Konversion von Militärarealen

Begriffsdefinition und Entstehungsgeschichte

Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung befanden sich rund 1,35 Millionen Soldaten auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik (Brömmelhörster 1994: 110), davon ca. 900.000 Mitglieder ausländischer Truppen (Bald 2005: 127). Da im Rahmen der 2+4-Verträge eine weitgehende Abrüstung der auf deutschem Territorium stationierten alliierten und sowjetischen Streitkräfte beschlossen wurde, fand in den kommenden Jahren ein erheblicher Truppenabzug statt. Bis zum Jahr 1994 wurden sämtliche sowjetische Soldaten (mit einer Personalstärke von knapp 400.000 Mann) aus den neuen Bundesländern verlegt, zahlreiche britische, französische und US-amerikanische Standorte wurden geschlossen. Durch die Verkleinerung der Bundeswehr und die Eingliederung der Nationalen Volksarmee wurden zudem rund drei Viertel der insgesamt knapp 2300 Liegenschaften nicht mehr benötigt (BMVg 1994: 15).

Es zeigt sich also, dass in den vergangenen 20 Jahren bereits zahlreiche ehemalige Militärflächen einer Nutzungsänderung zugeführt wurden. Für die Umnutzung solcher Areale wird seit den 1980erJahren der Begriff der Konversion geprägt. Konversion bezeichnet den Prozess der Umwandlung bisher militärisch gebundener Kräfte für zivile Zwecke. Der Begriff wird mittlerweile auch für die Brachflächenreaktivierung auf ehemaligen Industrieoder Gewerbeflächen genutzt. Auf die ebenfalls Konversion genannte zivile Umgestaltung ehemaliger Rüstungsbetriebe soll in diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden. Von Bedeutung ist hier lediglich die so genannte Liegenschaftsoder Standortkonversion, das heißt die Sanierung und Nachnutzung freiwerdender Militärliegenschaften und Objekte (Henckel et al. 2010: 269). Zwar besteht im Falle der Standortschließung von Bundeswehrliegenschaften von Seiten des Bundes ein Anspruch auf die Nutzung der Flächen, allerdings ist in den meisten Fällen kein Bedarf dafür vorhanden. In größeren Städten, die in den Anfangsjahren nach der Wende meist vom Truppenabzug betroffen waren (vgl. Kapitel 3.2), wird die Reduzierung der Streitkräfte meist begrüßt, um so Wohnungsbau- und Gewerbevorhaben durchführen zu können. In vielen kleineren Gemeinden überwiegen hingegen eher negative Einschätzungen bezüglich der Nachnutzung (Biehler et al. 1990: 461) und den Folgen des Abzugs (auf den Arbeitsmarkt, öffentliche Haushalte etc.; Sachs 2004: 75).

Viele Kommunen hatten häufig an die Dauerhaftigkeit der Stationierung der Bundeswehr geglaubt, die sich jedoch nur als ein Wirtschaftsfaktor auf Zeit herausstellte (Steinebach 1997: 216). Daher wurden oft andere Formen der Wirtschaftspolitik vernachlässigt, wie Grundmann (1998: 569) anführt, was zu Protesten gegen Standortschließungen geführt hat (Grave 1995a: 16). In jedem Fall werden von Schließungen betroffene Kommunen vor Herausforderungen hinsichtlich der sozialen und ökonomischen Bedingungen gestellt, weshalb die Konversion oft als Bedrohung angesehen wird (Danielzyk et al. 1998: 18). Wie Danielzyk et al. (1998: 17) ausführen, wirkt sich damit Weltpolitik,

d.h. Veränderungen der globalen Beziehungen und Militärentwicklungen auf diese Weise konkret an einzelnen Orten, auf Individuen und soziale Gruppen aus. Sie beschreiben weiter die Auswirkungen des Truppenabzugs beispielsweise auf die Beschäftigungsverhältnisse, die Infrastrukturausstattung, den Immobilienmarkt, den kommunalen Haushalt und den örtlichen Einzelhandel, da dieser häufig zu Nachfrageausfällen führt (ebd.: 20). Hierbei ist festzuhalten, dass im Falle alliierter Truppenabzüge die Beschäftigungseffekte weniger schwerwiegend ausfallen, da im Falle ausländischer Streitkräfte kaum zivile Mitarbeiter vor Ort beschäftigt werden, sodass Schließungen der Bundeswehr hier schwerer ins Gewicht fallen [1] (Grundmann 1998: 50). Hoppe (2010: 16) fasst die Entwicklungen in den betroffenen Gemeinden wie folgt zusammen:

„Zu den strukturell auffälligsten Subtypen des ländlichen Raums gehört die rurale Miliärfolgelandschaft (…). In Zeiten des Rückbaus von Bundeswehr (…) ist eine Rückkehr zu den ‚vormilitärischen' Strukturen kaum möglich, die ehemaligen Garnisonslandschaften erfahren trotz Konversionshilfen eine erneute, umfassende Transformation mit überwiegend (…) negativen Auswirkungen für die Bau-, Wirtschafts- und auch Sozialstruktur.“

Steinebach (1997: 2) charakterisiert Standorte von Militärkonversion – bedingt durch die Ansiedlungspolitik der Bundeswehr – durch eine meist periphere Lage im ländlichen Raum mit geringer Gemeindegröße, einem fehlenden oder geringen Nachnutzungsdruck sowie geringen Verwaltungs- und Eigenfinanzierungskapazitäten. Vor allem aus letztgenanntem Punkt ergeben sich wiederum fehlende Erfahrungen in Verhandlungen mit Interessenten oder in der Vorbereitung der planungsrechtlichen Beurteilung sowie der Projektsteuerung. Als größtes Problem wird dabei die rasche Vermarktung der Flächen angesehen (ebd.: 4).

  • [1] Meist befinden sich Standorte der Alliierten zudem in größeren Städten bzw. deren Umland, da hier zahlreiche alte Kasernenanlagen der Wehrmacht weitergenutzt wurden und nicht, wie bei der Bundeswehr, Standorte gezielt im ländlichen Raum gegründet wurden (Simon 2007).
 
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