Zur Auswahl der Teilnehmenden und Beitragenden

Die für unser Vorhaben konstitutive Idee, über das gemeinsame Material die jeweiligen Zugriffe und Argumente genauer aufeinander beziehen zu können, begrenzte den Kreis der möglichen Teilnehmenden. Im Interesse, den Austausch zwischen den qualitativ Forschenden zu vertiefen, war es jedoch unser vorrangiges Ziel, all diejenigen zusammen zu bringen, die problemlos eine nicht standardisierte Datengrundlage zum Gegenstand ihrer Forschung machen können. Es war allerdings nicht daran gedacht, quantitative und standardisierte Zugänge generell auszuschließen. Im Gegenteil wäre es aus unserer Sicht durchaus wünschenswert gewesen, diese in Bezug auf unsere gemeinsame Fragestellung, was wer wie zu einer Theorie des Unterrichts beitragen kann, – gleichsam im methodischen Kontrast – hinzuzunehmen. Solcherart verfahrende ForscherInnen wären aus unserer Sicht ebenso wie die anderen dazu aufgerufen, deutlich zu machen, was sie in puncto einer Theorie des Unterrichts zu leisten im Stande sind. Forschende, die Dokumente standardisiert auswerten, indem sie diese raten, könnten folglich produktiv an der Diskussion beteiligt werden, müssen sie doch ebenfalls beanspruchen, dass die Ratingkategorien insgesamt eine Theorie des Unterrichts abgeben. Leider ließ sich bis zum Zeitpunkt der Tagung aber niemand aus der Gruppe der quantitative Forschenden finden, der über ausreichende zeitliche Ressourcen verfügen konnte, um sich aktiv am Vorhaben zu beteiligen.

Überdies schien es uns so zu sein, dass die Hürde der aktiven Teilnahme insgesamt sehr hoch gelegt war, im laufenden Betrieb möglichst viele Interessierte dazu bewegen zu können teilzunehmen. Insofern ist die Auswahl der auf der Tagung Vortragenden und der für den vorliegenden Band Beitragenden Ergebnis des Zusammenspiels eines bewussten Auswahlprozesses und Folge äußerer Umstände und in dieser Hinsicht als kontingent einzuschätzen. Dennoch waren wir als Herausgebende und Tagungsinitiierende darauf bedacht, eine möglichst große methodische Breite durch vor allem kontrastive Zugänge abzubilden. Keinesfalls wollen wir damit jedoch andeuten, das Feld dadurch vollständig abbilden zu können. Insbesondere denken wir für eine sinnvolle Ergänzung daran, dass es lohnenswert wäre, professionalisierungstheoretische Ansätze, wie sie etwa von Andreas Wernet (2003) und Werner Helsper (vgl. 1996; Helsper et al. 2008, 2009) oder auch Uwe Hericks (2006) entwickelt wurden, in ihrem Ertrag für eine Theorie des Unterrichts fruchtbar zu machen. Die beiden letztgenannten ließen sich noch einmal hinsichtlich ihrer Perspektiven auf Schulkultur (vgl. Helsper et al. 2001) und auf berufsbiographische Entwicklungsaufgaben (vgl. Hericks 2006) spezifizieren. Aber weder wäre durch diese Erweiterungen Vollständigkeit zu beanspruchen noch möchten wir die genannten und beitragenden Ansätze insgesamt kanonisieren, in ausschließender Weise Antworten auf die Frage nach Unterricht geben zu können. Zum Abschluss der Tagung hatten wir dazu aufgerufen, sich unter den genannten Leitfragen ebenfalls mit der fraglichen Stunde zu befassen, wenn man meint, die verfolgte Diskussion damit gehaltvoll ergänzen zu können. Über die Vortragenden auf der Tagung hinaus haben sich mit Hanna Kiper und Jens Oliver Krüger noch zwei weitere Interessierte aus dem Kreis der Teilnehmenden für den vorliegenden

Band gewinnen lassen.

Mit Francesco Cuomo konnten wir zudem bereits für die Tagung jemanden gewinnen, der die dort stattgefundenen Diskussionen im Licht des internationalen Diskurses zur Unterrichtsforschung beleuchtet hat. Während sein englischsprachiger Beitrag sich also zu den übrigen wie ein Metakommentar verhält, lassen sich mit den Autorinnen und Autoren der anderen Beiträge folgende Perspektiven auf den Gegenstand verbinden, die hier nur kurz umrissen werden sollen.

t Andreas Gruschka legt dar, inwiefern der vorliegende Fall von Unterricht mittels der einheimischen Begriffe der Pädagogik zu verstehen sei (vgl. Pollmanns und Gruschka 2013) und wieso dieser sich systematisch als widersprüchliche Einheit von Erziehung, Didaktik und Bildung konstituiere (vgl. Gruschka 2005, 2009, 2013), auch wenn die damit gegebenen Möglichkeiten faktisch unterboten werden.

t Demgegenüber operieren Oliver Hollstein, Wolfgang Meseth und Matthias Proske gänzlich mit den begrifflichen Mittel, die ihnen die Systemtheorie liefert. Unterricht sehen sie auf diesem Wege als eine Kommunikationsform an (vgl. Meseth et al. 2011b), deren konstitutives Kennzeichen von ihnen als „Pädagogizität“ umrissen wird, in der es darum geht „Lernen zu ermöglichen“.

t Tanya Tyagunova und Georg Breidenstein machen einen ethnographischen, praxistheoretisch orientierten Zugriff auf Unterricht stark (vgl. Breidenstein 2006, Ders. und Tyagunova 2012) und werten das Material so aus, dass sie damit vor allem verschiedene Praktiken identifizieren, mittels derer sich die an der Praxis Beteiligten darüber verständigen, dass es sich dabei um Unterricht handelt.

t Sabine Reh und Denise Wilde machen deutlich, welcher Ertrag darin liegt, wenn sie Unterricht „als eine in pädagogischen Praktiken (re)produzierte Ordnung“ (Reh et al. 2011, S. 210) fassen, für die „die Wechselseitigkeit der Konstitution von Subjekten und Gegenständen“ (Reh und Ricken 2012, S. 52) typisch sei, worauf sie mit dem Begriff der Adressierung und des Zeigens abzielen.

t Hanna Kiper analysiert die vorliegende Unterrichtsstunde vor dem Hintergrund eines pädagogisch normativen Modells gelingenden Unterrichts, das sie selbst gemeinsam mit Wolfgang Mischke (vgl. Kiper und Mischke 2004) unter dem Stichwort eines „ko-konstruierenden“ Unterrichtsgeschehens entwickelt hat.

t Jens Oliver Krüger betrachtet, wie die Unterrichtstunde in der Perspektive der beteiligten Schüler erscheint. Auf Grundlage der geführten Interviews zur Stunde analysiert er deren Diskurs zum Unterricht, um insbesondere die Kontingenz der unterschiedlichen Diskurse, etwa auch des schulpädagogischen, hervorzuheben.

t Francesco Cuomo fasst seine Kommentare aus Sicht der internationalen Unterrichtsforschung zur Tagungsfrage „what is 'lesson'?“ zusammen. Dabei beleuchtet er die Beiträge insbesondere vom Stand der konstruktivistischen Lehr-Lernforschung aus.

t Rahel Hünig und Sascha Kabel steuern zum Abschluss einen Bericht über die Arbeitstagung und die dort gehaltenen Vorträge und Diskussionen bei. Dabei gehen sie insbesondere auf das spezifische Format der Tagung ein und verdeutlichen die Relevanz, welche die Fragestellung auch für PraktikerInnen gehabt hat.

Die Beiträge werden anschließend von uns zueinander in Bezug gesetzt und auf ihren Ertrag in puncto Ausgangsfrage, was Unterricht sei, hin in vergleichender Analyse untersucht. Damit steht auch zur Revision, wie die Beitragenden sich zu der mit der Frage avisierten Formulierung einer Theorie des Unterrichts verhalten. Davon, auf diese Weise ein Fazit zu ziehen, versprechen sich die Herausgebenden vor allem, die wechselseitige Bezugnahme, wie sie sich auf der Tagung diskursiv ergeben hat, auch im Medium des vorliegenden Bandes hervorzuheben. Wir ziehen damit eine Summe aus den Diskussionen. Diese wurden dadurch ermöglicht, dass die Vortragenden bereit waren, sorgfältige Analysen des Materials vorzubereiten. Dafür – und ebenso für die engagierte Diskussion auch der weiteren Teilnehmenden – möchten wir uns an dieser Stelle noch einmal herzlich bedanken [1].

  • [1] Unser Dank gilt ebenso den studentischen Hilfskräften Anke Scharoba und Irina Kiryukhina, die mitgeholfen haben, die Arbeitstagung vorzubereiten, sowie der wissenschaftlichen Hilfskraft Andrea Waisgluss, die das Manuskript des Bandes auf nötige letzte Korrekturen hin durchsah
 
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