Markenidentität verschiedener Markenobjekte
Ob Marken überhaupt eine Identität im sozialwissenschaftlichen Sinn haben können hängt davon ab, um welche Art von Markenobjekten es geht. Hier können vier Fälle unterschieden werden. Handelt es sich bei dem Identitätsbezugsobjekt „Marke“ um ein Individuum, z. B. um einen Film-, Fußballoder Musikstar oder eine sonstige Person[1] kann man die Erörterung ihrer Identität als Spezialfall der Individualidentität im sozialwissenschaftlichen Sinne bezeichnen. Handelt es sich bei dem Identitätsbezugsobjekt „Marke“ um Gruppen von Menschen, die sich weitestgehend aufgrund der Zugehörigkeit von Menschen zu ihr definieren, wie z. B. Unternehmen, Non-Profit-Organisationen oder Parteien, kann man die Erörterung ihrer Identität als Spezialfall der Gruppenidentität im sozialwissenschaftlichen Sinne bezeichnen. Für diese beiden Fälle ist eine Feststellung der Identität im sozialwissenschaftlichen Sinne machbar.[2] Handelt es sich bei dem Identitätsbezugsobjekt „Marke“ um hochkomplexe Konstrukte, die neben Gruppen von Menschen noch weitere konstitutive Merkmale beinhalten – wie dies z. B. bei Städten durch die geografische Lage der Fall ist – kann man deren Identität auch als Spezialfall der Gruppenidentität bezeichnen.[3] Dieser Zuordnung wird jedoch nur unter der Bedingung gefolgt, dass für diese komplexeren, suprapersonalen Marken die Identitätsproblematik durch die Hinzuziehung weiterer Identitätsaspekte, die sich aus den markenobjekt-spezifischen Besonderheiten ergeben, hinreichend ge-würdigt werden muss – wie dies z. B. bei Städten durch die Berücksichtigung der sogenannten raumbezogenen Identität der Fall ist.[4]
Beim vierten Fall bezieht sich das Identitätsbezugsobjekt „Marke“ auf ein rein nicht-menschliches Objekt, insbesondere auf Güter und Dienstleistungen, aber auch auf Ideen, Schutzrechte, leblose Zeichenbündel, etc. die streng genommen keine Identität im sozialwissenschaftlichen Sinne besitzen können.[5] Einhellige Meinung ist jedoch, dass auch Marken, die sich auf nicht-menschliche, leblose Objekte beziehen, mit menschlichen Charakteristika im Sinne einer Persönlichkeit assoziiert werden können.[6] Diese Betrachtung geht zurück auf Gilmores Theorie des Animismus aus dem Jahre 1919, die besagt, dass der Mensch grundsätzlich danach strebt, nicht-lebende Objekte menschliche Eigenschaften zu verleihen, da sich hieraus für ihn eine Vereinfachung der Interaktion mit den Gegenständen ergibt.[7] Die Begriffe der Persönlichkeit und der Identität sind zwar eng miteinander verwandt; beide werden jedoch häufig fälschlicherweise synonym benutzt. Identität ist umfassender zu verstehen als Persönlichkeit; Persönlichkeit ist ein Teilbereich der Identität.[8]
- [1] Vgl. Hennig-Thurau 2008, S. 163 ff. über Filmstars als Marken; Herzberg 2003, S. 331–358 über Fußballstars als Marken; Engh 2008, S. 137 ff. über Popstars als Marken; Woischwill 2003, S. 217–234 über Goethe als Marke
- [2] Vgl. Burmann und Meffert 2005a, S. 48
- [3] Burmann und Meffert führen auch Städte und Regionen als Gruppen bzw. soziale Systeme auf (vgl. Burmann und Meffert 2005a, S. 48)
- [4] Zum Begriff der raumbezogenen Identität siehe Marxhausen 2010, S. 41, 60 f.; Ebert 2004, S. 63 ff.; Werthmöller 1995, S. 35 ff.; Weichhart et al. 2006, S. 21 ff.; Weichhart 1990, S. 5 ff
- [5] Vgl. Burmann und Meffert 2005a, S. 48; Hohenstein 2008, S. 10
- [6] Vgl. Sirgy 1982, S. 287; Fournier 1998, S. 344 f.; Aaker 1999, S. 45
- [7] Vgl. Zeplin 2005, S. 13 und Hohenstein 2008, S. 10, die auf Gilmore verweisen; siehe ähnlich Plummer 2000, S. 79 ff
- [8] Vgl. Burmann et al. (2012, S. 31). Dies ergibt sich auch konsequenterweise aus den Ausführungen zu den Modellen zur Erfassung der Markenidentität, bei denen die Marken-persönlichkeit ein Teil der Markenidentität ist (vgl. Kapferer 2012, S. 158 ff.; Lobenstein 2004, S. 206 ff.; Esch 2012, S. 101 ff.)