Weitere gesetzliche und börsenrechtliche Pflichten je nach Börsensegment

Ob ein Wertpapierprospekt erstellt werden muss oder nicht, ist eine der zentralen Fragen im Zuge der Emission von Wertpapieren. Daneben existieren jedoch weitere Pflichten, die ein Emittent unter Umständen beachten muss und für die Debt Relations von Bedeutung ist.

Derartige Pflichten können sich entweder aus dem Gesetz ergeben oder auch aus den privatrechtlichen Regularien der jeweiligen Börsenhandelsplätze. Je nachdem, in welchem Börsensegment eine Emission angestrebt wird, fallen die Anforderungen unterschiedlich umfangreich aus. Dabei lässt sich ganz grundsätzlich die Faustregel festhalten, dass die zusätzlichen Pflichten an Quantität und Intensität zunehmen, je mehr sich der Emittent in Richtung der Qualitätssegmente des regulierten Marktes bewegt.

Es handelt sich dabei um Transparenzanforderungen im weitesten Sinne, deren Erfüllung zugleich Auswirkungen auf die Kommunikation mit potenziellen Investoren hat: Einerseits können diese sich, je engmaschiger die Pflichten gestrickt sind, ein sehr genaues Bild vom Emittenten machen. Es wäre also schwierig (und unter Haftungsgesichtspunkten ohnehin nicht ratsam), gegenüber den Anlegern ein Bild vom Unternehmen zu zeichnen oder aufrechtzuerhalten, das eventuell im Missverhältnis zu dessen tatsächlicher Lage steht. Andererseits lassen sich durch eine gehörige Pflichtenerfüllung seitens des Unternehmens natürlich sehr positive Effekte erzielen. So ist die pflichtgemäße Information der Anleger besonders geeignet, das am Kapitalmarkt unverzichtbare Vertrauen herzustellen bzw. auszubauen und lässt sich dementsprechend dazu nutzen, die Aufrichtigkeit des Emittenten herauszustellen. Dies ermöglicht es, auch in schwierigen Situationen auf den Anlegerkreis bauen zu können.

4.1 Freiverkehr

Der allgemeine Freiverkehr ist das Börsensegment mit den geringsten Zugangsvoraussetzungen. Er ist nicht öffentlich-rechtlich reguliert und kein organisierter Markt im Sinne des EU-Rechts, sondern wird von dem privatrechtlichen Träger der jeweiligen Börse betrieben und reguliert. Dementsprechend ergeben sich die Rahmenbedingungen und Pflichten, die für eine Einbeziehung in den Handel erfüllt werden müssen, aus den Freiverkehrsrichtlinien und/oder allgemeinen Geschäftsbedingungen der einzelnen Handelsplätze. Die einzigen gesetzlichen kapitalmarktrechtlichen Zulassungsfolgepflichten, die im allgemeinen Freiverkehr gelten, sind das Insiderrecht in Gestalt von § 14 WpHG und das Verbot der Marktmanipulation gemäß § 20a WpHG. Das Insiderrecht verbietet dabei

• den Insiderhandel,

• die Weitergabe von Insiderinformationen und

• die Empfehlung in Kenntnis einer Insiderinformation.

Die Beachtung dieser Pflichten gehört sozusagen zum unverzichtbaren Mindeststandard einer Börsennotierung. Wird eine Notierung im Freiverkehr oder in einem höheren Börsenhandelssegment angestrebt, sollte also jeder Emittent seine Mitarbeiter auch entsprechend für diese Themen sensibilisieren. Sind diese doch am ehesten der Gefahr ausgesetzt, eine interne Information zu erlangen und möglicherweise dann nicht den genauen Inhalt der insiderrechtlichen Pflichten zu kennen. In der Praxis werden hierfür interne Richtlinien aufgestellt, Aufklärungsschreiben verteilt und Mitarbeiter geschult.

4.2 Mittelstandssegmente

Der Startschuss fiel 2010 mit der Eröffnung des Segments Bondm an der Börse Stuttgart. Seitdem haben sich die sogenannten Mittelstandssegmente für Unternehmensanleihen als Teilbereiche des Freiverkehrs an den deutschen Börsen etabliert. Was ist nun die Besonderheit dieser Segmente? Es handelt sich um Qualitätssegmente für Mittelstandsanleihen, d. h. um Börsenhandelssegmente, bezüglich derer die Börsen selbst über die gesetzlichen Pflichten hinausgehende weitere Einbeziehungsvoraussetzungen sowie Folgepflichten für die Emittenten festlegen. Die Börsen bieten den Unternehmen gleichzeitig eine Unterstützung bei der Durchführung der Zeichnung und damit letztlich bei der Platzierung der Anleihen an. Hierzu stellen sie die entsprechenden Funktionalitäten für die Zeichnung bereit. Zudem unterstützen sie den Prozess durch Informationen und die Durchführung von Werbemaßnahmen.

Die Regelungen, die die Börsen in ihren Geschäftsbedingungen für die Einbeziehung eines Wertpapiers und für die entsprechenden Folgepflichten jeweils festgelegt haben, sind weitgehend identisch.

Tabelle 4.1 gibt eine Übersicht über die jeweiligen Einbeziehungsvoraussetzungen.

4.3 Regulierter Markt

Emittenten, die ihre Wertpapiere am regulierten Markt platzieren wollen, müssen demgegenüber deutlich mehr und strengere gesetzliche Vorgaben im Hinblick auf die Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsfolgepflichten beachten. Die Anforderungen werden hier zum ganz überwiegenden Teil durch das Recht der Europäischen Union geprägt. Im Rahmen von Debt Relations sind insbesondere die folgenden gesetzlichen Pflichten zu beachten:

• Seit Inkrafttreten der EU-Verordnung vom 19.07.2002 [1] besteht die Pflicht, (Konzern-) Jahresabschlüsse nach den IFRS (International Financial Reporting Standards) zu erstellen. Diese sind gegenüber der Rechnungslegung nach HGB komplexer und investorenorientierter. Ziel ist es, einen möglichst vollständigen Überblick über das Unternehmen zu geben und Informationen über die Vermögens- und Finanzlage, die Ertragskraft und die Cashflows bereitzustellen. Emittenten, die erstmalig Debt Produkte mit Zulassung im regulierten Markt anbieten, müssen insbesondere in einem Prospekt grundsätzlich für wenigstens zwei Geschäftsjahre Zahlen nach IFRS darstellen. Die Jahres- und Konzernabschlüsse müssen grundsätzlich innerhalb einer verkürzten Frist von vier Monaten nach Ende des Geschäftsjahres veröffentlicht werden. Eine Ausnahme gilt für Kapitalgesellschaften, die ausschließlich Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von EUR 50.000 zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen haben. Hier gilt die allgemeine handelsrechtliche Frist von zwölf Monaten.

• Mit Inkrafttreten des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes [2] wurden Zwischenberichtspflichten für den regulierten Markt eingeführt. Nach § 37w WpHG sind börsennotierte Kapitalgesellschaften verpflichtet, Halbjahresberichte zu

Tab. 4.1 Voraussetzungen für die Einbeziehung von Anleihen in die Mittelstandssegmente der Börsen

erstellen. Die Halbjahresfinanzberichte dienen der Aktualität der Informationen und fördern somit eine höhere Transparenz. Außerdem liefern sie einen Indikator für den nächsten Jahresfinanzbericht. Die Halbjahresfinanzberichte müssen der Öffentlichkeit binnen zwei Monaten nach dem jeweiligen Stichtag zur Verfügung stehen und mindestens einen verkürzten Abschluss, einen Zwischenlagebericht und den Bilanzeid enthalten.

• Daneben ist der Emittent nach § 37x Abs. 1 und 2 WpHG zur Veröffentlichung von Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung verpflichtet, wenn er nicht bereits Quartalsfinanzberichte erstellt und veröffentlicht hat (§ 37x Abs. 3 WpHG). Wie auch bei der Veröffentlichung der Jahres- und Halbjahresfinanzberichte bedarf es einer Hinweisbekanntmachung, welche der BaFin mitgeteilt werden muss. Dem Unternehmensregister sind die Hinweisbekanntmachung sowie die Zwischenmitteilung selbst zu übermitteln.

• Mit der Notierung von Debt Produkten im regulierten Markt muss der Emittent bei der Rechnungslegung insgesamt höheren Anforderungen genügen und zusätzliche Angaben aufnehmen. Er gilt dann als kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft im Sinne des Handelsrechts und damit grundsätzlich auch als sogenannte große Kapitalgesellschaft und muss etwa Zusatzangaben im Lagebericht aufnehmen. Bei gleichzeitiger Freiverkehrsnotierung (o.ä.) seiner Aktien muss er überdies eine Erklärung zur Unternehmensführung veröffentlichen, etc.

• Ebenfalls zur Sicherung der Transparenz und der Funktionsfähigkeit des Marktes bestehen weitergehende Veröffentlichungspflichten nach § 30a ff. WpHG. Es handelt sich dabei etwa um Zulassungsfolgepflichten gegenüber den Anlegern (z. B. Gleichbehandlung aller Anleihegläubiger) oder um die Pflicht zur Veröffentlichung bestimmter Mitteilungen im Bundesanzeiger (§ 30b WpHG), etwa über Zinszahlungen, Gläubigerversammlungen, Rückzahlungen oder die Ausübung von Umtausch-, Zeichnungs- und Kündigungsrechten.

• Mit dem gleichen Ziel wurde § 15 WpHG eingeführt, welcher die Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen festlegt. Damit soll § 15 WpHG zur Bildung realistischer Börsen- und Marktpreise beitragen, vgl. hierzu näher unter 4.4.

• Die §§ 21, 25, 25a WpHG regeln die Pflicht für Anleger, die Überschreitung bestimmter Schwellenwerte an Besitz aktienbasierter Produkte zu veröffentlichen. Auch hier geht es um Transparenz auf dem Kapitalmarkt, außerdem soll aber gewährleistet werden, dass der Emittent einen Überblick über seine Aktionärsstruktur und die Beherrschungsverhältnisse bekommt und sich dadurch z. B. auch vor feindlichen Übernahmen schützen kann.

Daneben gelten natürlich auch hier das Verbot des Insiderhandels und das Verbot der Marktmanipulation (vgl. dazu nachstehend 4.5 und 4.6).

4.4 Ad-hoc-Mitteilung

Sobald ein Debt Produkt an einer inländischen Börse zum Handel im organisierten Markt zugelassen ist, ist der Emittent gemäß §§ 12, 15 Abs. 1 WpHG verpflichtet, jede Insiderinformation die ihn unmittelbar betrifft, unverzüglich zu veröffentlichen. Nach § 12 Satz 2 WpPG muss bereits ab dem Moment, in dem der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt wird, beziehungsweise sogar ab der etwaigen öffentlichen Vorabankündigung der Antragstellung, die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität befolgt werden.

In Anlehnung an diese gesetzliche Publizitätspflicht haben die Börsen auch für ihre Mittelstandssegmente in den jeweiligen Freiverkehrsrichtlinien entsprechende privatrechtliche Verpflichtungen zur Veröffentlichung sogenannter Quasi-Ad-hocMitteilungen verankert [3].

In der Praxis stellt sich die Frage, wann es sich überhaupt um eine Insiderinformation handelt. Das Gesetz gibt hierzu nur den folgenden abstrakten Prüfungsmaßstab vor: Wenn ein nicht öffentlich bekannter Umstand potenziell in der Lage ist, im Falle seines öffentlichen Bekanntwerdens den entsprechenden Börsenkurs zu beeinflussen, dann handelt es sich um eine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation. Dabei gilt als Faustregel: Je wichtiger eine Begebenheit für das Schicksal des Emittenten, desto eher liegt eine Pflicht zur Ad-hoc-Mitteilung vor. Beispielsweise würde der Abschluss eines weiteren Exportvertrages, wenn bereits eine Vielzahl solcher Verträge bestehen, eher keine Ad-hoc-Verpflichtung auslösen. Dagegen müsste etwa die Kündigung eines solchen Vertrages durch den wichtigsten Kunden, der den Großteil des Umsatzes ausmacht, unverzüglich publiziert werden. Vielfach geht es in der Praxis um Ereignisse, die in der Zukunft liegen und deren Eintritt naturgemäß niemals zu 100 % feststehen kann. Die Rechtsprechung nimmt hier einen ad-hoc-pflichtigen Umstand dann an, wenn der Eintritt der maßgeblichen Tatsachen vernünftigerweise wahrscheinlich ist. Daneben ist nach der aktuellen Rechtsprechung zu prüfen, ob eventuell einzelne Zwischenschritte für sich genommen schon kursrelevant sein können.

Dies ist jedoch grade bei mehrstufigen Ereignissen besonders schwierig zu beurteilen. Das Paradebeispiel hierfür ist der Abschluss eines größeren Vertrages, etwa eines Unternehmenskaufes. Dabei kommt es in der Regel auf die Frage an, zu welchem Zeitpunkt der Abschluss des Vertrages überwiegend wahrscheinlich ist. Ob eine erfolgreiche Durchführung des Geschäfts stattfinden wird, ist etwa bei den ersten Sondierungsgesprächen oder bei Abschluss eines ersten Letter of Intent in der Regel noch offen. Nach Abschluss einer zur Zufriedenheit der Beteiligten erfolgten Due Diligence wird man hingegen wohl davon ausgehen dürfen, dass der Abschluss des Vertrages überwiegend wahrscheinlich ist. Allerdings ist auch zu prüfen, ob vielleicht der Abschluss des Letter of Intent an sich schon eine kursrelevante Insiderinformation darstellt. Würde sich ein durchschnittlicher Anleger schon von dieser Information beeinflussen lassen, so entsteht schon hier eine publizitätspflichtige Insiderinformation.

Schwierige Rechtsfragen, oftmals unübersichtliche Sachverhalte und drohende Sanktionen bei Verstößen gegen die Publizitätspflichten – da wird es immer wichtiger, die Möglichkeit im Blick zu haben, die Pflicht zur Veröffentlichung einer Insiderinformation durch Vorstandsbeschluss nach § 15 Abs. 3 WpHG hinauszuschieben. Nach dieser Vorschrift darf der Emittent zum Schutz seiner berechtigten Interessen Informationen zurückhalten. Dabei wird dem Vorstand ein Prognosespielraum zugebilligt, um die Geheimhaltungsinteressen nicht zu konterkarieren. In der Praxis wird dieser Weg häufig eingeschlagen und in Zweifelsfragen ist schon aus Vorsichtsgründen stets zu dieser Möglichkeit zu raten.

  • [1] Verordnung EG 1606/2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards vom19.07.2002, AblEG L 234 vom 11.09.2002, S. 1 ff.
  • [2] Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG, vom 05.01.2007, BGBl. I S. 10 (Nr. 1), Geltung ab 20.01.2007
  • [3] Siehe hierzu Kuthe/Zipperle, Wer ‚A' sagt, muss auch ‚B' sagen – Folgepflichten für Emittenten in: Going Public Special Anleihen (2012).
 
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