Einleitung

Debt Relations ist als Instrument der betrieblichen Kommunikationspolitik zu verstehen, welche speziell die Beziehung und Kommunikation zwischen dem Unternehmen und Fremdkapitalgebern betrifft. Sie fügt sich unter den Oberbegriff der Investor Relations und steht zwischen Begrifflichkeiten wie Creditor Relations, Bondholder Relations oder Shareholder Relations, wobei die Abgrenzung im Einzelnen nicht ganz eindeutig ist [1]. Innerhalb der Debt Relations kann sodann wieder unterschieden werden zwischen der Kommunikation mit einzelnen oder Gruppen von Kreditgebern einerseits und der Kommunikation mit Anleihegläubigern andererseits, sowie der Kommunikation „nach außen“ mit Informationsmittlern (z. B. Ratingagenturen, Analysten, Vertreter der Medien) [2].

Der Markt für Debt Produkte, also Mittel zur Fremdfinanzierung, ist komplex und hat in den letzten Jahren zahlreiche unterschiedliche Instrumente hervorgebracht [3]. Stetig an Bedeutung gewonnen hat dabei die Mittelstandsanleihe als Alternative zur klassischen Kreditfinanzierung durch Banken. Seit 2010 haben nach und nach die Börsen in Stuttgart (Bondm), Düsseldorf (der mittelstandsmarkt), Frankfurt (Entry Standard), Hamburg/Hannover (Mittelstandsbörse Deutschland) und München (m:access) spezielle Segmente für den Handel mit Anleihen mittelständischer Unternehmen eröffnet. In den vergangenen drei Jahren wurden in Deutschland über 100 Mittelstandsanleihen emittiert.

Auch im Rahmen der Fremdfinanzierung besteht das Ziel der Unternehmenskommunikation in der Verringerung von Informationsasymmetrien und Transaktionskosten durch die Herstellung von Transparenz und Vertrauen bei Fremdkapitalgebern [4].

Maßgeblich sind hierbei auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten.

Der Prospekt: Wann braucht man ihn? Was folgt daraus?

Die erste Weichenstellung bei der Emission eines Debt Produkts geschieht bei der Beantwortung der Frage, ob das Vorhaben einen durch die BaFin (oder eine andere europäische Aufsichtsbehörde) gebilligten Wertpapierprospekt erfordert oder nicht. Dabei ist es einzelfallabhängig und kommt vor allem auf die konkrete Form der Emission sowie das zu emittierende Finanzprodukt an, ob eine Emission prospektpflichtig ist, ob sich die Erstellung eines Prospekts auf freiwilliger Basis anbietet, oder aber ob Ausnahmetatbestände eingreifen, die einen Prospekt entbehrlich machen. Die Antwort auf die Frage, welcher Weg in concreto zu beschreiten ist, hat erheblichen Einfluss auf die gegenüber potenziellen Investoren zu verfolgende Kommunikationsstrategie. Aus diesem Grund, und auch weil die Prospekterstellung (sowie insbesondere die Billigung) ein gewisses – wenn auch überschaubares – Maß an Zeit- und Kostenaufwand auslöst, muss sich ein Anbieter Klarheit darüber verschaffen, ob für die von ihm beabsichtigte Emission ein Prospekt notwendig ist. Der rechtliche Rahmen für Prospektpflicht und -inhalt wird maßgeblich durch die EU-Verordnung (EG) Nr. 809/2004 (Prospektverordnung) sowie in Deutschland insbesondere durch das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) vorgegeben. So besteht nach § 3 Abs. 1 WpPG grundsätzlich eine Prospektpflicht für Wertpapiere, die im Inland öffentlich angeboten werden, wenn nicht eine der Ausnahmen des § 3 Abs. 2 Satz 1 WpPG eingreift. Unabhängig vom Vorliegen eines öffentlichen Angebots gilt nach § 3 Abs. 4 WpPG der Grundsatz der Prospektpflicht für all diejenigen Wertpapiere, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen. Diese beiden Alternativen wollen wir im Folgenden etwas näher erläutern.

2.1 Gesetzliche Prospektpflicht

Nach § 3 Abs. 1 WpPG ist ein Prospekt zunächst grundsätzlich dann erforderlich, wenn Wertpapiere „öffentlich angeboten“ werden.

Die Definition eines solchen öffentlichen Angebots findet sich in § 2 Nr. 4 WpPG. Danach handelt es sich (bereits dann) um ein öffentliches Angebot, wenn ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere an das Publikum dergestalt mitgeteilt werden, dass ein Anleger in die Lage versetzt wird, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden. Die Anzahl der angesprochenen Anleger ist dabei nicht entscheidend. So entsteht zum Beispiel selbst dann, wenn sehr viele Personen im Rahmen einer Privatplatzierung angesprochen werden, nicht unbedingt ein öffentliches Angebot. Es kommt vielmehr darauf an, ob sich das Angebot der Wertpapiere an einen unbestimmten bzw. unbegrenzten Personenkreis richtet. Hierin wird direkt der erste ganz zentrale Punkt deutlich, bei dem es auf Debt Relations ankommt, denn ob ein Angebot von Wertpapieren öffentlich ist, bestimmt sich nach der Kommunikation mit den Anlegern.

Für das Vorliegen eines öffentlichen Angebots kommt es entscheidend darauf an, ob die wesentlichen Vertragsbestandteile, also der Kaufgegenstand, der Preis oder Preisrahmen, der Lieferzeitpunkt und die Valuta der Öffentlichkeit mitgeteilt werden. Dabei besteht für Emittenten das Risiko, in die sogenannte „Werbefalle“ zu tappen. Denn Ankündigungen, Werbungen und Unternehmenspräsentationen können schon ein öffentliches Angebot im Sinne des WpPG darstellen und damit die Prospektpflicht auslösen, wenn darin die vorgenannten Informationen ganz oder teilweise enthalten sind. Spätestens liegt ein Angebot vor, wenn der Emittent einem unbestimmten / unbegrenzten Personenkreis eine Zeichnungsmöglichkeit eröffnet und insbesondere der Ausgabepreis und bei einer Anleihe die Verzinsung angegeben wurde.

Außer im Fall des öffentlichen Angebots ist die Erstellung eines Wertpapierprospekts auch immer dann notwendig, wenn Wertpapiere zum Handel an einem

„organisierten Markt“ zugelassen werden sollen. Die Definition des organisierten Marktes findet sich in § 2 Nr. 16 WpPG. Dabei handelt es sich um ein durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes Handelssystem, also etwa der Prime und General Standard der Frankfurter Wertpapierbörse. Dies bedeutet in der Praxis, dass in manchen Fällen, etwa bei der Begebung von Benchmarkanleihen, die typischerweise eine Notierung im regulierten Markt anstreben, grundsätzlich ein Wertpapierprospekt benötigt wird, und zwar unabhängig davon, ob das Wertpapier öffentlich angeboten wird oder nicht.

2.2 Insbesondere: Prospektpflicht bei Wandelschuldverschreibungen

Bei der Frage der Prospektpflicht für Wandelschuldverschreibungen ist zwischen der Emission von Wandelschuldverschreibungen mit und ohne Bezugsrecht zu unterscheiden:

Das Angebot von Wandelschuldverschreibungen ohne Bezugsrecht für die Aktionäre (typischerweise mit Wandlungsrecht in Aktien, die weniger als 10 % des bisherigen Grundkapitals repräsentieren) richtet sich grundsätzlich nach denselben Regeln, die auch für die Emission von Schuldverschreibungen gelten. Ein Prospekt wäre also erforderlich, wenn diese Wertpapiere öffentlich angeboten würden. In der Praxis kommt ein öffentliches Angebot für Emissionen von Wandelschuldverschreibungen, die sich auf weniger als 10 % der Aktien beziehen, allerdings in aller Regel nicht vor, denn es ist gerade ein Vorteil der sogenannten 10 %-Emission, dass diese prospektfrei durchgeführt werden kann. Prospektpflichtig wäre jedoch die Zulassung der Wandelschuldverschreibung zum Handel im regulierten Markt, wenn keine der gesetzlichen Ausnahmen eingreift.

Bei Wandelschuldverschreibungen gilt es, neben dem Vorstehenden, zusätzlich zu beachten, dass die der Wandelschuldverschreibung zugrunde liegenden Aktien einer Zulassung zum Handel im regulierten Markt zwingend dann bedürfen, wenn bisherige Aktien (der jeweiligen Gattung) der Emittentin dort bereits notiert sind. Die entsprechenden neuen Aktien werden jedoch in der Regel aus einem bedingten Kapital geschaffen, so dass für die Aktien, die aus der Wandlung entstehen, eine prospektfreie Zulassung möglich ist. § 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG sieht nämlich die prospektfreie Zulassung von Aktien aus bedingtem Kapital vor.

Bei dem Angebot von Wandelschuldverschreibungen mit gesetzlichem Bezugsrecht für die Aktionäre, so der Grundfall nach Vorstellung des Gesetzgebers, stellt sich die Frage, ob die Gewährung des Bezugsrechts an Altaktionäre als öffentliches Angebot qualifiziert werden muss. Dies wurde in der Vergangenheit in Deutschland (auch seitens der BaFin) verneint1. Es wurde argumentiert, dass der Kreis derjenigen, denen die Wandelschuldverschreibungen angeboten werden, bestimmbar (alle bisherigen Aktionäre) und damit das Angebot nicht öffentlich sei. Darüber hinaus seien die Aktionäre nach einer am Normzweck orientierten Betrachtungsweise nicht schutzbedürftig, da sie schon in die Aktien der Emittentin investiert hätten und daher ein weniger hohes Informationsbedürfnis gegeben sei, als bei völlig fremden Dritten.

Die vorbeschriebene Verwaltungspraxis der BaFin wurde von der überwiegenden Mehrzahl der anderen europäischen Aufsichtsbehörden nicht geteilt und wird inzwischen auch in Deutschland nicht mehr vertreten. Im Zuge der Reform der EU-Prospektrichtlinie, die mit Wirkung zum 1. Juli 2012 in deutsches Recht umgesetzt wurde, wurden in die EU-Prospektverordnung ausdrücklich eine Reihe von Sonderregelungen für Prospekte für Bezugsrechtsemissionen aufgenommen. Dies hatte die geänderte Prospektrichtlinie vorgesehen, was zweifelsfrei nahelegt, dass grundsätzlich von einer Prospektpflicht auch in diesen Fällen auszugehen ist. Die BaFin hat daraufhin ihre vorherige Rechtsauffassung als nicht mehr mit europäischem Recht vereinbar aufgegeben2. Demgemäß stellen Bezugsrechtsangebote für (Aktien oder) Wandelschuldverschreibungen nunmehr ein öffentliches Angebot dar und unterliegen damit grundsätzlich einer Prospektpflicht, soweit nicht eine der gesetzlichen Ausnahmen eingreift.

2.3 Debt Relations während der Emission prospektpflichtiger Angebote

Neben der Veröffentlichung eines Prospekts müssen die Beteiligten bei der Emission von Debt Produkten weitere zahlreiche Verhaltenspflichten in der Kommunikation beachten. Für die wichtige Frage, welche Informationen an die potenziellen Investoren weitergegeben werden können, kommt es maßgeblich darauf an, in welcher Phase die Emission sich befindet. Bis zum Zeitpunkt der Billigung des Prospekts durch die BaFin oder andere europäische Aufsichtsbehörden ist sehr genau darauf zu achten, dass zuvor noch kein öffentliches Angebot erfolgt. Dies führt insbesondere in der Pre-Marketingphase zu Konflikten. Weitergehende Pflichten können ab dem Moment entstehen, in dem der Zulassungsantrag zur Aufnahme des Börsenhandels gestellt wird oder ab dem Moment, in dem der Handel mit den Debt Produkten beginnt.

  • [1] Hasler/Launer/Wilhelm, Praxishandbuch Debt Relations, 2.2, 3.1
  • [2] Hasler/Launer/Wilhelm, Praxishandbuch Debt Relations, 2.2
  • [3] siehe Übersicht in Hasler/Launer/Wilhelm, Praxishandbuch Debt Relations, 1.6, Abb. 1.2.
  • [4] Hasler/Launer/Wilhelm, Praxishandbuch Debt Relations, 3.4, Abb. 3.6.
 
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