Nachträge zum Prospekt
Sollte sich nach Billigung und Veröffentlichung des Prospekts (noch während der Angebotsphase) ein neuer wichtiger Umstand bezüglich des Emittenten ergeben oder eine Angabe im Prospekt sich als unrichtig erweisen, so muss ein Nachtrag zum Prospekt erstellt und von der BaFin (oder der sonstigen zuständigen Aufsichtsbehörde) gebilligt werden. Diese Nachtragspflicht gilt natürlich nicht für kleine Fehler, die für die Anlageentscheidung nicht relevant werden können. Vielmehr kommt es nur auf solche Angaben an, die geeignet sind, die Beurteilung der Wertpapiere zu beeinflussen.
In zeitlicher Hinsicht beginnt die Nachtragspflicht ab der Billigung des Prospekts und endet mit dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots der Wertpapiere oder der Einführung in den Handel. Durch die seit Mitte 2012 geänderte Formulierung des § 16 WpPG wurde nun auch das Verhältnis zwischen den Alternativen des Endes der Nachtragsfrist klargestellt. Demnach beendet die Einführung oder Einbeziehung in den Handel den nachtragspflichtigen Zeitraum nicht, solange das öffentliche Angebot noch läuft. Diese Klarstellung ist praxisrelevant, da teilweise, je nach Ausgestaltung des Debt Produkts, Angebotszeiträume von bis zu einem Jahr gewählt werden. Während dieses Jahres müssen demnach Nachträge gebilligt und veröffentlicht werden, auch wenn zwischenzeitlich eine Einbeziehung in den Handel stattgefunden hat.
Gemäß § 16 Abs. 3 WpPG haben Anleger nach Veröffentlichung eines Nachtrags die Möglichkeit, ihre eigentlich verbindliche Kauferklärung zu widerrufen. Bisher konnte das Widerrufsrecht nur so lange ausgeübt werden, bis die Finanzprodukte in das Depot des Erwerbers eingebucht wurden, danach war der Widerruf ausgeschlossen. Nach der aktuellen Rechtslage besteht das Widerrufsrecht hingegen immer dann, wenn der neue Umstand bzw. die Unrichtigkeit vor Schluss des öffentlichen Angebots und vor der Lieferung der Wertpapiere eingetreten ist. Damit kann die auf Erwerb bzw. Zeichnung gerichtete Erklärung nun auch widerrufen werden, wenn die Wertpapiere bereits vor der Veröffentlichung des Nachtrags in das Depot des Anlegers eingebucht worden waren, solange nur der nachtragspflichtige Umstand vor Erfüllung eingetreten ist.
Werbung nach Veröffentlichung des Prospekts
Gewisse Verhaltenspflichten im Hinblick auf Werbung und Kommunikation generell muss der Emittent auch noch nach der Billigung des Prospekts beachten. So darf er nicht völlig frei mit Marketingäußerungen umgehen, sondern muss vielmehr darauf achten, dass jede Veröffentlichung im Zusammenhang mit dem prospektpflichtigen öffentlichen Angebot oder der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt, unabhängig davon, ob sie Werbezwecken dient, den Vorgaben von § 15 WpPG genügt. So gibt § 15 Abs. 4 WpPG vor, dass die im Prospekt enthaltenen Angaben und alle über das öffentliche Angebot oder über die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt verbreiteten Informationen – und daher insbesondere die Marketingunterlagen – konsistent sein müssen. Die Norm betrifft einerseits das Verhältnis von sämtlichen Informationen und Angaben außerhalb des Prospekts zu den im Prospekt enthaltenen Aussagen sowie andererseits den Umgang mit Informationen, wenn eine Prospektpflicht nicht besteht. § 15 WpPG bezieht sich auf jede Art von Werbung. Zwar differiert der Wortlaut zwischen Werbung (bzw. jeder Art von Werbung im Sinne seines Abs.
1) und Werbeanzeigen, da aber in der englischen Fassung der Prospektrichtlinie keine Unterscheidung zwischen diesen Begriffen enthalten ist, sind wegen des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung die beiden verschiedenen verwendeten Begriffe austauschbar. In zeitlicher Hinsicht greift § 15 WpPG erst ab dem Zeitpunkt, zu dem die Möglichkeit des Erwerbs der angebotenen oder zuzulassenden Debt Produkte besteht oder angekündigt wird. Seine Anwendbarkeit endet mit der Beendigung des öffentlichen Angebots oder der Zulassung der Debt Produkte zum Börsenhandel.
Jeder Veranlasser einer Werbeanzeige (bzw. Werbung) hat in der Anzeige stets darauf hinzuweisen, dass ein Prospekt veröffentlicht wurde oder zur Veröffentlichung ansteht und wo die Anleger diesen erhalten können.
Darüber hinaus gilt das Gebot, dass Werbeanzeigen als solche klar erkennbar sein müssen und die darin enthaltenen Angaben nicht unrichtig oder irreführend sein dürfen. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass jede Werbeanzeige explizit das Wort „Werbeanzeige“ oder „Werbung“ enthalten muss. Art. 2 Nr. 9 der EUProspektverordnung enthält eine weite Definition des Begriffs der Werbung. Danach sind unter Werbung alle Bekanntmachungen zu verstehen, die sich auf eine konkrete Emission beziehen und die auf die Förderung des Verkaufs bestimmter Wertpapiere abzielen. Erfasst sind damit sämtliche Bereiche, von Zeitungsanzeigen über TVoder Radio-Werbespots bis hin zu Roadshow-Materialien und Analystenpräsentationen.
§ 15 WpPG ist vor allem im Rahmen der Roadshow relevant, denn hier kommt es besonders darauf an, die Vorzüge und Chancen des Wertpapiers zu betonen. In diesem Zusammenhang muss, mit Blick auf § 15 WpPG, wiederum darauf geachtet werden, dass die während der Roadshow mitgeteilten wesentlichen Informationen auch zwingend im Prospekt enthalten sind, selbst wenn es ansonsten keine gesetzliche Verpflichtung zur Aufnahme der jeweiligen Information gibt. Dies betrifft insbesondere Prognosen, Schätzungen und sonstige Informationen über den gegenwärtigen oder zukünftigen Geschäftsverlauf der Gesellschaft. Der Prospekt und die Roadshow-Unterlagen stehen folglich in einem Wechselwirkungsverhältnis zueinander. Hier wird deutlich, dass eine enge Abstimmung zwischen dem Ersteller des Prospekts und den vom Emittenten eingeschalteten Marketingverantwortlichen notwendig ist, welche schon möglichst früh beginnen sollte, damit später die Roadshow reibungslos verlaufen kann[1].
- [1] Zipperle/Schmidt, „Widerstreit der Disziplinen – Herausforderungen in der Anleihekommunikation“ in: Going Public Magazin, Heft 4/2013, April 2013