Platzierung ohne Prospekt
Gesetzliche Ausnahmen von der Prospektpflicht (§ 3 Abs. 2 S. 1 WpPG)
§ 3 Abs. 2 Satz 1 WpPG nennt sechs Ausnahmetatbestände, bei denen trotz Vorliegens eines öffentlichen Angebots oder der Zulassung zum Handel im organisierten Markt ein Prospekt entbehrlich ist.
Die Ausnahme des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpPG gilt für alle Debt Produkte und besagt: Wer sich dafür entscheidet, bei der Emission auf Privatanleger zu verzichten und nur institutionelle Investoren anzusprechen, benötigt keinen Wertpapierprospekt (es sei denn, die Wertpapiere sollen zum Handel im regulierten Markt zugelassen werden). Wortwörtlich heißt es in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpPG, dass ein Prospekt entbehrlich ist, wenn die Wertpapiere ausschließlich „qualifizierten Anlegern“ angeboten werden. Wer zu den „qualifizierten Anlegern“ zählt, ist wiederum in § 2 Nr. 6 WpPG geregelt, der nach aktueller Gesetzeslage auf § 31a des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und damit auf die Einteilung zwischen „professionellen“ und „privaten“ Kunden verweist. Damit sind die üblichen institutionellen Anleger als „qualifizierte Anleger“ erfasst. Allerdings können sich auch kleine und mittlere Unternehmen und sogar (doch wiederum) Privatanleger auf Antrag bei einer konkreten Bank als „professionelle Kunden“ einstufen lassen (§ 31a Abs. 7 WpHG). Die Regelung hat den Hintergrund, dass qualifizierte Anleger als weniger schutzbedürftig angesehen werden.
Die Überlegung, dass Privatanleger in der Regel keine allzu hohen Geldsummen in einzelne Papiere investieren werden, förderte die Entwicklung weiterer Ausnahmetatbestände. So ist ein Wertpapierprospekt entbehrlich, wenn die angebotenen Wertpapiere eine Mindeststückelung von EUR 100.000 aufweisen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WpPG) oder wenn das Angebot vorsieht, dass die Wertpapiere nur ab einem Mindestabnahmebetrag von EUR 100.000 erworben werden können (§ 3 Abs. 2Satz 1 Nr. 3 WpPG). Die genannten Schwellen wurden Mitte 2012 im Rahmen der Revision der EU-Prospektrichtlinie [1] deutlich angehoben.
Weniger praxisrelevant dürfte die in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 WpPG vorgesehene Ausnahme sein. Nach dieser Vorschrift entfällt die Prospektpflicht, wenn der Verkaufspreis für alle angebotenen Wertpapiere innerhalb von zwölf Monaten weniger als EUR 100.000 beträgt. Dies ist zwar prinzipiell begrüßenswert, da die Kosten für die Prospekterstellung bei diesen sogenannten „Kleinstemissionen“ zu stark ins Gewicht fallen würden. Aufgrund der geringen Attraktivität der Kleinstemissionen für Unternehmen und Investoren wird diese Möglichkeit jedoch wenig genutzt.
Trotz Bestehens eines öffentlichen Angebots liegt auch dann eine Ausnahme von der Prospektpflicht vor, wenn sich das Angebot in jedem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) an weniger als 150 nicht qualifizierte Anleger richtet (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpPG). Dabei werden die in verschiedenen Ländern angesprochenen Privatanleger nicht addiert. Selbst dann also, wenn sich das Angebot an 149 Deutsche, 149 Franzosen, 149 Spanier usw. richtet, besteht keine Prospektpflicht [2].
Schließlich entfällt die Prospektpflicht für Emittenten, deren Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Diese können Debt Produkte mit einem Bilanzkaufpreis von weniger als EUR 5 Mio. innerhalb von zwölf Monaten prospektfrei begeben, auch wenn diese öffentlich angeboten oder zum Handel im organisierten Mark zugelassen werden sollen (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG). Alle genannten Ausnahmen haben selbstbefreiende Wirkung. Das bedeutet, dass eine positive Bescheidung der BaFin über das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes nicht notwendig ist. Dennoch empfiehlt sich in Zweifelsfällen eine Absprache mit der BaFin, um eine eventuelle Haftung wegen fehlenden Prospekts gemäß § 24 WpPG zu vermeiden. Nach dieser Norm müssen Emittent und Anbieter der Wertpapiere diese nämlich gegen Erstattung des Erwerbspreises zurücknehmen, wenn ein Prospekt entgegen § 3 WpPG nicht vorliegt. Wenn eine Beratung durch einen in diesem Bereich erfahrenen Anwalt sowie eine Abstimmung mit der BaFin erfolgte, wird selbst bei einer später abweichenden Gerichtsentscheidung der Emittent sich häufig damit exkulpieren können, dass er nicht grob fahrlässig handelte und somit seine Prospekthaftung entfällt.