen zu erzeugen scheint. Interne Zielgrößen stehen demnach im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen und dienen nicht der Abwehr des befürchteten Fachkräftemangels.

Befragt nach einer Frauenquote für Aufsichtsräte bzw. Vorstände, lehnte die Mehrheit der Gesprächsteilnehmenden, wie ich im Kapitel 5.3 bereits begründet dargelegt habe, eine gesetzliche Quotenregelung ab. Doch obwohl die Mehrheit der Gesprächsteilnehmenden eine Quotenregelung ablehnt, erscheint vielen eine gesetzliche Frauenquote als einziger erfolgsversprechender Lösungsansatz, um kurzfristig die gewünschte Anzahl an Managerinnen in den Führungsspitzen der Unternehmen zu erreichen. Langfristig bedürfe es jedoch eine grundlegende Änderung der Strukturen und Prozesse. Die Diskussion sei aber im vollen Gange und insbesondere die öffentliche Debatte um Frauen als Führungskräfte erhöhe die Wahrscheinlichkeit substanzieller Veränderungen.

Insgesamt erweist sich der Neo-Institutionalismus hinsichtlich der dieser Arbeit zugrundeliegenden forschungsleitenden Frage nach den Gründen der beharrlichen Unterrepräsentanz von Frauen an der Spitze der Wirtschaftsunternehmen als ein vielversprechender Ansatz. Meine eigene empirische Erhebung liefert Daten, die beide Argumentationsstränge stützen bzw. widerlegen:

Folgt man der Argumentation der beiden Neo-Institutionalisten DiMaggio und Powell (1983), dann kann sich heutzutage kein Unternehmen eine Vernachlässigung der öffentlichen Diskussion um Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern erlauben, ohne die Legitimität und damit den Ressourcenfluss zu gefährden.

Alle in die Untersuchung einbezogenen Unternehmen besitzen das Image eines familienfreundlichen und frauenfördernden Betriebes. Ihrer Öffentlichkeitsarbeit zufolge wird der Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben in allen untersuchten Unternehmen berücksichtigt, indem die Lebensereignisse beider Geschlechter zunehmend größere Beachtung finden. Und auf der Ebene konkreter Maßnahmen zeichnet sich, werden die öffentlichkeitswirksamen Aussagen zugrunde gelegt, ein Strategiewechsel ab, wodurch beide Geschlechter von einem umfassenden Diversity Management profitieren würden. Als Beleg für eine interne Veränderung der in die Untersuchung einbezogenen Unternehmen könnten zudem die familienfreundlichen und frauenfördernden Maßnahmen, die transparenten Rekrutierungs- und Beförderungsverfahren, das Leistungsprinzip sowie eine Verankerung des Leitbildes in der Unternehmensstrategie gedeutet werden. Anders sieht es ihrer Ansicht nach jedoch hinsichtlich der Förderung hochqualifizierter Frauen aus. Hier waren sich die Befragten nicht einig, inwiefern es sich um ein ernsthaft engagiertes Handeln der Unternehmen handelt. Einerseits gebe es konkrete Zielvereinbarungen für Personalverantwortliche, andererseits handele es sich bei den Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils im Management um quantitative Vorgaben, die sich nur auf Neueinstellungen, die Nachfolgeplanung oder Entwicklungsmaßnahmen beziehen würden, nicht jedoch auf die Vorstandsetage.

Dass die untersuchten Unternehmen sich trotz aller öffentlichen Gleichheitsrhetorik nicht besonders intensiv um eine reale Gleichstellung der Geschlechter bemühen, darauf deutet noch etwas anderes hin. Denn obwohl die Chancengleichheit der Geschlechter in allen der vier untersuchten Unternehmen in den Konzernvereinbarungen und der Unternehmensstrategie verankert wurde und obwohl sich die Konzernleitung öffentlich zum Ziel der Geschlechtergerechtigkeit bekennt, können die befragten Führungskräfte keine wesentliche Veränderung der Sozial- und Wertestruktur erkennen. Die befragten ExptertInnen führen dies vor allem auf die Unternehmensspitze zurück, die von relativ alten Männern gebildet werde, die eher traditionell denken würden. Für einen Wandel der Sozial- und Wertestruktur bedürfe es daher eines Generationenwechsels. Überträgt man die Überlegungen von Meyer und Rowan (1977) auf die heutige Situation, dann sind Frauen an der Unternehmensspitze lediglich Alibibzw. Vorzeigefrauen, mit denen Unternehmen, ohne die Machtpositionen wirklich zu verändern, Chancengleichheit nach außen demonstrieren können.

Aufgrund grundlegender gesellschaftlicher Veränderungen, einer neuen öffentlichen Anspruchshaltung und veränderten politischen Positionen erhöht sich allerdings der Handlungsdruck, weshalb Organisationen sich nur begrenzt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entziehen können. Geht man von der Annahme aus, dass die Übernahme institutioneller Erwartungen zunächst Mehrkosten erzeugt und ein positiver Effekt erst langfristig spürbar ist, liegt die Vermutung nahe, dass Unternehmen lediglich eine Legitimitätsfassade aufbauen und eine tatsächliche interne Veränderung umgangen wird. Denn trotz des erhöhten öffentlich geäußerten Engagements besetzen Unternehmen bislang nur wenige Vorstands- und Aufsichtsratspositionen mit Frauen. Das heißt, die Erhöhung des Frauenanteils im Management erhält zwar eine immer größere strategische Bedeutung, doch zugleich scheint alles beim Alten zu bleiben. Die rhetorischen Forderungen nach einer größeren Beteiligung von qualifizierten Frauen müssen also nicht unbedingt mit einer Veränderung des Status quo einhergehen. Denn insbesondere eine Änderung des Geschlechterverhältnisses im Vorstand hat eine große Tragweite, weil der Vorstand nicht nur das Unternehmen nach außen vertritt, sondern zugleich für die operative Leitung des Unternehmens zuständig ist. Doch auch Arbeitsnormen, die an einer uneingeschränkten zeitlichen Einsatzbereitschaft sowie an der Mobilität der Mitarbeitenden ausgerichtet sind, senken die Wahrscheinlichkeit von Frauen im oberen Management.

Insgesamt zeigen die Studienergebnisse, dass Organisationen durch die Institutionen der Gesellschaft und des Arbeitsmarktes beeinflusst werden, was wiederum Auswirkungen auf die betrieblichen Prozesse und Arbeitskräftestrategie der Unternehmen hat.

 
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